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Mehr Milch mit der US-Futteranalyse?

Lesezeit: 8 Minuten

Die Futteranalyse und Rationsberechnung in den USA ist anders als in Deutschland – und verspricht mehr Milch. Das macht deutsche Landwirte und Firmen hellhörig. top agrar analysiert die Unterschiede.


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Als Holger Meier aus Niedersachsen von einer USA-Reise zurückkehrte, ging ihm eine Frage nicht aus dem Kopf: Warum schaffen einige amerikanische Betriebe mit ähnlichen Standortbedingungen und Futtermitteln wie wir einen Herdenschnitt von 45 kg Milch – wir aber nicht?


Vor allem das gierige Fressen und die hohe Futteraufnahme der Kühe sind ihm in Erinnerung geblieben. „Das spricht für eine exakt ausbalancierte Ration und hohe Verdaulichkeit des Futters“, sagt der Landwirt aus Kirchlinteln.


Was ist CNCPS?

In den USA gibt es mehrere Systeme zur Rationsberechnung. Die Grundlage von zwei etablierten Programmen bildet das Cornell Net Carbohydrate and Protein System CNCPS (aktuelle Version: 6.55). Es stammt von der Universität Cornell. Einige deutsche Pioniere schicken seit Jahren Futterproben zur Analyse und Rationsberechnung in die USA. Ganz neu bietet auch mindestens ein deutsches Labor Futteranalyse-Daten zur Rationsberechnung nach CNCPS an. Warum?


CNCPS ist ein semi-dynamisches Bewertungssystem. Es geht nicht nur um die reinen Nährstoffgehalte, sondern vor allem um die Verfügbarkeit im Verdauungstrakt – also die Dynamik der Verdauung. Es berechnet die Verfügbarkeit der Futternährstoffe für die Kuh in Abhängigkeit der Passagerate (Durchgangszeit im Tier in Prozent pro Stunde). Die Nährstoff-Verfügbarkeit hängt von der Verdaulichkeit des Futters (z.B. NDF-Verdaulichkeit), dem Tier (Rasse, Alter, Laktationsstand) und Umweltfaktoren (Futtertisch, Temperatur) ab. Dazu ist eine umfangreiche Datenerfassung nötig. Computerprogramme wie NDS professional und AMTS.Cattle.Pro. verrechnen alle Informationen. Sie liefern auf Basis der betrieblichen Futtermittel und Bedingungen die bestmögliche Futter-ration: Keine Über- oder Unterversorgung der Herde, maximale Milchleistung, höchste Futtereffizienz. „So füttern die Landwirte von Anfang an die beste Ration. Bei vielen deutschen Excel-Programmen können sich die geschätzte und tatsächliche Milchleistung dagegen um 3 Liter pro Kuh und Tag unterscheiden“, erklärt Nils Landwehr vom InnovationsTeam Christiane Brandes.


Deutsches Labor:

Landwehr hat bei der Gründung von Rock River Laboratory Europe mitgeholfen. Das Labor aus Heiddorf in Mecklenburg-Vorpommern bietet seit November 2016 die für CNCPS 6.55 nötige Futteranalyse an. „Unsere Landwirte produzieren hochwertigere Silagen als ihre US-Kollegen, erreichen aber die Milchleistung nicht. Wir möchten Futter-analyse-Daten liefern, damit sie ihre Tiere leistungsgerechter füttern und die Umwelt schonen können“, sagt Christiane Brandes.


Die Geschäftsführerin analysiert mit mehreren Mitarbeitern das Futter in Deutschland mit der Nahinfrarotspektroskopie (NIRS). Die Daten werden über das Internet in einer Cloud verrechnet und beim Rock River Laboratory in Watertown (USA) auf Plausibilität geprüft. Auffällige Proben untersucht das Labor nasschemisch, dem Goldstandard der Futtermittelanalyse.


Brandes kooperiert bewusst mit dem US-Labor:


  • Vergleichbarkeit: Ähnliches Klima, Herdengrößen und Futter im Nordosten und mittleren Westen der USA.
  • Datensicherheit: Abgleich mit 170000 Proben/Jahr und in Echtzeit, ständige Fortschreibung der Kalibration, daher sehr hohe Genauigkeit auch mit NIRS.
  • Datengeschwindigkeit: Eingang der Probe bis Datenlieferung per Mail in weniger als 24 Stunden.
  • Vollständige Analyse: Rock River Laboratory weist auch die Mineralstoffe ohne Zusatzkosten aus.


