Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Sonstiges

Stilllegung 2024 Agrardiesel-Debatte Bürokratieabbau

Aus dem Heft

Milch-Boom in Irland und kein Ende?

Lesezeit: 6 Minuten

Bis 2020 wollte Irland seine Milchmenge verdoppeln, jetzt erreicht die grüne Insel dieses Ziel schon nächstes Jahr. Wie viel mehr Milch kommt noch?


Das Wichtigste zu den Themen Rind + Milch mittwochs per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Vollgas nach dem Quoten-Ende: Mit Neueinsteigern, mehr Kühen und höheren Leistungen steigerte Irland die Milchanlieferung bis 2016 um 1,1 Mio. t auf 6,7 Mio. t. Damit kamen knapp 20% der zusätzlichen Milch der EU im letzten Jahr aus Irland.


Das Land hatte sich mit einem nationalen Strategieplan gut vorbereitet (siehe top agrar 7/2014): Bis 2020 sollen die Landwirte 50% mehr Milch produzieren als noch 2007 (von 5 Mio. t auf 7,5 Mio. t). Politik, Vermarktung und Beratung unterstützen die Milcherzeuger beim Aufstocken. Und so erreicht das Land sein Ziel wohl schon vorzeitig: In den ersten acht Monaten von 2017 lieferten die irischen Milcherzeuger bereits 5,6 Mrd. l Milch an, bis Ende des Jahres dürften es 7 Mrd. l sein.


Wie managen die Milcherzeuger die wachsenden Herden und wo stehen die Neueinsteiger? Wohin fließt die zusätzliche Milch?


Größere Herden:

Die Zahl der Milcherzeuger ist seit dem Quoten-Ende relativ konstant und liegt aktuell bei rund 15400. Dabei werden Betriebe mit weniger als 30 Kühen statistisch nicht mehr erfasst. Schätzungen zufolge gibt es insgesamt 18000 Erzeuger.


„Gleichzeitig ist die Zahl der Milchkühe innerhalb von drei Jahren um rund 300000 auf über 1,3 Mio. Tiere gestiegen“, sagt Padraige French von der staatlichen Beratungs- und Forschungsorganisation Teagasc.


Somit werden die Herden größer. Rechnet man Betriebe mit weniger als 30 Kühen heraus, melken die Iren heute im Schnitt 89 Kühe pro Betrieb. 2015 waren es noch 77 Kühe. Knapp die Hälfte der irischen Kühe steht heute in Herden mit über 100 Kühen.


Auch die Milchleistung pro Kuh ist von 5000 auf 5300 l gestiegen. Gleichzeitig haben die Inhaltsstoffe deutlich zugelegt. Umgerechnet in Milchfeststoffe, wonach die irischen Erzeuger bezahlt werden, stieg die Leistung von durchschnittlich 370 kg auf 415 kg.


Export-Spezialisten:

Insgesamt 85% der irischen Milch fließt ins Ausland.


Die Vermarkter haben in den letzten Jahren ihre Kapazitäten erweitert. Beispiel Dairygold: Die größte Molkerei-Genossenschaft der grünen Insel hat 2900 Lieferanten und verarbeitet 1,3 Mrd. l Milch. Im Jahr 2012 gaben die Mitglieder an, zukünftig 60% mehr Milch melken zu wollen. Die Molkerei investierte unter anderem 86 Mio. € in eine Milchpulver-Anlage.


Jetzt sind die Unternehmen auf die Milchmengen angewiesen. Deshalb unterstützt der Molkerei-Konzern Glanbia seine Lieferanten mit Festpreisen und Krediten (siehe Interview, Seite R12).


Der größte Exporteur irischer Milchprodukte ist aber keine Molkerei, sondern die Organisation „Ornua“, ehemals das „Irische Milchboard“. Ornua exportiert für zwölf Molkereien und damit 60% der irischen Milch in über 110 Länder. „Unsere Aufgabe ist es, die Produkte unserer Mitglieder hochwertig zu vermarkten und neue Absatzwege aufzubauen“, so Jeanne Kelly von Ornua.


Dabei ist Ornuas Eigenmarke „Kerrygold“ das Zugpferd für die irischen Milchprodukte. Das Image der grünen Insel vermarktet das Unternehmen geschickt. „120 Tage Weide? Das können wir besser!“, heißt es zum Beispiel in einer deutschen Werbung. In den USA organisierte das Unternehmen vier Millionen Produkt-Verköstigungen.


In den nächsten Jahren will Ornua weiter wachsen. Der Jahresumsatz soll von 1,7 Mrd. € im Jahr 2016 auf 3 Mrd. € bis 2021 steigen. Dazu hat das Unternehmen in seine Marken und Standorte investiert. Werke in Afrika, China, Spanien, USA, UK und auch Deutschland wurden neu gebaut oder erweitert. Seit letztem Jahr verarbeitet das Unternehmen in einer 38 Mio. € teuren Anlage im Süden Irlands erstmalig selbst Rohmilch zu Butter. Im „Kerrygold-Park“ produziert die Firma 50000 t Butter und Mischstreichfette pro Jahr.


