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Milchfettsäuren: Spiegelbild der Ration

Lesezeit: 7 Minuten

Eine Analyse der Fettsäuren in der Milch soll zeigen, wie die Verdauung läuft. So sollen sich Futtereffizienz und Tiergesundheit optimieren lassen. top agrar hat sich die Analyse in der Praxis angesehen.


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Wir analysieren nicht nur die gerechnete und die gefütterte, sondern auch die verdaute Ration“, sagt Milcherzeuger Christian Schultze aus Rhadern (Hessen). Sein Kollege Helmut Töller aus Hoogstede (Niedersachsen) ergänzt: „Wir feilen an den kleinen Stellschrauben und verbessern die Fitness unserer Kühe.“


Sie lassen einmal im Monat bzw. alle zwei Wochen das Fettsäuremuster aus der Tankmilch untersuchen. Die Software „milchblick“ analysiert die Daten und zeigt mit einfachen Grafiken und Farbskalen, wie die Kühe die Ration verdauen und in Milch umsetzen. Das nutzen rund 350 Landwirte in Deutschland.


Die Beratung können Landwirte unverbindlich buchen. Viele analysieren die Ergebnisse aber mit ihren Futtermittel-Beratern und setzen spezielle Futterzusätze ein. Denn der Software-Anbieter verkauft auch Futtermittel, die die Fettsäuren positiv beeinflussen und die Futtereffizienz steigern sollen.


Praktiker sind begeistert. Experten kritisieren, dass der Anbieter auch Futtermittel vertreibt. Was steckt hinter milchblick?


Omega-3 im Fokus:

Die Idee stammt aus Frankreich. Omega-3-Fettsäuren sind bei den Verbrauchern als „gesunde Fette“ gefragt. Das Label „Bleu Blanc Coeur“ zeichnet Produkte mit einem höheren Omega-3-Gehalt aus. Landwirte setzen Leinsamen in den Rationen ein und bekommen Milchgeldzuschläge. Das wirke sich auch positiv auf Leistung und Gesundheit der Kühe aus.


Das französische Unternehmen Valorex stellt entsprechende Futtermittel her und bietet die Milch-Analyse an. Das Unternehmen ist überzeugt: Das Fettsäure-Muster ermöglicht auch einen Rückschluss auf die Verdaulichkeit der Ration (siehe Kasten).


In Deutschland bietet die Firma agrosom die Analyse an. Dafür arbeitet das Unternehmen zurzeit mit den Landeskontrollverbänden (LKV) Weser-Ems und Güstrow zusammen. Andere Kontrollverbände schicken ihre Milchgüteproben an diese Labore. Mit der sogenannten Infrarot-Spektroskopie lassen sich die Fettsäuren bestimmen. Diese Daten nutzt agrosom zusammen mit Infos zu Milchmenge, Fett- Protein- und Harnstoffgehalt sowie dem Laktationstag.


Die Auswertung bekommen die Milcherzeuger per Mail zugeschickt. Statt Tabellen und Zahlen sind die Daten in einfachen Säulendiagrammen zusammengefasst (Übersicht 2). Milcherzeuger Schultze meint: „Die Grafiken sind einfach zu verstehen. Im Prinzip gilt: Je höher die Säulen, desto besser. Eine Farbskala verdeutlicht, ob die Werte im optimalen (grün), guten (gelb) oder kritischen Bereich (rot) liegen.“


Die erste Seite der Auswertung zeigt, wie effizient das Futter verwertet wird – unterteilt in Grafiken zur Energie-, Protein- und Rohfaser-Effizienz. Pfeile in den Säulen zeigen die Entwicklung seit der letzten Analyse.


Futterenergie verschenkt?

Die Grafik zur Energie-Effizienz zeigt, wie die Ration zur Milchproduktion genutzt wird und wo Energie verloren geht.


Indikator für den Energieverlust im Pansen ist Methan. Christian Schultzes Berater Bernhard Temme (Agravis Ostwestfalen-Lippe) erklärt: „Methan entsteht beim mikrobiellen Abbau des Futters. Je weniger Methan produziert wird, umso besser ist die Futtereffizienz und damit die Umsetzung in Milch.“


Die Methan-Produktion lasse sich anhand des Fettsäure-Musters in der Milch abschätzen. Besonders Palmitinsäure, die bei der Faserverdauung vor allem aus Essigsäure gebildet wird, sei als Indikator geeignet. Daraus berechnet milchblick die absolute Methan-Menge in g/l Milch. Wie genau, will der Anbieter nicht verraten.


Bei der Milchviehherde von Schultze liegt der Methan-Wert mit 12,6 g/l im grünen Bereich. „Die Obergrenze wären 20 g Methan, bei höheren Werten verschenkt man richtig Energie“, sagt Temme. Grund dafür könnte ein zu hoher Rohfaser-Gehalt sein.


Die Säule Energie-Effizienz bewertet der Berater immer zusammen mit der Grafik zum Energie-Defizit. Diese gibt Hinweis auf die Mobilisation von Körperfett. Anhaltspunkt dafür ist ein hoher Anteil langkettiger Fettsäuren und ein hoher Harnstoffwert.


Hinzu kommen Energieverluste für die Neusynthese von Fettsäuren im Euter. Indikator dafür sind ebenfalls langkettige, gesättigte Fettsäuren, wie Palmitinsäure. Je geringer dieser Anteil, umso effizienter ist die Ration. Temme versucht diesen Wert zu optimieren: „Liegt die Neusynthese bei einer rohfaserreichen Ration im gelben Feld, lässt sich mit einem höheren Anteil Kraftfutter oder Maissilage gegensteuern.“


Protein und Rohfaser:

Die Protein-Effizienz steht für Menge, Verfügbarkeit und Verdaulichkeit des Futter-Proteins.


