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Leitlinie erhöht Druck auf Bullenmäster

Lesezeit: 6 Minuten

Niedersachsen hat eine Tierschutzleitlinie für die Haltung von Mastrindern veröffentlicht. Die konkreten Vorgaben geben Mästern Planungssicherheit, treiben aber die Kosten hoch. Andere Bundesländer könnten zügig nachziehen.


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In der Endmast müssten wir rund 15% abstocken, um die Platzvorgaben einzuhalten. Dazu kommen Kosten für Gummimatten und Tränken“, sagt Hans-Georg Kuiter, Bullenmäster aus Ermke (Kreis Cloppenburg), und macht deutlich: Besonders die Mast auf Vollspalten kommt unter Druck.


Leitlinie bald Pflicht?

Grund ist die „Tierschutzleitlinie für die Mastrinderhaltung“, die das Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES) Anfang März präsentierte.


Damit definiert Niedersachsen als erstes Bundesland die Haltung von Mastrindern ab sieben Monaten, also von männlicher und weiblicher Nachzucht, Mastbullen und Mutterkühen. Demnächst soll ein Erlass folgen. Dann sind die Vorgaben rechtlich verpflichtend. Das niedersächsiche Landwirtschaftsministerium hatte die Leitlinie im Rahmen seines Tierschutzplanes in Auftrag gegeben. Über 3,5 Jahre hat die Arbeitsgruppe Mastrinder die Details ausgearbeitet. Mit dabei waren Vertreter des Landvolks, der Landwirtschaftskammer, des Beratungsring Osnabrück, der kommunalen Veterinärbehörden, der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz und des LAVES.


Bisher gab es keine offiziellen Regelungen zur Haltung von Mastrindern. Jeder Landkreis konnte individuell entscheiden. Das hat Landwirten die Planung erschwert. Die Leitlinie definiert neben Platzbedarf und Liegefläche auch Tränken oder die Ration (siehe Übersicht). Altbauten haben zunächst Bestandsschutz. Doch auf Betriebe, die langsam und in Altgebäuden gewachsen sind, erhöht sich der Druck.


Mehr Platz in der Endmast:

Für Neubauten sind in der Endmast pro Bulle (über 650 kg) mindestens 3,5 m2 vorgeschrieben. In Altbauten gilt das in spätestens 12 Jahren. In zwei Jahren müssen Endmast-Bullen auch in Altbauten mindestens 2,7 m2 Platz haben.


Das betrifft viele Mäster. Christian de Joung vom Beratungsring Osnabrück sagt: „Etwa die Hälfte der Betriebe in unserer Beratung bietet weniger als 2,7 m2 pro Tier.“ Doch die Tiere seien heute schwerer und bräuchten mehr Platz als noch vor 10 Jahren. Zudem zeigten seine Auswertungen, dass mehr Platz die Zunahmen verbessert (siehe top agrar 4/2018, Seite R 24). Ob dieser Effekt die höheren Kosten für das Abstocken aufwiegt, sei aber offen.


Martin Lüking, Bullenmäster aus Steimbke (Kreis Nienburg/Weser), hat für das Landvolk an der Leitlinie mitgearbeitet. Die Vorgaben hält er für praktikabel. Einen Knackpunkte sieht er aber: „Beispielsweise bei engen, langen Buchtenmaßen wird es schwer, die geforderte Liegefläche und gleichzeitig das Tier-Fressplatz-Verhältnis einzuhalten.“


Um den Platzbedarf zu erfüllen und möglichst wenige Tiere abstocken zu müssen, wollen Lüking und Kuiter einzelne Gruppen zusammenlegen. „Wenn wir aus zwei 8er-Gruppen eine 16er-Gruppe machen, lässt sich die Flächenvorgabe einfacher einhalten“, sagt Lüking. Allerdings gibt er zu bedenken: Mit festen Buchtenabgrenzungen ist das nicht möglich.


Um den Endmast-Bullen mehr Platz zu bieten, will Lüking einzelne Tiere schon früher vermarkten. Diese Möglichkeit biete die Leitlinie, weil sie den Platzbedarf nach Lebendgewichten regelt. Das sei besonders für Betriebe, die ihre Tiere nicht umstallen, ein Vorteil.


