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Melkroutine: Details führen zum Erfolg

Lesezeit: 10 Minuten

Effiziente Arbeitsabläufe und gut stimulierte Kühe sind nur mit einer durchdachten Melkroutine möglich. Worauf kommt es dabei an? Tipps aus und für die Praxis.


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Melken – der zentrale Arbeitsgang auf jedem Milchviehbetrieb. Zwei- oder dreimal täglich laufen die Kühe in den Melkstand. Eine oder mehrere Personen verbringen Stunden mit dem Melkprozess. Wichtig also, dass alles reibungslos läuft. Die Melkroutine dient dazu, hohe Milchflüsse zu erreichen, um die Kühe zügig und gewebeschonend auszumelken.


Mitarbeiter schulen


Eine effiziente Melkarbeit lebt von einem immer gleichen Ablauf. Der erste Schritt zu einer guten Arbeitsroutine liegt in einer klaren, schriftlichen Vorgabe für die Mitarbeiter im Melkstand und beim Treiben. Diese Arbeitsanweisung sollte mit allen persönlich besprochen werden. Untersuchungen zeigen: Betriebe, die neue Mitarbeiter gut einarbeiten und regelmäßig nachschulen, haben eine bessere Eutergesundheit und arbeiten im Melkstand effizienter.


Trotzdem geschieht beides nur selten. So verwässern die Vorgaben und die Routine wird uneinheitlich ausgeführt. Eine Schulung des Melkpersonals durch einen externen Berater kann ein guter Start sein. Denn das Verständnis der physiologischen Grundlagen des Tieres verbessert auch die Bereitschaft der Mitarbeiter, die Vorgaben einzuhalten.


Stress ist ein Zeitfresser


Um den Melkprozess zu verkürzen, ist es sinnvoller den Tierverkehr in den Melkstand zu verbessern, als Schritte in der Melkroutine einzusparen. Ein ungeregelter Tierverkehr führt zu Stress bei den Kühen, der den Milchspendereflex für bis zu 45 Minuten behindert. Hier lässt sich Stress vermeiden:


  • Treiben in den Wartehof: Damit die Kühe möglichst ohne Stress aus der Gruppe zum melken laufen, sollte jede Person die Kühe in der gleichen Abfolge in den Wartehof treiben. Es muss also feststehen, ob sie im Dreireiher z.B. zuerst den Laufgang am Futtertisch oder zwischen den Boxen leert. Geschieht dies immer in gleicher Abfolge, wissen die Kühe, in welche Richtung sie laufen können, um der treibenden Person aus dem Weg zu gehen. Das gibt ihnen Sicherheit und sorgt für einen ruhigeren Zutrieb zum Melken.


Auch das Verhalten beim Treiben spielt eine Rolle: Kühe laufen genauso wie der Mensch mit einer Schrittgeschwindigkeit von 5 bis 6 km/h. Mit Kot bespritzte Vorderbeine weisen darauf hin, dass Kühe schneller, also gestresst, zum Melken gelaufen sind.


Die Kommunikation von Kühen untereinander verläuft überwiegend lautlos. Sie hören vor allem in hohen Frequenzen deutlich besser als Menschen. Daher löst Lärm durch Rufen, Klatschen oder das Schlagen von Stöcken auf Aufstallungsteile Stress aus.


  • Wartebereich: Ein weiterer Stressfaktor ist ein zu kleiner Wartebereich vor dem Melkstand. 1,8 m2 Platz pro Tier sind optimal. Außerdem darf auch der automatische Treiber nicht zu schnell laufen. Die Geschwindigkeit sollte bei maximal 6 m pro Minute liegen. Diesen Platz und die Zeit beim Vortrieb brauchen die Kühe, um sich vor dem Melkstand aus ihrer Marschreihenfolge in eine Melkreihenfolge zu stellen. Dominante Kühe, die auf den Treibewegen vorne laufen, stehen später nicht unbedingt auf dem ersten Melkplatz oder im ersten Melkdurchgang. Können sich rangniedere Tiere im Wartebereich nicht mehr an ihnen vorbeischieben, bremst das den Tierverkehr in den Melkstand.


Wenn die Kühe im Wartebereich die Köpfe heben, ist es definitiv zu eng. Sie sehen dann nicht mehr, wohin sie treten und laufen nur noch zögerlich. Ein Effekt, der auf Tierschauen genutzt wird, um die Kühe besser führen zu können.


  • Treiben in den Melkstand: Alle Kühe sollten gerne in den Melkstand laufen: Ein heller, ruhiger Melkstand ist für sie einladender als ein halbdunkler Raum. Auch häufiges Betreten des Wartehofes, im schlimmsten Fall mit einem Stock in der Hand, und das Nachtreiben einzelner Tiere bringen vor allem Unruhe.


Für die Kühe ist diese Form des Nachtreibens nicht vorhersehbar. Ein gut eingestellter automatischer Treiber mit Signalton löst weniger Stress aus.