Dabei zeigt die Säule „Protein-Balance“, ob es einen Überschuss oder Mangel gibt. Grundlage dafür sind Eiweiß und Harnstoff. Stefan Bökers (Raiffeisen Ems Vechte), Futtermittel-Berater von Familie Töller, erklärt: „Ein Harnstoff-Wert von 200 mg/l ist optimal. Sinkt oder steigt dieser, so verschiebt sich die Säule in Richtung rot.“


Die beiden Säulen Azidose-Status und Pansenaktivität zeigen die Rohfaser-Effizienz und damit das Verhältnis von Kraftfutter und Rohfaser in der Ration. „Wenig oder schlecht verdauliche Rohfaser erhöht den Anteil von Propionsäure im Verhältnis zur Essigsäure. Der Anteil langkettiger Fettsäuren in der Milch sinkt“, sagt Bökers. So soll sich eine akute oder subakute Azidose feststellen lassen, noch bevor Milch-menge oder -fettgehalt sinken.


Pansenaktivität und Acidose-Status bewertet der Berater zusammen: Liegt die Pansenaktivität im blauen Bereich, so ist die Passagerate optimal, im grünen wäre die Verdauung zu langsam. Verschiebt sich die Säule in Richtung rot, so verlässt das Futter den Pansen zu schnell oder zu langsam. „Ein Blick auf die Säule Acidose-Status erklärt das genauer: Ist die Ration „zu scharf“ (rot), erhöhen wir den Rohfaser-Anteil in der Ration“, sagt Töller.


Gesundheit und Fruchtbarkeit:

Gesundheit und Fruchtbarkeit bewertet milchblick auf Grundlage des Anteils der Milchfettsäure „Alpha-Linolen“.


Diese gehört zur Gruppe der Omega-3-Fettsäuren. Der Anteil im Milchfett schwankt laut dem Deutschen Verband für Leistung- und Qualitätsprüfung (DLQ) im Durchschnitt zwischen 0,7 und 1,7%. „Omega-3-Fettsäuren aus der Ration finden sich direkt in der Milch wieder. Diese Fette wirken sich positiv auf das Immunsystem aus. Außerdem sind sie eine Vorstufe wichtiger Hormone. Je höher der Anteil, desto besser“, sagt Temme.


Die Säule Gesundheit spiegelt das Verhältnis der Omega-3 zu Omega-6-Fettsäuren wider. Auch Harnstoff und Energie-Status werden einbezogen. Die Grafik Fruchtbarkeit zeigt direkt den Anteil von Omega-3 im Milchfett.


Mit einem Anteil von 0,7 und 0,6% liegen die Betriebe Töller und Schultze im gelben bis blauen Bereich. „Höhere Werte lassen sich nur auf frischem Weidegras oder mit einer hohen Zugabe von entsprechenden Futtermitteln erreichen“, sagt Berater Bökers. Doch das müsse sich auch rechnen, gibt er zu bedenken. Die Kosten für das aufgeschlossene Leinsaat-Produkt, den Bökers in der Ration von Töller einplant, liegen bei rund 1,8 Cent/kg Milch. „Aktuell versuchen wir nicht den Omega-3-Gehalt zu erhöhen. Das würde nur Sinn machen, wenn wir dafür mehr Milchgeld bekommen“, sagt Töller.


Mehr Milch mit Leinsamen?

Temme ist überzeugt: „Der Einsatz des Leinsaat-Zusatzes bringt rund 1 bis 1,5 kg mehr Milch pro Tag und macht sich damit direkt bezahlt. Gleichzeitig sparen wir so andere energiereiche Zukauffutter ein.“


Omega-3-Fette in der Ration sollen die Pansen-Protozoen reduzieren, die Methan und Wasserstoff bilden. Das puffere den pH-Wert ab und reduziere die Methan-Menge. So werde das Futter effizienter in Milch umgesetzt.


Zudem steht Methan zunehmend im Fokus der Diskussion einer nachhaltigen Tierhaltung. „Wir analysieren die Fettsäuren für die Beratung, um die Methan-Menge pro kg Milch zu reduzieren“, sagt Bökers. Denn Molkereien oder Behörden könnten künftig einen Nachweis über die Methan-Menge fordern.


Landwirt Schultze hat den Effekt der Leinsamen getestet: Acht Wochen lang tauschte er das Futtermittel gegen Kraftfutter aus. „Die Milchleistung sank im Schnitt um 3 kg, während die Inhaltsstoffe stiegen“, sagt Schultze.


Mehr Milch zu melken steht für ihn aber nicht im Vordergrund. „Mit Leinsamen sind die Kühe fitter. Wir holen uns die Vorteile der Weide in den Stall“, sagt Schultze. Töller ist ebenfalls von den Vorteilen für die Gesundheit überzeugt. Er setzt schon seit über zehn Jahren auf Leinsaat in der Ration.


Die Fettsäure-Untersuchung nutzen beide Landwirte seit einigen Jahren, zunächst kostenlos im Rahmen einer Testreihe. Die bezahlte Vollversion kostet 480 € pro Jahr inklusive der persönlichen Beratung. Die Milcherzeuger nutzen auch Futterproben, MLP und Tierbeobachtung. Auf die Fettsäure-Untersuchung wollen sie nicht verzichten: „Mit der Analyse optimieren wir Fitness und Futtereffizienz. Und das macht sich bezahlt.“ ​Anke Reimink

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