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Mit langem Atem zu fitteren Kälbern

Lesezeit: 7 Minuten

Atemwegserkrankungen bei Kälbern haben viele Ursachen. Das Versuchszentrum in Futterkamp hat daher fünf Jahre daran gearbeitet, perfekte Bedingungen für eine gesunde Aufzucht zu schaffen.


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Erkrankungen der Atemwege kosten Geld. Auch im Kälberstall des Lehr- und Versuchszentrums (LVZ) Futterkamp (Schleswig-Holstein). Hier lagen die Kosten für die Behandlung von Atemwegsproblemen in einigen Jahren allein zwischen November und Mai bei bis zu 2300 € (Übersicht 1). Das LVZ hält im Schnitt 45 weibliche Kälber im Alter von 15 Tagen bis zu sechs Monaten in seinem Holsteiner Kälberstall. Hinzu kamen wirtschaftliche Verluste durch Langzeitschäden an der Lunge. Diese können pro Tier mehrere hundert Euro betragen.


Um die Atemwegsgesundheit zu verbessern, müssen Landwirte oft an mehreren Stellschrauben drehen. Auch das LVZ Futterkamp benötigte daher fünf Jahre und diverse Ansätze, um die Gesundheit der Nachzucht auf das heutige Niveau zu heben.


Nachweis Allein reicht nicht


Eine Erkrankung der Atemwege beginnt oft als Infekt an der Nasen- und Rachenschleimhaut. Die Kälber haben typischerweise tropfende Nasen und Augen sowie trockenen bis schleimigen Husten. Auslösende Infektionserreger können sowohl Bakterien (z.B. Mykoplasmen oder Pasteurellen), als auch Viren (z.B. BRSV) sein. Ist die Immunabwehr des Kalbes zu schwach oder besiedelt ein weiterer Erreger das Tier, steigt die Infektion oft bis in die tieferen Atemwege (Bronchien, Lunge, Brustfell) hinab. Dort entstehen chronische Schäden, die Leistung und Gesundheit des Rindes dauerhaft verringern.


Die typischen Erreger von Atemwegserkrankungen sind immer auch in den oberen Atemwegen gesunder Kälber zu finden. Daher ist es für die Diagnose eines Haupterregers wichtig, Proben bei frisch erkrankten Tieren in der Tiefe der Lunge zu ziehen. Das können Tierärzte am sichersten mit sterilen Spülproben oder einer Sektion frisch verstorbener Rinder durchführen.


Auch wenn Tierärzte einen hauptverantwortlichen Infektionserreger finden, ist es wichtig, sich nicht nur auf die Ausschaltung dieses einen Erregers zu konzentrieren. Denn Atemwegsinfekte sind Faktorenkrankheiten. Das heißt, dass verschiedene Umwelt- und Tiereinflüsse den Krankheitskomplex auslösen. Dabei gibt es auf jedem Milchviehbetrieb individuelle Faktoren, die die Abwehrfähigkeit der Kälber in verschiedenen Lebensabschnitten unterschiedlich stark verringern.


Weg zur richtigen Lüftung


Mit dem Ziel, den Einflussfaktor „Klima“ für die Kälber zu verbessern, baute das LVZ im Jahr 2013 seinen Kälberstall komplett um. Die Entscheidung fiel auf einen Stall mit natürlicher Trauf-First-Lüftung: An den Traufseiten hängen Jalousien, eine Giebelseite ist mit Folientoren ausgestattet und die Kälbernester sollten zugluftfrei sein. Schnell zeigte sich allerdings, gesundere Lungen hatten die Kälber auch im Neubau erst einmal nicht.


Zunächst fiel negativ auf, dass in der kalten Jahreszeit Zugluft zwischen Stallwand und der geschlossenen südwestlichen Jalousie sowie zwischen den Dachsparren am Trauf entstand. Um den Luftstrom zu unterbinden, brachten Mitarbeiter einen Bürstensaum an den Wandöffnungen und Holzplatten zwischen den Sparren am Trauf an.


Das war allerdings zu viel des Guten. Denn bei meist geschlossenen Jalousien von Herbst bis Frühsommer war die Luftwechselrate im Stall nun zu gering. Feuchtigkeit, Schadgase und so auch Keime stauten sich im Stall. Das zeigte sich an der Stalldecke: Schwarzschimmel bildete sich an den kalten, mit Kondenswasser belegten Stallbauteilen.


Da die geplante Trauf-First Lüftung mangels zugfreier Zuluftöffnungen nun nicht mehr funktionierte, entschied sich das Versuchszentrum 2016 für den Einbau einer Schlauchlüftung (sogenannte Positiv Pressure Tubes).


Auch hier zahlten sie Lehrgeld: Die erste Version der Tubes war für einen Dauerbetrieb bei maximaler Lüfterleistung ausgelegt. Die Steuerung erfolgte lediglich über einen Ein-Aus-Schalter je Lüfter. Ein nächtlicher Temperatursturz von über 10°C brachte die Nachteile des Systems ans Licht. Die kalte Außenluft gelangte unmittelbar in den Tierbereich. Zahlreiche Kälber erkrankten stark.