Wichtiger Unterschied:

Im Vergleich zwischen dem deutschen System und CNCPS gibt es Gemeinsamkeiten und Unterschiede (Übersicht 1).


Deutsche Labore arbeiten ebenfalls mit NIRS und der nasschemischen Analyse (regionale Futterbasis). Zudem setzen beide Systeme zur Bestimmung der Rohnährstoffe auf die Weender Futtermittelanalyse und die Analyse nach van Soest. Zur Energiebewertung arbeiten beide mit Netto-Energie-Laktation (NEL), wobei die Werte ähnlich, aber nicht übertragbar sind.


Der entscheidende Unterschied liegt aber in der Bewertung bzw. Fraktionierung von Rohprotein (XP) und Kohlenhydraten (Zucker, Stärke, Faserstoffe). Bei den Kohlenhydraten empfiehlt das deutsche System die ergänzende Analyse von Stärke, Zucker und beständiger Stärke. Zur Energiebewertung nutzt es den Hohenheimer Futterwerttest bzw. die Enzym lösbare organische Substanz (ELOS). Für Protein und Kohlenhydrate gibt es als Ergebnis mehr oder weniger feste Größen. Beispielsweise rechnet Deutschland für das im Darm nutzbare Rohprotein (nXP) mit einer festen Größe für jedes Futtermittel.


CNCPS unterteilt dagegen für jedes Futtermittel das Protein und die Kohlenhydrate nach ihrer Löslichkeit und Verfügbarkeit im Pansen bzw. Dünndarm in mehrere Kategorien. Für Rohprotein gibt es fünf Gruppen:


  • A1: Ammoniak, im Pansen sehr schnell abbaubar
  • A2: Lösliches Rohprotein, im Pansen schnell abbaubar
  • B1: Unlösliches Rohprotein, im Pansen moderat abbaubar
  • B2: NDICP, im Pansen langsam abbaubar
  • C: ADICP, im Pansen und Dünndarm nicht abbaubar


Für Kohlenhydrate gibt es acht Kategorien. Auch hier ist die Einteilung von „A1: sehr schnell abbaubar“ bis „C: nicht abbaubar“.


Die Protein- und Kohlenhydrat-Fraktionen ergeben die Neutrale-Detergenzien-Faser (aNDFom) in Grobfuttermitteln. Sie beschreibt den mittelschnell bis nicht abbaubaren Faseranteil im Futter. Das US-System teilt aNDFom nach ihrer Verdaulichkeit ein. Somit lassen sich Rationen optimieren, wie der Kasten „Faser-Abbau bestimmen, Ration optimieren“ auf Seite R36 zeigt.


Landwehr sieht darin wichtige Vorteile für die Praxis: Die dynamische Analyse der Faserverdauung von Grobfuttermitteln hilft, die Pansengesundheit und Leistung von Kühen zu optimieren. Die Eiweißbildung lässt sich so maximieren.


Vorbild für uns?

Besteht jetzt die Gefahr, dass die amerikanische Analyse das deutsche System überrollt? „Bestimmt nicht!“, sagt Prof. Dr. Hubert Spiekers, Vorsitzender des Arbeitskreises „Futter und Fütterung“ der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft (DLG). Mit der Wissenschaft, dem Verband Deutscher Landwirtschaftlicher Forschungs- und Untersuchungsanstalten (VDLUFA), der Beratung sowie der Mischfutterindustrie prüfen und überarbeiten sie regelmäßig das deutsche System zur Futteranalyse und Rationsberechnung sowie -kontrolle. Spiekers ist überzeugt, dass sich das deutsche System nicht verstecken muss: „Zwei Studien zeigen, dass unser System weniger fehleranfällig und teilweise genauer ist als andere. Vor allem bei der Proteinbewertung gibt es durch den rationsbezogenen Ansatz kaum Abweichungen durch gewagte Modelle, zudem treffen wir die Futteraufnahme im Laktationsverlauf sehr gut.“


