Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Bürokratieabbau Agrarantrag 2024 Maisaussaat Erster Schnitt 2024

Aus dem Heft

Massive Mastitis durch Fütterungsfehler

Lesezeit: 7 Minuten

In Hochleistungsherden beobachten wir seit Einführung von Mischrationen und Vorratsfütterung (24-stündiger Futtervorlage) zwei neue, sehr schwerwiegende Arten von Euterentzündungen. Diese Mastitisformen werden im Folgenden mit Typ 1 bzw. Typ 2 bezeichnet (siehe Kasten). Sie treten vorwiegend im ersten Drittel der Laktation auf, also in der Hochleistungsphase. Die Euterentzündungen laufen in der Regel hochakut ab. Wenn sie z. B. morgens beginnen und die Veränderungen im Euter bzw. in der Milch noch nicht vom Landwirt bemerkt werden, sind die Symptome abends bereits dramatisch. Bei bakteriologischer Untersuchung der Milch werden nur Coli-Keime oder auch gar keine Erreger gefunden. Die Zellzahl in der Tankmilch liegt im Mittel der letzten drei Monate unter 200 000 Zellen pro ml. Dies lässt eigentlich auf eine relativ gute Euterhygiene schließen und gibt keinen Hinweis auf das Vorliegen einer subklinischen Mastitis. Endotoxine was ist das? In etwa der Hälfte der selbst beobachteten Fälle ließen sich im Blut der Tiere so genannte Endotoxine nachweisen. Diese sind offenbar auch für das Krankheitsgeschehen verantwortlich. Endotoxine sind Giftstoffe, die bei verschiedenen Bakterienarten Bestandteil der Zellwand sind. Das Gift wird beim Zerfall der Bakterien frei. Wenn viele Endotoxin-haltige Bakterien, insbesondere Colibakterien, in einem Tier zerfallen oder eine größere Menge Endotoxin von einem Tier über den Darm aufgenommen werden, tauchen größere Konzentrationen des Gifts im Blut auf. Dies löst die schweren Krankheitserscheinungen aus. Die Giftwirkung der Endotoxine ist vielfältig. Sie schädigen unter anderem das Immunsystem. Die Milchdrüse ist infolgedessen schlechter gegen bakterielle Infektionen geschützt. So genannte Umweltkeime, zu denen Streptococcus uberis und Coli-Keime zählen, können dann leichter heftige Mastitiden auslösen. Die Schwellung des Euters und die Veränderung des Sekrets können ebenfalls mit dem Endotoxin in Zusammenhang gebracht werden. Denn diese Stoffe schädigen unter anderem die Wand kleiner Blutgefäße. Dies führt zu Schwellungen. Durch die Zerstörung der BlutEuter-Schranke kommt es zu dem wässrig veränderten Sekret. Wie kommen die Giftstoffe ins Blut? Neben den beschriebenen Mastitiden treten auch gehäuft Labmagenverlagerungen auf. Außerdem werden durch Verdauungsstörungen verursachte Leistungseinbrüche mit Endotoxinen in Verbindung gebracht. Kühe kommen ständig mit Endotoxin in Kontakt, in erster Linie über das Futter. Bei gesunden Tieren gelangt davon wenig über die Darmwand ins Blut. Die aufgenommenen Mengen werden von einer gesunden Leber entgiftet und über Lunge und Euter ausgeschieden. Weil Endotoxinmoleküle einen Fettanteil aufweisen, kann das Gift auch ins Fettgewebe eingelagert werden. Das im Blut erkrankter Kühe festgestellte Endotoxin kann den Organismus überschwemmt haben, weil die Tiere Fettreserven abbauten, um die hohe Milchleistung zu bringen. Ursache der Erkrankung kann aber auch eine aktuelle Aufnahme von stark mit Endotoxin verseuchtem Futter sein. Bei einer energetischen Unterversorgung der Kuh wird deren Darmwand für Endotoxine durchlässiger. Daher können Fettmobilisation und akute Vergiftung über das Futter auch zusammenkommen. Ein bereits bestehender Leberschaden infolge einer Stoffwechselstörung kann die Lage noch verschärfen. Hohe Dosen des Gifts führen zu einer Blockade der normalen Leberfunktionen. Da die Leber das zentrale Stoffwechselorgan ist, hat das eine weitere Entgleisung des Stoffwechsels zur Folge. Schließlich kann durch das Endotoxin auch ein Schock ausgelöst werden, der zum Tode führt. Diese Giftwirkung lässt sich durch den Einsatz von Antibiotika nicht aufheben. Im Gegenteil: Tötet man durch die antibiotische Behandlung ColiKeime ab, werden noch mehr Endotoxine freigesetzt. Als Folge dessen kann sich der Zustand des betroffenen Tieres weiter verschlechtern. Drenchen statt Antibiotika Für eine Behandlung besonders wichtig ist es daher, die Ausscheidung der Giftstoffe zu fördern. Außerdem hat die Stützung des Kreislaufs große Bedeutung. In diesem Zusammenhang ist insbesondere die genügende Zufuhr von Flüssigkeit wichtig. Als eine besonders wirkungsvolle Methode der Behandlung der Mastitis des Typs 1 hat sich die Eingabe eines Gemischs aus gekochtem Leinsamen und Wasser erwiesen. Dazu werden 700 g Leinsamen zunächst aufgekocht und dann in 40 bis 50 Liter Wasser mit einer Drenchpumpe in den Vormagen der erkrankten Kuh gepumpt. Leinsamen ist der wirkungsvollste Endotoxinbinder, den man kennt. Durch das Aufkochen bildet sich ein Schleim, der die Endotoxine bindet. Die Eingabe des Wassers