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Nur alle 500 Tage ein Kalb?

Lesezeit: 5 Minuten

Verbessert eine verlängerte Zwischenkalbezeit die Milchleistung, Tiergesundheit und Fruchtbarkeit? Eine aktuelle Studie aus Sachsen liefert spannende Ergebnisse.


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Jedes Jahr ein Kalb – das galt und gilt als Ziel für Milchbauern. Die 305-Tage-Leistung als wichtigste Maßzahl für das Leistungspotenzial hat sich etabliert. Bei einer Trockenstehzeit von 60 Tagen ergibt sich eine Zwischenkalbezeit von einem Jahr. Viele Berater betonen, dass jeder Tag, an dem eine Kuh nach dem 80. Laktationstag „leer“ sei, bares Geld koste und sich nur mit einer kurzen Zwischenkalbezeit ein maximaler Deckungsbeitrag erzielen lasse. So gilt eine freiwillige Wartezeit von 40 Tagen als Standard.


Trend zu längerer Wartezeit


Doch passt das heute überhaupt noch? Schließlich sprechen viele Argumente dagegen, Kühe bereits im zweiten Laktationsmonat wieder zu besamen:


  • Hochleistungskühe haben noch eine negative Energiebilanz, was die Chancen auf eine erfolgreiche Besamung deutlich reduziert. Das erklärt auch den immer höheren Besamungsindex und die steigenden Behandlungskosten.
  • In der Frühlaktation ist das Risiko für Produktionskrankheiten wie z.B. Ketose, Labmagenverlagerung und Mastitis am höchsten. Je kürzer die Laktation, desto länger ist der relative Anteil dieser Risikoperiode. Hier fallen die höchsten Tierarztkosten an.
  • Bei frühen Besamungen müssen mehr Störungen wie inaktive Eierstöcke, Zysten und subklinische Entzündungen der Gebärmutter behandelt werden.
  • Je früher die Kuh tragend wird, desto eher muss sie wieder trockengestellt werden – häufig mit einer Leistung von über 20 kg. Das erhöht das Risiko von Euterentzündungen.
  • Es kommen zu viele Kälber auf den Markt. Das belegen die niedrigen Preise für Bullenkälber. Somit ist der Anteil des Verkaufserlöses des Kalbes für den Deckungsbeitrag der Kuh sehr gering. Die überzähligen Kälber kratzen am Image der Milchbranche.


Bei einer verlängerten Wartezeit sind allerdings noch zwei Fragen offen:


  • Werden Kühe bei einer späteren Erstbesamung unkompliziert tragend?
  • Wie sieht die Persistenz der Laktationskurve bei verlängerter Laktationsdauer aus? Denn gute Fruchtbarkeitsergebnisse nützen nichts, wenn die Milchleistung nicht stimmt.


Studie auf Praxisbetrieb


Dazu haben wir eine Studie auf der Agraranlage Ruppendorf in Sachsen durchgeführt. Der Geschäftsführer Peter Baling hält etwa 1100 Kühe mit einer 305-Tage-Leistung von 11488 kg.


Wir haben zunächst alle Kühe am 40. Laktationstag gynäkologisch untersucht. Alle Kühe ohne Hinweise auf eine Gebärmutterentzündung wurden einer von drei Gruppen zugeteilt, die sich in ihrer freiwilligen Wartezeit unterschieden.


Die Kühe in der ersten Gruppe wurden besamt, sobald sie nach Ablauf von 40 Tagen Brunstsymptome zeigten. In einer zweiten Gruppe lag die freiwilliege Wartezeit (FWZ) bei 120 Tagen, bei der dritten Gruppe bei 180 Tagen. Alle Tiere, die innerhalb von 40 Tagen nach Ablauf der jeweiligen FWZ keine Brunst zeigten, bekamen ein Hormonprogramm zur Brunsteinleitung.


Fruchtbarkeit und Persistenz


Eine verlängerte Wartezeit von 120 bzw. 180 Tagen führte zu folgenden Ergebnissen (Übersicht 1 und 2):


  • Signifikant bessere Erstbesamungserfolge verglichen mit der kurzen FWZ von 40 Tagen;
  • Kürzere Verzögerungszeit bei später erstmals besamten Kühen;
  • Deutlich weniger Hormonprogramme nötig – bei kurzer FWZ bei fast jeder dritten Kuh, bei verlängerter FWZ nur bei jeder zehnten Kuh;
  • Bessere Persistenz der Kühe mit längerer FWZ. Die tägliche Milchleistung unterschied sich trotz der längeren Laktationsdauer nicht signifikant zwischen den Gruppen. Hypothese: Bei einer frühen erfolgreichen Besamung sendet der Embryo ein Signal an den mütterlichen Organismus, die weitere Milchleistung tendenziell zu reduzieren;
  • Tendenziell höhere Zellzahl im Laktationsverlauf, der Anteil der klinischen Euterentzündungen unterschied sich zwischen den drei Tiergruppen jedoch nicht;
  • Signifikant bessere Persistenz bei Erstkalbinnen als bei mehrkalbigen Kühen.


Wie lassen sich die Ergebnisse interpretieren? Klar scheint, dass eine längere freiwillige Wartezeit mit dem Ziel von bis zu 500 Tagen Laktationsdauer für das Tierwohl und die Betriebswirtschaft sinnvoll sein kann. Der erhöhte Anteil von brünstigen Tieren führte nicht zu mehr Unruhe in der Herde, wie man vielleicht hätte annehmen können.


Gleichzeitig scheint aber eine längere Laktationsdauer nicht für alle Milchviehbetriebe sinnvoll zu sein:


  • Sobald der Verkaufserlös der Kälber hoch ist (Gebrauchskreuzung, Zweinutzungsrassen) und wesentlich zum Betriebseinkommen beiträgt, sollte weiter eine kurze Zwischenkalbezeit angestrebt werden.
  • Besondere Beachtung erfordert das Fütterungsmanagement: Kühe jenseits des 400. Laktationstages dürften keinesfalls verfetten. Bei hoher Milchleistung ist das kein großes Problem, wie die Auswertungen auf dem Studienbetrieb zeigen (Übersicht 3).
  • Keinesfalls sollten die Ergebnisse von Betrieben mit unterdurchschnittlichem Management als „Ausrede“ gelten, sich auf schlechten Zahlen auszuruhen und ohne Verbesserung der Haltungs- und Fütterungsbedingungen schlicht abzuwarten.


nachbarländer schon weiter


Dänemark und die Niederlande arbeiten bereits intensiv an Möglichkeiten einer verlängerten Laktation. Dänemark stellt dafür sogar Fördergelder bereit. Diese Überlegungen scheinen nun auch nach Deutschland zu schwappen. Zumindest verabschieden sich immer mehr Betriebe von dem Ziel einer möglichst kurzen Zwischenkalbezeit.


Klar ist aber, dass jeder Milchviehbetrieb eine individuelle Strategie benötigt, um die optimale Laktationsdauer zu finden.


patrick.liste@topagrar.com

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