Unterstützung bekommt er von Dr. Manfred Schuster, Leiter der Futtermittelanalytik Grub: „Es ist nicht alles Unfug, was hier in Deutschland läuft. Bei der Analytik erfüllen wir beispielsweise viel höhere Auflagen als die USA.“


Beide Experten betonen aber, dass sie dem CNCPS auch etwas positives abgewinnen können. „Nach dem Vorbild des Cornell-Systems bieten wir seit 2011 auch die chemische Fraktionierung des Rohproteins an. Wir weisen es als Reinprotein aus“, sagt Prof. Dr. Spiekers. Er nennt drei Punkte, wo sich das deutsche System weiterentwickeln sollte:


  • Die Protein-Fraktionierung stärker nutzen. Um den Eiweiß-Abbau im Silo zu beurteilen, arbeitet Deutschland zum Teil mit dem Parameter Reineiweiß. Das sollte Standard werden. In Anlehnung an das CNCPS sind weitere Verbesserungen denkbar.
  • Die aNDFom-Abbaudynamik stärker verfolgen. Um die futtermittelbedingten Einflüsse auf die Futteraufnahme exakter abzuschätzen, ist die Dynamik des Faserabbaus wichtig. Hier sollte Deutschland die etablierten ELOS-Daten stärker nutzen.
  • Die Passagerate stärker berücksichtigen. Bisher gibt es Standardwerte für die Passagerate. Wenn es unterschiedliche Passageraten gibt, sollten diese in die Rationsplanung einfließen.


Die Knackpunkte:

Im gleichen Atemzug nennt der Experte aber auch einige Hürden, die er bei CNCPS für deutsche Landwirte sieht. Das System sei auf US-Verhältnisse zugeschnitten: Hohe Maisanteile in der Ration, Luzerne statt Weidelgras, fast nur Holstein-Tiere mit geringen Milchinhaltsstoffen. „Wenn unser Futter mit der Futterkalibration in den USA verrechnet wird, kann es zu Verzerrungen und Fehleinschätzungen kommen. Eine vergleichbare Futterbasis und Forschungsergebnisse für Europa gibt es nur bedingt“, sagt er.


Dem widerspricht Rock River Laboratory Europe-Geschäftsführerin Brandes deutlich: „Unsere zweijährige Erfahrung in der Analyse von Proben aus vielen Teilen Deutschlands und Europas bestätigt das nicht. Es besteht eine sehr genaue Vergleichsbasis, die jeder nasschemischen Analyse standhält.“


Dr. Bernd Losand von der Landes-forschungsanstalt in Dummerstorf sieht einen weiteren Knackpunkt für CNCPS in Deutschland: „Die vielen Parameter sind so ohne Weiteres nicht mehr zu bewerten, insbesondere im Hinblick auf ihre Wirkung in der Rationsberechnung. Der Landwirt muss mit einem Berater zusammenarbeiten.“


Mit NDS und AMTS stehen zwei Programme in deutscher Sprache zum Verrechnen der Analyseergebnisse und Berechnen der Rationen zur Verfügung. Die Landwirte müssen eines der Programme kaufen. Oder sie nutzen die Angebote spezieller Beratungsunternehmen bzw. der Futtermittelindustrie, die langsam in diese Lücke stößt. Beispielsweise hat Fa. Ahrhoff bereits bei 30 deutschen Milcherzeugern Erfahrungen gesammelt, Tendenz steigend.


40 kg melken:

Einer von ihnen ist Milcherzeuger Holger Meier. Er feilt gerade an der Rationszusammenstellung für seine 180 Kühe, um die Verdaulichkeit zu verbessern. Sein ehrgeiziges Ziel: Den Herdenschnitt von derzeit 33 auf 40 kg Milch erhöhen. P. Liste


Einer von ihnen ist Milcherzeuger Holger Meier. Er feilt gerade an der Rationszusammenstellung für seine 180 Kühe, um die Verdaulichkeit zu verbessern. Sein ehrgeiziges Ziel: Den Herdenschnitt von derzeit 33 auf 40 kg Milch erhöhen. P. Liste


Die Erfahrungen mit CNCPS von Tierarzt Dr. Jürgen Rothert auf S. R40.

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