Routine verkürzt Melkzeit


Eine vollständige Melkroutine beinhaltet Vormelken, Vordippen (Predip) mit desinfizierender Komponente, eine trockene Reinigung und das Nachdippen (Postdip). Die Reihenfolge von Vormelken und Vordippen ist nicht relevant.


Die Vorgaben für die Arbeit im Melkstand sollten für die Mehrzahl der Tiere einer Herde passend sein. In der Regel ist es nicht sinnvoll, für die einzelnen Laktationsgruppen unterschiedliche Routinen zu etablieren.


  • Das Vormelken ist der Schritt in der Melkroutine, der die beste stimulierende Wirkung für das Tier hat. Drei Strahlen Milch pro Zitze sollten es sein. Die Kontrolle des Vorgemelks ist nicht nur gesetzlich vorgeschrieben, sondern auch sinnvoll. Es entfernt die besonders keimbelastete Milch mit der höchsten Zellzahl. Betriebe, die nicht Vormelken, erkennen rund 50% weniger Euterentzündungen. Das sind oft leichtere und nicht unbedingt therapiewürdige Fälle, die aber trotzdem dokumentiert werden sollten. Nur so lassen sich chronisch erkrankte Tiere identifizieren und Merzentscheidungen treffen.


Besonders in Herden mit vielen Staphylococcus aureus-Infektionen ist das Vormelken immer sinnvoll. Nur wenn infizierte Tiere bekannt sind, können sie markiert und Maßnahmen gegen eine Verschleppung ergriffen werden.


  • Ein Predip mit wirksamer desinfizierender Komponente kann die Keimzahlen in der Milch etwa um das Fünffache reduzieren. Er ist besonders wichtig, wenn die Keimbelastung an der Zitze durch organisches Einstreumaterial wie Stroh oder Späne besonders hoch ist. Inzwischen gibt es mehrere zugelassene Mittel auf dem deutschen Markt.


Das Dippmittel sollte auf saubere Zitzen aufgebracht werden. Es ersetzt also nicht eine gute Umwelthygiene im Stall. Als Routineschritt kann der Predip vor oder nach dem Vormelken eingebaut stattfinden. Wichtig ist, dass die desinfizierende Komponente ausreichend lange einwirken kann, um eine keimtötende Wirkung zu haben. Bei Chlordioxid und Chlorhexidin sind das etwa 20 bis 30 Sekunden. Bei Milchsäure sind es dagegen etwa fünf Minuten. Damit ist Milchsäure als Wirkstoff in einem Predip trotz der guten Pflegeeigenschaften ungeeignet.


Neben der Einwirkzeit ist auch die Abdeckung der Zitzen wichtig. So sollten 90% aller Zitzen zu drei Viertel bedeckt sein. Eine wirklich gute Abdeckung erreicht man nur durch das Tauchen der Zitzen. Ein Besprühen ist wegen des auftretenden Sprühschattens nicht ausreichend.


  • Die trockene Reinigung ist nötig, um den Predip nach dem Einwirken vollständig zu entfernen. Zugleich lassen sich so Keime auf der Zitzenhaut effektiv reduzieren, denn Bakterien brauchen zum Wachsen Wasser. Besonders die Zitzenkuppe um den Zitzenkanal muss sauber werden, denn dieser ist die Eintrittspforte für Bakterien ins Euter. Außerdem klettert der Zitzenbecher des Melkzeugs an feuchten Zitzen schneller.


Die Tücher für diesen Arbeitsschritt sollten möglichst trocken und keimfrei sein, also an einem sauberen Ort lagern, sonst kontaminieren sie die Zitze wieder neu. Außerdem muss für jedes Tier ein eigenes Tuch in ausreichender Größe vorhanden sein. Textiltücher lassen sich bei hoher Temperatur und unter Zugabe eines günstigen, desinfizierenden Waschmittels aus dem Klinik- oder Sanitätsbedarf waschen. Nach dem Waschen sollten die Tücher am besten heiß trocknen. Weniger arbeits-, aber müllintensiv sind Papiertücher.


Die Vorbereitung der Kühe mit Vormelken und Abwischen sollte eine Kontaktzeit von ca. 10 bis 15 Sek. ergeben. Das Aufbringen des Predips ist kein wirksamer Kontakt für die Stimulation. Sind die Kühe gut stimuliert, geben sie die Milch schneller her und die Milchflusskurve wird steiler (Übersicht 1).


  • Das Ansetzen des Melkzeuges erfolgt nach einer Warte-/Verzögerungszeit von 60 bis 120 Sekunden.


Diese Zeit benötigt der Organismus der Kuh, um nach dem ersten Kontakt an der Zitze Oxytocin auszuschütten und dieses über das Blut zum Eutergewebe zu transportieren. Erst wenn das Oxytocin dort wirkt, kann die Milch aus dem Drüsengewebe des Euters ermolken werden. Milch, die sich vorher ermelken lässt, ist Stapelmilch aus der Milchzisterne, die nur einen Bruchteil des Gesamtgemelks ausmacht.