Weiche Liegefläche ist Pflicht:

In der Leitlinie sind grundsätzlich weiche Liegeflächen vorgeschrieben. Einflächenbuchten, die sich nicht unterteilen lassen, müssen komplett mit Gummi ausgelegt sein. „Ein Großteil der Betriebe mästet heute auf Vollspalten. Diese Landwirte treffen die Auflagen hart“, sagt Berater de Joung. Die Kosten für Gummimatten liegen bei 60 bis 80 €/m2. Bei geforderten 2,5 m2 pro Tier sind das 150 € pro Stallplatz.


Für einige Betriebe kommen weitere Kosten hinzu. So müsste Lüking auch seinen Spaltenboden ersetzen, damit die Perforierung der Gummiauflage zur Spaltenweite passt. Die Böden hatte er aber erst vor wenigen Jahren erneuert. „Landwirte planen längerfristig. Deshalb hatten wir vom Landvolk auch Übergangsfristen für Altbauten von 15 Jahren gefordert“, so Lüking.


Die Fütterung und Wasserversorgung sind ebenfalls in der Leitlinie geregelt. Mindestens zwei Tränken pro Bucht und davon maximal eine Saug-/Nippeltränke sind vorgesehen. In Altbauten gilt dafür eine Umbaufrist von fünf Jahren. Für Bullenmäster Kuiter ist das nicht nachvollziehbar: „Ich bin von den Nippeltränken überzeugt, weil sie sauber sind. Jetzt müssen wir Tränken erneuern und neue Leitungen legen.“


Bald bundesweite Vorgaben?

Niedersachsen ist mit der Leitlinie Vorreiter. Doch andere Regionen könnten bald folgen. Vertreter anderer Länder waren bereits im Ausschuss beteiligt.


Christopher Kneip von der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen: „Eine verbindliche Leitlinie, die den Mästern Planungssicherheit gibt, ist wünschenswert. Die Vorgaben sollten aber bundesweit gelten.“ Die Regelungen hält er für fachlich richtig, auch wenn es viele Betriebe hart treffe: Rund 90% der Betriebe in NRW müssten ihre Bestände abstocken, um die Platzvorgaben in Altbauten einzuhalten.


Ähnlich ist es in Bayern. „Würde die Leitlinie rechtlich verbindlich, müssten die bayerischen Betriebe rund 25 bis 30% der Tiere abstocken“, beschreibt Dr. Friederike Zeller von der Ringgemeinschaft Bayern. Denn rentable Bullenmast finde zum überwiegenden Teil in abgeschriebenen Altbauten statt, die laut damals gültiger Empfehlung häufig 2,3 bis 2,7 m2 pro Tier bieten.


Prof. Klaus Reiter von der Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) ergänzt: „Bei Vollspalten sind Gummimatten unbedingt zu empfehlen. Ob sich das rechnet, können wir zwar nicht belegen. Aber es ist besser fürs Tier und somit richtig.“ Um die höheren Kosten auszugleichen sieht er den Einzelhandel in der Pflicht: „Wenn mehr Tierwohl gefordert wird, muss das bezahlt werden und zwar bundesweit, z.B. über ein Label.“


Den Umbau fördern!

Klar ist: Die Auflagen verkleinern die ohnehin engen Margen in der Bullenmast.


Deshalb fordert die Arbeitsgruppe mit der Veröffentlichung der Leitlinie finanzielle Unterstützung. „Denkbar wäre eine Förderung im Rahmen von AFP, wenn Betriebe schon frühzeitig ihre Altbauten umbauen“, so de Joung. Darüber hinaus müsse die Politik dafür sorgen, dass Betriebe ihren Tieren mehr Platz bieten können ohne die genehmigte Tierzahl abstocken zu müssen.


Auch Kuiter würde einige seiner Altbauten gerne modernisieren. Die Auflagen der Genehmigung erschweren das aber: „Im Sinne des Tierschutzes sollten die Baubehörden jetzt vereinfachte Genehmigungsverfahren ermöglichen. Das würde uns schon viel helfen.“


Kontakt: anke.reimink@topagrar.com

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