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Molkereien steuern Milchmenge

Lesezeit: 7 Minuten

Die französischen Molkereien deckeln die Milcherzeugung und binden ihre Lieferanten an eine Art Quote. Ein Überblick über die verschiedenen Preis- und Mengensysteme.


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Frankreich ist eines der wenigen europäischen Länder, das seine Milchproduktion drosselt. Im März 2016 lag die Milchanlieferungsmenge 1% unter der Vorjahresmenge, im April setzte sich der Trend fort (Übersicht).


Das ist zum einen auf die schlechte Konjunkturlage im Land und zum anderen auf die Mengenbegrenzungs-Systeme zurückzuführen, die die Molkereien nach dem Quotenende eingeführt haben. Damit wollen die Molkereien vermeiden, Milch auf dem Spotmarkt abzusetzen. Das soll zu einem höheren Auszahlungspreis führen. Ob das tatsächlich so eintrifft, hängt jedoch von den Absatzmärkten der Molkereien ab und von der Bereitschaft, den erzielten Mehrwert an die Lieferanten weiterzugeben.


Verschiedene Systeme:

Jede Molkerei hat ihr eigenes Preis- und Mengensystem entwickelt, das unterschiedliche Auswirkungen auf die Erlöse und Entwicklungsmöglichkeiten der Erzeuger hat.


Zwischen den Begrenzungs-Systemen der privaten und denen der genossenschaftlichen Molkereien gibt es erhebliche Unterschiede.


Die meisten der privaten Molkereien können keine weiteren Absatzmärkte generieren. Bestenfalls können sie das Niveau der Nachfrage halten. Sie begrenzen strikt die Anlieferungsmenge und verlangen eine Strafzahlung bei Überlieferung.


Bei Privatmolkereien sind die individuelle Referenzmenge des Erzeugers und die Modalitäten der Milchpreisfestsetzung in einem Vertrag geregelt. Die Mindestlaufzeit ist im Gesetz geregelt und beträgt fünf Jahre. Die längste bekannte Vertragslaufzeit bei einer privaten Molkerei beträgt zwölf Jahre.


Ähnlich wie in Deutschland gibt es in Frankreich Erzeugerorganisationen, die anstelle der Bauern mit den Molkereien die Verträge aushandeln. Einige Erzeugerorganisationen haben sich zusammengeschlossen, um für die Bauern bessere Bedingungen auszuhandeln oder eigene Ideen zu Preis-Systemen durchzusetzen. Derzeit probiert eine Erzeugerorganisation der privaten Molkerei Danone für einige ihrer Mitglieder Verträge mit einer oder zwei weiteren Molkereien auszuhandeln.


Genossen mit A-/B-Preis.

Die meisten genossenschaftlichen Molkereien hingegen akzeptieren eine Produktion über die vereinbarte Menge hinaus, zahlen aber weniger Geld dafür.


Für die vereinbarte Menge wird der Preis A gezahlt, der vom französischen Binnenmarkt und vom europäischen Markt abhängt (im April reichte die Spanne von ca. 26,2 ct/l bis ca. 29,4 ct/l, bei 3,8% Fett und 3,2% Eiweiß).


Für die darüber hinaus produzierte Menge wird der Preis B gezahlt, der vom Butter- und Milchpulverpreis abhängt. Im Moment ist dieser sehr niedrig (19,0 bis 20,0 ct/l), kann aber auch den Preis A übersteigen.


Dieses System erlaubt den Genossenschaften, die Produktion zum einen durch den Preis zu beschränken, zum anderen Absatzmärkte mit höherer Wertschöpfung zu erschließen und neue Exportmärkte mit niedrigerer Wertschöpfung zu sondieren. Eine Umfrage der Genossenschaftsmolkereien bei ihren Mitgliedern hat ergeben, dass sie in den nächsten fünf Jahren 10 bis 20% mehr Milch produzieren wollen.


Mit den A-/B-Systemen können die Bauern zwar nachvollziehen, wie ihr Preis zustande kommt. Sie wissen aber nicht, welche Mengen die Molkerei tatsächlich zu den unterschiedlichen Konditionen absetzt. Eine vollständige Transparenz ist also weit entfernt.


Es gibt aber auch Genossenschaften, die einen Einheitspreis gewählt haben und mehr oder weniger Freiheit bieten, über die vereinbarte Menge hinaus zu produzieren.


Die Genossenschaftsmolkerei L’ULM (Union laitière de la Meuse), im Nordosten von Frankreich, ist ein Extrembeispiel. Sie hat sich dazu verpflichtet, alles aufzunehmen, was die Mitglieder produzieren, unter der Bedingung, dass sie sich auf eine Prognose der Milchmenge einlassen. Die Erzeuger müssen eine Tabelle für mehrere, manchmal für zwölf Monate ausfüllen. Bis auf die kommenden drei Monate können sie ihre Prognosen korrigieren. Wenn sie ihre Produktion gut vorher gesagt haben, bekommen sie eine Prämie. Diese hängt davon ab, wie genau sie die Milchmenge vorausgesagt haben. Im Mai hat die Molkerei einen durchschnittlichen Milchpreis von rund 28,6 ct/l gezahlt.


Die größte französische Genossenschaftsmolkerei Sodiaal hat ein Triple-Preis-System eingeführt. Details dazu lesen Sie auf Seite R10.