Schlecht stimulierte, zu früh angesetzte Kühe haben eine sogenannte bimodale Milchflusskurve und melken langsamer aus (Übersicht 2). Frischmelkende und hochleistende Tiere sind leichter zu stimulieren und benötigen meist weniger Zeit als spätlaktierende Tiere. Das gleiche gilt für Kühe, die zweimal und nicht dreimal täglich zum Melken gehen. Ein guter Indikator, um die Stimulation zu beurteilen, ist das Zwei-Minuten-Gemelk. Bei zweimaligem Melken pro Tag sollten bis zu 8 kg Milch in den ersten zwei Minuten nach Einsetzen des Milchflusses fließen. Bei dreimaligem Melken sind etwa 6,5 kg Milch das Ziel.


Nach dem Ansetzen ist es wichtig, die Position von Melkzeug und Milchschlauch zu kontrollieren. Das Melkzeug sollte senkrecht unter dem Euter hängen und der Schlauch nach hinten und unten von der Kuh weglaufen. Das verhindert ungleichmäßiges Ausmelken der Viertel und Vakuumschwankungen.


  • Die Schwelle für die Abnahme des Melkzeugs sollte abhängig vom Nachgemelk eingestellt sein. Dieses darf ein Volumen von etwa einer Kaffeetasse pro Viertel bei zweimaligem Melken haben. Bei dreimaligem Melken ist das Volumen eines Kaffeebechers pro Viertel passend, ohne dass negative Effekte auf Milchleistung oder Eutergesundheit auftreten. Um den Ausmelkgrad der Kühe zu bestimmen, melkt man die Tiere kurz nach der Melkzeugabnahme manuell nach. Die Abnahmeschwelle muss für 90% der Tiere passend sein, nicht für die 10%, die ohnehin Probleme machen.


Insgesamt gilt: Je besser die Kühe vor dem Melken stimuliert werden, desto steiler ist die Milchflusskurve. Wenn diese steiler ist, darf auch die Abnahmeschwelle höher sein, ohne dass mehr Nachgemelk im Euter bleibt. Das spart Melkzeit beim Einzeltier und schont das Zitzengewebe.


  • Der Postdip ist für die Bekämpfung kuhassoziierter Erreger wie Staph. aureus besonders wichtig. Ein sorgfältig aufgebrachter Postdip (90% der Zitzen zu 75% bedeckt) verschließt zudem den Zitzenkanal, der nach dem Melken noch aufgedehnt ist. Das ist sinnvoll, denn auf den Treibewegen vom Melkstand in die Gruppe werden die Zitzen besonders leicht mit Umwelterregern kontaminiert.


Ein Postdip sollte 10% Pflegestoffe wie Glycerin und Lanolin sowie 3000 ppm Iod oder Chlorhexidin enthalten. Zwei-Komponenten-Dipmittel, die Chlordioxid als wirksame Substanz bilden, müssen frisch angemischt werden. Fertige Mischungen sollten etwa nach zwei Stunden aufgebraucht sein, um die Wirkung zu gewährleisten. Auch als Postdip ist Milchsäure eher nicht geeignet, da sie zu langsam wirkt, um effektiv zu desinfizieren.


Aufbau der Routine


Für den Aufbau einer Melkroutine gibt es verschiedene Möglichkeiten.


  • Sequenzielle Routine: Zwei Personen arbeiten hintereinander und jeder führt einen Teil der Arbeitsschritte aus. Z.B. melkt die erste Person vor und dippt vor. Die zweite Person läuft mit entsprechendem Abstand hinterher, reinigt die Zitzen und setzt das Melkzeug an. In dieser Zeit kann die erste Person die Kühe der anderen Seite nachdippen.
  • Territoriale Routine: Jede Person arbeitet die komplette Routine bei einer Gruppe von Tieren ab. Dies hat den Vorteil, dass die Verzögerungszeit zwischen dem ersten Kontakt und dem Ansetzen konstanter eingehalten wird und die Verantwortlichkeit für die Tiere klarer ist, z.B. Maßnahmen einzuleiten, wenn ein Tier Flocken hat. Eine einzelne Person kann etwa fünf Tiere am Stück vorbereiten, um auf eine Verzögerungszeit von 90 Sek. zu kommen (5 x 15 Sek. Kontakt plus Laufen).


Wie viele Personen im Melkstand arbeiten, hängt auch davon ab, welche zusätzlichen Arbeiten wie Boxenpflege sie erledigen müssen. Wichtig ist: Personen ohne feste Aufgabe gehören nicht in den Melkstand. Sie bringen Unruhe und stören die Routine.


katharina.luetke-holz@topagrar.com

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