ZU- und Abluft in Balance


Das LVZ erweiterte daraufhin die Schlauchlüftung durch eine temperaturabhängige automatische Steuerung. Mittels Nebelgerät und Windmesser stellten die Mitarbeiter zudem fest, dass die Frischluft aus den Schläuchen nicht unter die Deckel der Kälbernester strömt. So besteht die Gefahr, dass sich Feuchtigkeit und Schadgase im Nest sammeln. Ebenso schädlich für die Kälbergesundheit sind die daraus resultierenden großen Temperaturunterschiede zwischen Nest und Außenbereich. Seitdem nutzt das LVZ die Nestabdeckungen nicht mehr.


Als vorerst letzte Maßnahme sind seit Herbst 2019 im Traufbereich Lochbleche für den Luftabstrom installiert, um Zugluft über die seitlichen Öffnungen auch bei Sturm zu verhindern.


Im Sommer ist der Stall an allen Seiten geöffnet. Die Lüftungsanlage ist ganzjährig in Betrieb und dient sommertags als kühlende Zusatzlüftung und verhindert Hitzestress. Damit ist das Stallklima in der Kälberaufzucht auf nun zu jeder Jahreszeit zufriedenstellend.


Impfen unterstützt


Das LVZ benötigte zwei Anläufe, um das passende Impfregime für die Kälber zu etablieren.


Bereits vor der Optimierung der Lüftung im neugebauten Stall erhielten die Kälber 2014 in den ersten Lebenswochen einen kommerziellen Dreifach-Impfstoff gegen Viren und Pasteurellen sowie die Färsen eine Mutterschutzimpfung. Ein Erfolg blieb gänzlich aus und die Behandlungskosten waren weiter hoch, sodass die Mitarbeiter die Impfung wieder einstellten.


Infolge der schweren Infektwelle durch die falsche Schlauchbelüftung im Jahr 2016 begann das Lehrzentrum die Kälber wieder zu impfen.


Sie setzten einen Dreifachimpfstoff von der dritten bis zur sechsten Lebenswoche sowie eine Wiederholungsimpfung ein. Zunächst war durch die hohen Behandlungskosten im Winter 2016/17 kein Erfolg sichtbar. Jedoch ist die Impfung in ein akutes Krankheitsgeschehen hinein ohnehin kritisch und dient nur dazu, die gesunden Kälber zu schützen.


Der Nutzen einer Impfung zeigt sich oft erst langfristig. Fest steht aber, dass eine Impfung allein beispielsweise eine mangelhafte Klimaführung nicht ausgleichen kann.


Energie zur Abwehr


Als dritten Baustein auf dem Weg zu gesünderen Kälbern machten die Mitarbeiter des LVZ die Fütterung aus.


Denn im Kälberstall fiel in den vergangenen Jahren auf, dass die ersten Anzeichen einer neuen Welle von Atemwegsinfekten meist bei frisch abgetränkten Kälbern in der zehnten bis elften Lebenswoche auftraten. Damit lag nahe, dass durch eine schlechtere Energie- und Nährstoffversorgung die Immunabwehr der Kälber geschwächt war. Denn jede Abwehrleistung des Körpers basiert auf Abwehrzellen und speziellen Eiweißen, die eine gute Versorgung benötigen.


Bis zum Dezember 2017 fütterte das LVZ die Kälber nach einem Neun-Wochen-Tränkeverfahren. Das heißt, die Kälber erhielten bereits ab der vierten Woche weniger Milch. In dieser Zeit steigt die Kraftfutteraufnahme aber nicht ausreichend und eine Energielücke entsteht (Übersicht 2). Ebenso können Kälber in den ersten Lebenswochen komplexe pflanzliche Nahrung nur unzureichend verdauen. Daher gleicht auch eine erhöhte Festfutteraufnahme in diesem Alter das sinkende Angebot eines hochwertigen Milchaustauschers nicht aus.


Nun erhalten die Kälber daher ein um 1,6 kg höheres Milchangebot in der dritten und vierten Woche und die Tränkkurve ist bis zum 77. Lebenstag verlängert. Zusätzlich erhalten die Kälber seitdem von der zweiten bis zur elften Lebenswoche anstatt pelletiertem Kälberfutter eine Kälber-Trocken-TMR ad libitum. Die Akzeptanz der TMR ist sehr gut. Daher hat diese einen zusätzlichen positiven Effekt auf die Nährstoffversorgung und damit auch auf die Immunabwehr.


Wasser fördert Reinigung


Im Kälberstall hängen seit der Futterumstellung auch immer Salzlecksteine zur freien Verfügung. Das fördert die Tränkwasseraufnahme, die wiederum zur Reinigung der Atemwege nötig ist.


Die natürliche Reinigung der Bronchien und der Atemwege geschieht durch Schleim, der Stäube und Keime bindet. Flimmerhärchen transportieren das Sekret aus den Bronchien heraus. Nur bei einer ausreichenden Wasserversorgung ist das Sekret so flüssig und fließfähig, dass es die gebundenen Partikel leicht transportiert. Bei mangelnder Wasserversorgung kommt es zu einem Sekretstau in den Atemwegen, denn das Kalb kann den Schleim nicht richtig abhusten.


Somit ergänzt auch die Mineralstoffversorgung das verbesserte Fütterungskonzept und trägt zusätzlich zu gesunden Aufzuchtkälbern bei.


julia.hufelschulte@topagrar.com

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