Lactalis begrenzt strikt:

Die Privatmolkerei Lactalis ist mit einer Milch-menge von 15,1 Mio. t die größte französische Molkerei. Sie ist für die Produktlinie „Président“ bekannt. Rund 12000 französische Milcherzeuger liefern an das Unternehmen. Die Kündigungsfrist richtet sich nach der Länge der bestehenden Lieferverhältnisse und verlängert sich mit der Zeit. In beiderseitigem Einvernehmen können sie den Vertrag jedoch vorher auflösen.


Jeder Milchviehhalter muss die im Vertrag geregelte Jahresreferenzmenge einhalten. Die geringe Abweichung, die Lactalis sonst toleriert, gewährt das Unternehmen zur Zeit nicht. Bereits mit dem ersten über die Referenzmenge hinaus gelieferten Liter muss jeder Landwirt eine Strafe von 28,6 ct/l zahlen. Das ist mehr als er im Monat April für die Milch bekommen hat (26,2 ct/l). Diese Strafe gibt es bei vielen Molkereien. Sie orientieren sich an der früheren Superabgabe.


Wer bei Lactalis aufstocken will, hat schlechte Karten: Das Unternehmen gewährt keine zusätzlichen Mengen. Es sei denn, es steht eine Hofübergabe an. Dann kann man 200000 l zusätzlich bekommen.


Diese Politik führte zu vielen Konflikten zwischen Lactalis und den Milcherzeugern. Mehrere Bauern fühlten sich in die Enge getrieben und haben die Molkerei gewechselt.


Was auch auf Unverständnis stößt: Das Unternehmen begrenzt die Menge stark, zahlt aber einen der schlechtesten Preise aus – mit Ausnahme einiger Regionen, wo man die Lieferanten bei Laune halten will. Das ist ein gutes Beispiel dafür, dass eine reduzierte Menge nicht automatisch zu einem besseren Preis führt.


Die Milchbauern fordern deswegen eine Änderung des Preismodells: Lactalis soll die Auszahlung stärker an die Verwertung koppeln. Dann, so meinen sie, würde von den relativ hoch verwerteten Produkten mehr bei ihnen ankommen.


Savencia flexibel:

Die private Molkerei Savencia ist mit einer Milchmenge von 4,1 Mio. t ebenfalls eine der größten französischen Molkereien und für ihre Marken Géramont, Tartare und Bresso über die Landesgrenzen hinaus bekannt.


Im Vergleich zu Lactalis räumt Savencia den Bauern mehr Spielraum in der Liefermenge ein. Sowohl die Erzeugerorganisationen als auch die Bauern, die keiner Erzeugerorganisation angeschlossen sind, müssen sich mit ihrer Menge zwischen einem vertraglichen Minimum und einem Maximum bewegen. Bilanz wird quartalsweise gezogen.


Wer die Obergrenze überschreitet, zahlt eine Strafe von 28,6 ct/l (Milchpreis lag im April bei 27,6 ct/l). Bei den Erzeugerorganisationen wird die Strafe auf alle Bauern umgelegt, sofern sie dem Vertrag zugestimmt haben.


Bei Unterschreiten der vereinbarten Menge gibt es keine Strafe. Mehr noch: Savencia hat den Erzeugerorganisationen in diesem Frühjahr sogar eine Prämie von 2,0 ct/l gezahlt, wenn es ihnen gelungen ist, die Produktion um 6% zu drosseln.


Auch bei der Aufstockung räumt Savencia seinen Lieferanten mehr Möglichkeiten ein. Wenn ein Milchviehhalter aufstocken will, kann er einem anderen Milchviehhalter im selben Liefergebiet einen Vertrag abkaufen. Darüber hinaus kann er zum Zweck einer Fixkostendegression 20000 l oder bei Hofübergabe sogar 100000 l zusätzlich kostenlos erhalten. Diese Mengen kommen aus Vertragsaufgaben und werden durch die Molkerei bereitgestellt.


Über den Handel mit Verträgen diskutieren die Milchbauern generell kontrovers: Die einen sind dagegen, um ähnlich wie zu Quoten-Zeiten zu vermeiden, dass der Preis für Verträge steigt. Bestimmte Erzeugerorganisationen haben mit dem Einverständnis der Molkerei entschieden, dass die Verträge untereinander nicht gehandelt werden dürfen. Stattdessen entscheiden sie gemeinsam über die Regeln von Mengennachfragen. Andere Landwirte wiederum sind für den Handel mit Verträgen, damit sie selbstständiger entscheiden können. Das französische Parlament stimmt demnächst über ein Verbot ab, Verträge gegen Geld abzutreten.


Glück oder Pech mit Systemen:

Was der einzelne Landwirt von den Mengenbegrenzungen hält, hängt nicht zuletzt davon ab, welche Molkerei er beliefert und zu welchem Zeitpunkt er Menge nachfragt. Das verdeutlicht das Beispiel von Erwan Calle, der mit drei weiteren Landwirten einen Betrieb mit 160 Kühen, Ackerbau und Biogas in der Region Pays de la Loire bewirtschaftet. Er liefert seine Milch an Eurial, die erst vor einem Jahr mit Agrial fusionierte und zur zweitgrößten französischen Genossenschaftsmolkerei wurde.


Kurz vor der Fusion hat er Menge bei Eurial nachgefragt. Sein Glück war, dass viele Bauern im Süden der Lieferzone aufgegeben haben und er sogar so viel Menge bekam, dass er noch weiter aufstocken kann. Nach der Fusion hätte er sich die freigewordenen Kapazitäten mit den nachfragenden Landwirten aus der Lieferzone von Agrial teilen müssen und wäre vielleicht so gut wie leer ausgegangen.


Costie Pruilh, Redaktion Réussir Lait, Svenja Pein, Redaktion top agrar

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