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„Meine Abenteuer mit acht Melkrobotern“

Jörg Mothes hat über500 Kühe auf Melkroboter um­gestellt. Über seine Erlebnisse könnte er einen Krimi schreiben.

Lesezeit: 8 Minuten

Jörg Mothes hat über500 Kühe auf Melkroboter um­gestellt. Über seine Erlebnisse könnte er einen Krimi schreiben.


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Jörg Mothes ist ein echter Melkroboter-Fachmann. Denn der Herdenmanager hat mit den „stählernen Melkern“ schon so ziemlich alles erlebt, was man sich vorstellen kann – bis hin zum Totalausfall von acht Melkrobotern!


Mothes ist verantwortlich für die 530 Kühe der Marienhöher Milchproduktion Agro Waldkirchen in Sachsen. Hier wurden Mitte 2008 acht Melkroboter installiert.


Zuvor wurden die Kühe in zwei Tandem-Melkständen mit je acht Plätzen gemolken. „Doch der Melkstand war in die Jahre gekommen. Außerdem fanden wir kaum noch qualifiziertes Personal, das acht Stunden im Melkstand arbeiten wollte“, begründet Mothes den Einbau der Melkroboter. Zudem konnte er diese in den Stall integrieren. Für ein Melkkarussell hätte er ein separates Gebäude errichten müssen.


Vier Umstell-Varianten ausprobiert


Der Stall ist in vier Abteile mit jeweils zwei Melkrobotern und ca. 130 Kuhplätzen unterteilt (siehe Kasten rechts). Diese wurden von Juni bis Oktober 2008 nacheinander bezogen. Beim Umstellen auf die automatischen Melksysteme hat Mothes verschiedene Varianten ausprobiert.


Variante 1: Zum Eingewöhnen haben die Mitarbeiter alle 120 Kühe einmal am Tag in eine der Boxen getrieben. Dort erhielten sie 1 kg Kraftfutter und konnten sich an den Melkarm sowie die Geräusche gewöhnen. Gemolken wurden sie weiterhin im alten Melkstand. Da die Roboter immer zugänglich waren, suchten die „besonders neugierigen Damen“ die Boxen bereits zwischen den Melkzeiten auf, um weiteres Kraftfutter zu bekommen. So verinnerlichte bereits ein Teil der 120 Tiere den Weg zum Melkroboter.


Nach zehn Tagen begann Mothes mit dem Roboter-Melken. Dazu wurde der Bereich vor den Robotern abgesperrt. Die Mitarbeiter trieben wie gewohnt die Kühe in die Boxen, wo sie jetzt aber auch gemolken wurden. „Wir haben darauf geachtet, dass die Euter zu drei Viertel leer sind. Denn der Computer sollte keinesfalls die Zitzenkoordinaten von einem ganz prallen Euter einspeichern“, begründet Mothes.


Da die Kühe den Roboter bereits kannten, waren nach acht Stunden alle 120 Kühe gemolken. Anschließend löste Mothes die Absperrungen auf und stellte auf freien Kuhverkehr um. Ein Fehler, wie er jetzt eingesteht: „Abends standen die Kühe geschlossen vor dem Roboter und wollten gemolken werden. Denn sie waren vom Melkstand noch gewohnt, zusammen zum Melken zu gehen.“


So hatten einige Kühe trotz Nacht­reibens Zwischenmelkzeiten von über 20 Stunden. Es dauerte Wochen, bis die Tiere ihren individuellen Melkrythmus bildeten und kein Stau zu den „klassischen Melkzeiten“ entstand.


Variante 2: Diesen Fehler wollte Mothes beim Umstellen der zweiten Gruppe natürlich vermeiden. Deshalb setzte er nach der zehntägigen Gewöhnungsphase und dem ersten Melktag auf den gelenkten Kuhverkehr.


Um den Futtertisch zu erreichen, mussten die Kühe nun die Melkbox passieren. Nach nur zwei Wochen ließen sich 100 der 120 Kühe bis zu dreimal täglich im Roboter melken, der Rest wurde nachgetrieben. „Das war deutlich stressfreier als in der ersten Gruppe“, sagt Mothes, der die dritte Gruppe deshalb mit der gleichen Strategie umstellen wollte.


Variante 3: Hier trat ein neues Problem auf: Die Kühe gingen partout nicht in den Melkroboter. Auch nach vier Wochen musste ein Großteil der Gruppe noch nachgetrieben werden.


Ursache war ein Management-Fehler: „Der Melkschnitt der Gruppe lag bei etwa 30 kg/Kuh/Tag. Die Futterration am Trog war ebenfalls auf 30 kg ausgelegt. Die Kühe hatten somit keinerlei Anreiz, ihre Kraftfuttermenge im Roboter abzurufen.“


Deshalb hat der Herdenmanager die Mischration jetzt auf 24 kg eingestellt. Sie liegt damit 6 bis 7 kg unter dem Melkschnitt. Im Roboter gibt es je nach Leistung bis zu 8 kg Kraftfutter dazu.


Variante 4: Beim Umstellen der letzten Gruppe hat sich Mothes für ein völlig anderes Verfahren entschieden: Ohne Vorwarnung hat er jeden Tag etwa 20 Kühe in den Roboter getrieben und dort auch direkt gemolken. Einige Tiere gingen bereits am folgenden Tag freiwillig zum Melken, andere mussten nachgetrieben werden. Aber bereits nach zehn Tagen waren alle 120 Kühe auf den Melkroboter umgestellt.


