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Milchbauern flüchten nach Bayern

Lesezeit: 7 Minuten

Österreichs Milchbauern haben Knatsch mit ihren Molkereien und kündigen reihenweise. Deutsche ­Unternehmen saugen die Milch gerne auf. Was ist los im Alpengebiet?


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Unter Österreichs Milchbauern rumort es: Die scharfen Qualitätsauflagen und ständigen Lob-Hudeleien auf die Heumilch sind etliche Milcherzeuger leid. Die Ankündigung der Molkerei Berglandmilch, 2014 eine Art Molkerei-Quote einzuführen, bringt das Fass zum Überlaufen: Seit Anfang April fließen weitere 13 Mio. kg Milch aus Österreich an bayerische Molkereien. Und sollte Österreichs größte Molkerei an ihrem Konzept festhalten, dürften noch mehr Landwirte kündigen und nächstes Jahr über die Grenze liefern.


Bauern sind unzufrieden.

Die deutschen Molkereien Berchtesgadener Land aus dem bayerischen Piding, das Milchwerk Jäger aus Haag und die Privatkäserei Bergader aus Waging am See liegen nah an der österreichischen Grenze und erfassen seit über zehn Jahren Milch in Österreich. „Damals war in Deutschland kein weiteres Einzugsgebiet zu bekommen. Da Österreich vor der Haustür liegt, sind wir dorthin gegangen“, erklärt Geschäftsführer Hermann Jäger vom Milchwerk Jäger.


Daran hat sich bis heute nichts geändert. Der Rohstoff ist in Bayern weiter hart umkämpft. Der Biogas-Boom hat die Situation noch verschärft. Milch aus dem Alpenvorland, die die Molkereien gerne höherpreisig vermarkten, ist und bleibt ein knappes und kostbares Gut.


Neu ist jedoch das steigende Interesse der Milchbauern, nach Deutschland zu liefern. Das hat mehrere Gründe:


  • Österreich hat viele optimistische Milchbauern. Das wird unter anderem an der höchsten prozentualen Überlieferung innerhalb der EU deutlich. Doch viele jüngere und fortschrittliche Landwirte fühlen sich ausgegrenzt und von Politik, Verbänden und Molkereien nicht richtig vertreten.
  • Die Alpenrepublik stellt sehr hohe Auflagen an die Milcherzeuger. Beispielsweise ist die gentechnikfreie Fütterung Standard. Das spiegelt sich allerdings nicht im Milchpreis wider: Bayerische Molkereien zahlen für konventionelle Milch zum Teil über 1 ct/kg mehr als die österreichischen für GVO-freie Milch (Übersicht 1).
  • Politik, Molkereien und Medien stellen die Heumilch für Österreich sehr stark in den Vordergrund. Das stößt insbesondere größeren Milcherzeugern sauer auf, da sich die Mehrkosten mit dem Zuschlag von rund 4 ct nicht immer decken ließen. „Die Silage-Bauern sehen nicht länger ein, dass sie benachteiligt werden und weniger Milchgeld bekommen“, sagt Johann Großpötzl, Milcherzeuger und Vorsitzender einer Liefergemeinschaft, dem Verein der Milchproduzenten (VDMP).
  • Österreichs Molkereien setzen stark auf den heimischen Markt und haben im Vergleich zu anderen EU-Ländern wenig Exportkapazitäten in Drittländer aufgebaut. Martin Detzlhofer, Milcherzeuger und Geschäftsführer der VDMP, befürchtet deshalb Probleme, sollte die Milchmenge nach dem Quotenende 2015 ansteigen: „Unsere Molkereien haben die Internationalisierung verschlafen, die bayerischen Molkereien sind hingegen in wichtigen Schwellenländern vertreten.“


Milch an Bärenmarke:

Etwa 50 Milch-erzeuger haben deshalb Anfang des Jahres die Konsequenzen gezogen und bei der Vöcklakäserei in Pöndorf und der Gmundner Milch gekündigt.


Die Vöcklakäserei verliert rund 6,5 Mio. kg, die Gmundner Milch gut 4 Mio. kg Milch. Hinzu kommen noch etwa 2 Mio. kg Milch von enttäuschten Berglandmilch-Mitgliedern, die bereits letztes Jahr gekündigt haben.


Das Auffangbecken für die Kündiger ist der VDMP. Die Liefergemeinschaft hat inzwischen mehr als 700 Landwirte mit ca. 80 Mio. kg Milch unter Vertrag. Sie vermarktet die Milch fast ausschließlich nach Deutschland.


Für die zusätzliche Milch hat Geschäftsführer Detzlhofer einen neuen Abnehmer gewonnen: Seit Anfang April fließen ca. 11 Mio. kg an die Bärenmarke Vertriebsgesellschaft in Weiding. Das Unternehmen hieß bis vor kurzem Allgäuer Alpenmilch und ist nach wie vor eine Tochter des Lebensmittelkonzerns Hochwald Foods aus Thalfang in Rheinland-Pfalz (Übersicht 2). Bärenmarke stellt den Landwirten frei, ob sie GVO-frei produzieren oder nicht.