Joghurt nach Deutschland:

Das Tochterunternehmen „Ornua Deutschland“ vermarktet rund 60000 t Butter und Käse pro Jahr und erwirtschaftet einen Gesamtumsatz von 365 Mio. €. Den Erfolg und die Bekanntheit der Marke Kerrygold will das irische Unternehmen weiter ausbauen. Aus der Butter- soll eine Milchprodukt-Marke werden. So brachte Ornua Deutschland zuletzt Kerrygold-Joghurt mit einem Fett-Anteil von 10% auf den Markt. Im ersten Jahr verkauften sich davon mehr als 20 Mio. Becher. Weitere Joghurt-Sorten und Milchprodukte sollen folgen.


Zusätzlich soll ein nationales Programm das Image irischer Lebensmittel im Ausland stärken und einen Beweis für die nachhaltige Produktionsweise liefern. Das Label „Origin Green“ zertifiziert Landwirte und alle Beteiligten der Produktion. Damit will die Branche zum nationalen Ziel beitragen, den CO2-Ausstoß bis 2020 um 50% im Vergleich zu 2005 zu senken. Knapp 90% der Milch- und Fleischproduzenten sind bereits zertifiziert.


„Diese Nachweise sind uns und für unsere Kunden wichtig“, sagt Kelly von Ornua.


Zu schnell gewachsen?

Auf den Milch-Boom war die Branche vorbereitet. Allerdings bringt das Wachstum neue Herausforderungen mit sich.


Den wachsenden Familienbetrieben fehlen zunehmend Mitarbeiter. Während die Arbeitslosenquote vor einigen Jahren noch rund 15% betrug, herrscht aktuell nahezu Vollbeschäftigung. Besonders in der Kalbe-Saison, wenn rund 50% der gesamten Arbeitszeit des Jahres anfallen, fehlen Mitarbeiter. Die Beratungsorganisation Teagasc schätzt, dass bis 2025 rund 6000 zusätzliche Arbeiter für die Milchproduktion benötigt werden. „Wir haben diese Herausforderung in den letzten Jahren unterschätzt“, gibt Berater Laurence Shalloo zu bedenken.


Zusätzlich begrenzt die Fläche auf der Insel das Wachstum. Der Verkauf von Flächen findet kaum statt, denn die Iren hängen an ihrem Eigentum, was auch als „Love of the Land“ bezeichnet wird. Die Flächen sind kleinstrukturiert und knapp.


Mehr Kühe pro Fläche lassen sich kaum aufstocken. Aktuell liegt der landesweite Schnitt bei zwei Kühen pro ha. „Nur Spitzenbetriebe schaffen es, mehr als 2,5 Kühe pro ha satt zu füttern. Dazu ist eine intensive Grasnutzung nötig oder Zukauffutter“, so Shalloo.


Damokles-Schwert „Brexit“:

Die drohenden Handelseinschränkungen durch den Brexit beschäftigen die Vermarkter.


Denn 30% aller Milchprodukte vermarkten die Iren nach Großbritannien. Rund 65% der Cheddar-Exporte nehmen die Briten ab. Darüber hinaus gelangt ein Großteil der irischen Produkte über die britischen Häfen auf das europäische Festland. „Der denkbar schlimmste Fall, hätte große Folgen für die irische Wirtschaft und besonders für die Milchwirtschaft“, sagt French.


Die Export-Organisation Ornua beobachtet die Entwicklungen: „Unsere Aufgabe ist es, die möglichen Nachteile des Brexit zu managen. Wir haben für jeden möglichen Fall einen Plan.“ Die Briten seien aber auf die irischen Milchprodukte angewiesen, z.B. bei Cheddar- Käse. Alternativen müssten die Händler erst aufbauen.


Aktuell sind die Folgen des Ausstiegs noch vollkommen offen. Seán Molley vom Molkerei-Konzern Glanbia sagt: „Wir beobachten die Entwicklungen und hoffen, dass sich die Folgen möglichst wenig auf uns auswirken. Gleichzeitig intensivieren wir unsere Aktivität in alternativen Exportländern.“


Milchmenge steigt weiter:

Ende dieses Jahres werden die Iren wohl die 7,0 Mio. t Marke knacken. Damit ist das Ziel, 2020 mindestens 7,5 Mio. t zu melken, in greifbarer Nähe.


In den nächsten Jahren erwartet die nationale Statistikbehörde ein Wachstum von im Schnitt 2% pro Jahr. Die Zahl der Milcherzeuger soll relativ konstant bleiben. 2025 könnten 15400 Milcherzeuger im Schnitt 100 Kühe und dann insgesamt rund 8,6 Mrd. l Milch produzieren.


Milcherzeuger Kevin Twomey gibt einen Ausblick: „Wir melken 90% der Milch aus frischem Gras. Unser low-input-System ist nachhaltig und rentabel. Damit bleibt die irische Milchproduktion international wettbewerbsfähig.“Anke Reimink


Milcherzeuger Kevin Twomey gibt einen Ausblick: „Wir melken 90% der Milch aus frischem Gras. Unser low-input-System ist nachhaltig und rentabel. Damit bleibt die irische Milchproduktion international wettbewerbsfähig.“Anke Reimink


Mehr zur irischen Milchproduktion und die Strategien von drei Betrieben lesen Sie auf den Seite R14 und R15.

Die Redaktion empfiehlt

top + Letzte Chance: Nur noch bis zum 01.04.24

3 Monate top agrar Digital + 2 Wintermützen GRATIS

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.