Von dieser „Radikal-Tour“ rät Mothes Familienbetrieben allerdings ab: „Bei dem Gewöhnungsprogramm können sich Tier und Mensch mit der neuen Technik vertraut machen. Beim schlagartigen Umstellen beschäftigt sich der Betreuer zu wenig mit dem neuen Melksystem.“


Seine Empfehlung nach den vier verschiedenen Umstell-Varianten lautet deshalb: Zunächst eine zehntägige Gewöhnungsphase, nach dem ersten Melktag auf den gelenkten Kuhverkehr setzen und erst wenn sich ein Großteil der Herde im Roboter melken lässt, auf den freien Kuhverkehr umstellen.


Probleme beim Trockenstellen


Inzwischen klappt das Melken einwandfrei. Schwierigkeiten beim Ansetzen der Melkzeuge gibt es kaum, da alle Euter „Roboter-tauglich“ sind. Lediglich fünf Kühe mussten die Herde aufgrund ihrer Strichstellung verlassen.


Einen Überblick über die Eutergesundheit seiner Herde verschafft sich Mothes jeden Tag am Computer. Indikatoren dafür sind der Zellgehalt, die elektrische Leitfähigkeit sowie die Farbe der Milch. Fallen ihm verdächtige Kühe ins Auge, stellt er für sie eine „überwachte Melkung“ ein. Betritt eine dieser Kühe den Melkroboter, wird Mothes direkt alamiert. Erst wenn er die Freigabe gibt, wird das Tier gemolken.


Ähnlich geht er beim Trockenstellen vor. Alle zwei Wochen stellt er die Kühe trocken, die in den nächsten sechs bis acht Wochen kalben. Um Verfettungen zu vermeiden, stellt er unabhängig vom Laktationstag auch alle Kühe trocken, die weniger als 14 kg Milch geben. Um den passenden Trockensteller zu bestimmen, nimmt er vor dem Trockenstellen eine Milchprobe und erstellt ein Antibiogramm.


Ärgerlich ist aus seiner Sicht, dass die Kühe den Roboter nach dem Melken direkt verlassen müssen und nicht „fixiert“ werden können. Hier sieht Mothes den Hersteller in der Pflicht: „Es ist enorm aufwendig, die Tiere später in der Liegebox oder im Fressgitter zu fangen und trockenzustellen. Auch vom Arbeitsschutz wäre es viel sinnvoller, die Kuh in der Box zu halten und dort zu behandeln!“


Trotz der Hilfe durch den Computer geht Mothes mehrmals täglich zu unterschiedlichen Zeiten durch den Stall. „Die Tierbeobachtung ist das Wichtigste überhaupt. Nur wenn die Klauen, die Liegeboxen, die Kotkonsistenz und die Futterhygiene in Ordnung sind, klappt das Melken im Roboter“, warnt der Herdenmanager.


Acht Melkroboter streikten


Um sich gegen technische Störungen zu wappnen, hat die Marienhöher Milchproduktion einen Service-Vertrag mit dem zuständigen Melkroboter-Händler abgeschlossen.


Dabei haben sie sich für die sogenannte „Select-Variante“ entschieden. Diese enthält unter anderem eine technische Kontrolle alle drei Monate, geringere Anfahrtskosten und telefonische Hilfe sowie eine 24-Stunden-Bereitschaft bei Störungen. Der Vertrag kostet 1 400 € für den ersten Melkroboter sowie 1 100 € für jeden weiteren Roboter plus 0,011 € für jede Melkung. Bei 60 000 Melkungen pro Roboter und Jahr sind das zusammen etwa 14 400 €. Der „Mastervertrag“, der auch den Austausch aller Verschleißteile enthält, hätte fast 40 000 € gekostet.


„Bisher sind erst sehr wenig Probleme aufgetreten. Vieles lässt sich am Telefon regeln. Zudem führen wir ein Roboter-Handbuch, so dass man alles nachlesen kann“, erklärt Mothes.


Eine Ausnahme gab es aber. Und die endete direkt in einem Desaster: Im Frühjahr 2009 traten alle acht Melkroboter in den Streik! „530 Kühe wollten gemolken werden und nichts lief. Das ohrenbetäubende Bölken der Kühe war die blanke Hölle. Am liebsten wäre ich weggelaufen“, beschreibt Mothes sein Waterloo.


Was war passiert? Alle Melkroboter sind an einem zentralen Kontrollsystem (CRS+) angeschlossen. Als dieses ausfiel, standen alle Anlagen still. Es dauerte über sieben Stunden, bis die Techniker durch den Einbau eines zweiten CRS+ die Melkboxen wieder ans Laufen brachten. „Lely behauptet zwar, dass bis zu 20 Melkroboter über eine CRS+ laufen könnten, bei uns klappt das aber definitiv nicht. Als die Techniker später die zusätzliche CRS+ wieder ausbauen wollten, kollabierte das System erneut“, sagt Mothes. Bei der Tankmilchprobe, die ausgerechnet am nächsten Tag in der Molkerei gezogen wurde, schoss der Zellgehalt von 182 000 auf 316 000 in die Höhe.


Auf Nachfrage von top agrar beteuert Lely, dass es sich hierbei um einen Einzelfall handelt. Ursache sei eine vorläufgie Software gewesen, die nur für bis zu sechs Melkroboter ausgelegt war.


Trotz des Zwischenfalls sind alle Verantwortlichen der Marienhöher Milchproduktion zufrieden, auf das automatische Melken umgestellt zu haben. Eine weitere Herdenaufstockung ist aufgrund der niedrigen Milchpreise vorerst nicht geplant. Zunächst soll die Lebensleistung verbessert werden. Mit 24 500 kg liegt sie zwar über dem Schnitt in Sachsen, hat aber noch Luft nach oben. Da seit dem Einzug der Melkroboter die Abgangsrate der Kühe um 10 % gesunken ist, will Mothes schon bald die Zielmarke von 30 000 kg knacken. P. Liste

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