Die anderen ca. 2 Mio. kg gehen an Jäger. Damit dürfte die Privatmolkerei dieses Jahr etwa 19 Mio. kg Milch vom VDMP bekommen. Weitere 26 Mio. kg bezieht Jäger von einer Liefergemeinschaft aus dem Mühlviertel. In Summe kommt das Milchwerk auf ca. 45 Mio. kg.


Rund 46 Mio. kg liefert der VDMP an die Privatkäserei Bergader. Die Milch stammt von rund 350 Erzeugern. Weder Bergader noch Jäger verpflichten ihre Lieferanten zur gentechnikfreien Milchproduktion.


Die Milchwerke Berchtesgadener Land aus Piding verarbeiten 35 Mio. kg Milch aus Österreich. Sie verlangen GVO-freie Milch. Zudem müssen die Milchbauern Genossen werden und Geschäftsanteile zeichnen, um liefern zu können. Derzeit hat die Molkerei rund 250 österreichische Mitglieder.


Insgesamt werden dieses Jahr etwa 1 000 österreichische Landwirte knapp 140 Mio. kg an die vier bayerischen Molkereien liefern – so viel wie noch nie. Die Milch stammt vor allem aus den Hochburgen in Oberösterreich und dem Salzburger Flachgau. Dort sitzen große und dynamische Milcherzeuger.


Zusätzlich erfasst Omira aus Ravensburg (Baden-Württemberg) noch knapp 10 Mio. kg Milch in Vorarlberg.


Daneben fließen noch weitere ca. 160 Mio. kg Milch und Rahm über die Landesgrenze. Diese gelangen fast ausschließlich über Händler oder den Handel unter den Molkereien nach Deutschland. „Wer dort aktiv ist und wohin die Milch fließt, lässt sich aber nicht feststellen“, sagt Dr. Björn Börgermann vom Milchindustrie-Verband.


Fest steht jedoch, dass Österreich jetzt mit rund 310 Mio. kg nach Tschechien einer der größten Milch-Importeure für Deutschland ist. Und genauso fest steht, dass die Milchmenge im nächsten Jahr noch einmal deutlich wachsen könnte.


Flucht vor Molkerei-Quote?

Grund dafür ist der Vorstoß von Österreichs größter Molkerei, der Berglandmilch aus Wels, bereits im Jahr 2014 ein neues Liefermodell einzuführen, das einer ­Molkerei-Quote mit A/B-Preisen ähnelt.


Das stößt vor allem bei jungen und wachstumswilligen Milcherzeugern auf Widerstand: „Sie fühlen sich in ihrer Entfaltungsmöglichkeit eingeschränkt und befürchten Einkommensverluste nach dem Quotenende“, sagt Detzlhofer.


Deshalb gewinnt der Geschäftsführer der Liefergemeinschaft im Berglandmilch-Gebiet derzeit Milch dazu. „Wir haben jetzt schon deutlich über 13 Mio. kg unter Vertrag. Bis zur Kündigungsfrist am 30. September dürfte noch mehr Milch hinzukommen“, sagt Detzlhofer. Die Milch soll ab dem 1. April 2014 nach Deutschland fließen.


Zustimmung erhält er dabei von dem Geschäftsführer einer Käserei, der anonym bleiben möchte: „2015 wollen die Landwirte liefern ohne Ende und kein neues Beschränkungsmodell! Deshalb wird es weitere Kündigungen bei der Berglandmilch geben.“


Josef Braunshofer, Geschäftsführer der Berglandmilch, dementiert das: „Uns liegen wenn überhaupt nur eine handvoll Kündigungen vor. Wir haben unseren Mitgliedern das Modell ausführlich erklärt und sind auf breite Zustimmung gestoßen.“ Unumwunden gibt er aber zu, dass der Milchpreis jetzt deutlich besser ausfallen muss, um die Eigentümer der Molkerei bestmöglich zufriedenzustellen.


Das hört VDMP-Vorsitzender Großpötzl gerne: „So soll es sein! Dass Milch nach Deutschland fließt, soll die österreichischen Molkereien anspornen, besser auszuzahlen!“


Deshalb freut es ihn auch, dass die bayerischen Molkereien durchaus noch mehr Milch aus dem Alpenland aufsaugen könnten: Die Milchwerke Berchtesgadener Land erweitern gerade ihre Kapazitäten und haben danach „Luft“. Auch Jäger würde zur Gebietsverdichtung weitere Milch aus Österreich aufnehmen. Und Bärenmarke soll Branchenkennern zufolge ebenfalls noch erhebliche freie Kapazitäten haben.


Die Flucht der österreichischen Milchbauern lockt aber auch andere Molkereien aus dem Freistaat auf den Plan. „Wir stehen mit zwei weiteren Unternehmen in Kontakt, die ernsthaft Interesse an unserer Milch haben“, sagt Detzlhofer.


Die Namen will er nicht nennen, klar ist aber: Das Ringen um die Milch im Alpengebiet bleibt spannend.


P. Liste

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