verhindert, dass der Pansen trockenläuft. Außerdem wird einer allgemeinen Austrocknung des Tier entgegegen gewirkt. Drenchen verhindert auch, dass der Kreislauf durch eingedicktes Blut zusätzlich belastet wird. Meist reicht zweimaliges Drenchen mit gekochtem Leinsamen aus. Eventuell zwischendurch nur mit Wasser drenchen, da die Tiere nicht saufen. Die Behandlungserfolge sind verblüffend! Häufig kauen die Kühe bereits nach zwei bis drei Stunden wieder. Der Tierarzt kann zusätzlich eine Infusion von etwa 500 bis 700 ml 40 %ige Glukoselösung verabreichen, um das Tier mit etwas Energie zu versorgen. Außerdem können noch 250 ml einer 38 %igen CalciumInfusion verabreicht werden. Empfehlenswert ist auch die Anwendung nicht steroidaler entzündungshemmender Medikamente (z.B. Finadyne, Flunixin etc.). Diese haben gegenüber den steroidalen Arzneimitteln aus der KortisonGruppe den Vorteil, dass sie keine nachteilige Nebenwirkung auf das Immunsystem der erkrankten Kühe haben. Zur Stützung der Leberfunktion kann der Tierarzt zudem ein homöopathisches Mittel mit dem Namen Flor de Piedra (Steinblüte) einsetzen. Durch diese Maßnahmen kann man den Tod des betroffenen Tieres in der Regel verhindern. Aber das Euter bleibt massiv geschädigt. Die Milchproduktion kehrt nicht zurück. Die Kuh kann aber später immerhin durch eine Schlachtung verwertet werden. Endotoxine sind oft im Blut von Kühen nachweisbar, wenn die Fütterung und die Wasserversorgung nicht optimal sind. In einigen Betrieben, die mit den beschriebenen Mastitiden zu kämpfen hatten, wurden hohe Konzentrationen von bakteriellem Endotoxin in Grassilagen gefunden, während die Zukauffuttermittel unbelastet waren. Hauptursache für die Belastung der Grassilage ist ein hoher Aschegehalt, d.h. zu viel Dreck im Futter. Schuld daran ist ein zu tiefer Schnitt des Grases. Weitere Ursachen sind Fehlgärungen und Verschimmlung der Silagen, ausgelöst durch verschiedene Silierfehler, wie z. B. schlechte Verdichtung. Maissilagen, CCM oder Biertreber der Betriebe wiesen hohe Hefekonzentrationen auf. Da von Hefen bekannt ist, dass sie die Aufnahme von Endotoxinen über die Darmwand fördern, hat der Einsatz solcher Maissilagen offenbar zur Entstehung des Mastitisproblems beigetragen. Problematisch sind ferner Fehler bei der Entnahme der Silage, speziell von Maissilagen. Es sollten keine Silagereste auf dem Boden liegen bleiben, denn lose Reste werden sehr warm und vergammeln. Eine Schaufel solch loser Reste kann eine ganze Tagesmischung infizieren. Arbeitet der Betrieb mit TMR oder mit Mischrationen und so genanntem Topdressing, kann dies die Situation noch verschlimmern. Denn durch den hohen Anteil an leichtverdaulichen Kohlenhydraten (Getreide) können sich die Hefen explosionsartig vermehren (Bioreaktor). Dies ist insbesondere bei 24stündiger Futtervorlage der Fall. Mischrationen sollten daher stets frisch und für eine möglichst kurze Fütterungsdauer hergestellt werden. Vorratsfütterung über den ganzen Tag unbedingt vermeiden! Durch die Endotoxine besonders bedroht sind Kühe, die sehr viel Grundfutter aufnehmen. Also hochleistende Tiere ab der dritten Laktation und in den ersten 150 Tagen nach dem Abkalben. Sie trifft es aber auch besonders hart, wenn die Ration nicht genügend Energie enthält, weil in der kalten Jahreszeit z. B. Silage aus späteren Schnitten und mit minderer Qualität verfüttert wird. Die Häufung der Erkrankung im Zeitraum Oktober bis Mai führen wir auf solche Fütterungsprobleme zurück. Gehäufte akute Mastiden im Sommer sind ebenfalls auf eine Schwächung des Immunsystems zurückzuführen. Hierbei spielen aber mangelhafte Fütterung (Weidegang!), unzureichende Wasserversorgung und ungenügende Stallhygiene eine größere Rolle. Futterproben untersuchen lassen Haben Sie den Verdacht, dass Ihr Futter mit Endotoxinen belastet ist, sollten Sie es untersuchen lassen. Eine solche Untersuchung kostet etwa 15 Euro pro Probe. Sie können damit z. B. das Labor der Fa. Biocheck in Leipzig beauftragen. Der Endotoxingehalt sollte unter 15 Microgramm pro Gramm Futter betragen. Wenn die Silage mit zuviel Endotoxin belastet ist, Sie auf die Verfütterung der restlichen Silage aber nicht verzichten können, sollten Sie der Ration Leinsamenextraktionsschrot zumischen. Nach eigener Beobachtung verhindert dies das Auftreten weiterer durch Endotoxin verursachter Krankheitsfälle. Fazit Die geschilderte Praxisfälle zeigten, dass man die Ursache von Euterentzündungen nicht immer nur bei einer mangelnden Melkhygiene suchen darf. Vielmehr ist die gesamte Haltung der Tiere, einschließlich der Fütterung, unter die Lupe zu nehmen.

Die Redaktion empfiehlt

top + Das Abo, das sich rechnet: 3 Monate top agrar Digital für 9,90€

Unbegrenzter Zugang zu allen Artikeln, Preis- & Marktdaten uvm.

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.