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Passt die Kombihaltung in die Haltungsform 2Darum gehts: Bei der Kombinationshaltung müssen Anbindehalter ihren Kühen an mindestens 120 Tagen Weidegang gewähren. Dann könnten sie sich QM+ zertifizieren lassen und Milch für Haltungsform 2 produzieren. Ist

Lesezeit: 5 Minuten

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Ja, es ist richtig Milch aus Kombinationshaltung mit Milch aus Boxenlaufställen in einer Stufe zu vermarkten. Denn die Milch aus Kombinationshaltung bietet im Vergleich zum gesetzlichen Standard ein großes Plus an Tierwohl. Nach Aussage des Lebensmitteleinzelhandels soll die Haltungsformstufe 1 den gesetzlichen Standard abbilden. Alles, was Landwirte darüber hinaus in Tierwohlmaßnahmen investieren, soll honoriert und anerkannt werden. Das ist auch notwendig, denn oft haben kleinere Betriebe aufgrund erschwerter Standortbedingungen und hoher baurechtlicher Vorgaben kaum die Möglichkeit, einen Laufstall in den Außenbereich auf die grüne Wiese zu bauen. Auch wirtschaftlich ist der Bau eines neuen Stalls für viele Betriebe nicht darstellbar. Schon die Investition in zusätzliche Tierwohlmaßnahmen wie einen Laufhof oder eine Massagebürste ist für kleinstrukturierte Betriebe mit Kombinationshaltung, deutlich kostenintensiver als für größere Betriebe. Das verdeutlichen die neuesten Berechnungen der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL).


Hinter dem Begriff „Kombinationshaltung“ steht eine Tierhaltung, die ein Mehr an Tierwohl in Form von Bewegung bietet – oft mit Außenklima und Weide. Sie ist traditionell überwiegend in Süddeutschland verortet und findet in der Gesellschaft vor Ort Akzeptanz. Auch Touristen nehmen die Haltungsform positiv wahr, da die Betriebe mit ihren Kühen die Kulturlandschaft prägen und Almen erhalten.


Starke Mensch-Tier-Beziehung


Die Kombihaltung ist eine Symbiose zwischen Sozial- (Mensch) und Tierwohl (Kuh). Im Rahmen der oft wenigen Möglichkeiten können familiengeführte Milchviehbetriebe erhalten und das Tierwohl gesteigert werden. Die Beziehung zwischen Mensch und Tier ist bei der Kombihaltung sehr intensiv. Das wird insbesondere beim täglichen Weidegang deutlich. Die 120-Tage-Regelung ist sinnvoll, da in vielen Regionen die Vegetation nicht mehr Weidegang zu lässt. Eine Verlängerung hätte zur Folge, dass wieder Ausnahmeregelungen geschaffen werden müssten.


Der tägliche Austrieb über oft stark befahrene Straßen erfordert viel Engagement und Kenntnis über den Charakter jedes einzelnen Tieres. Zusätzlich erfordert der Austrieb auch Herzblut für den Erhalt der Tierhaltung in oft schwierigen Ortslagen. Die vielen kleinen Betriebe leisten einen großen Beitrag zum Erhalt der typischen Dorfstrukturen mit den belebten Dorfkernen. Um Kulturlandschaften und insbesondere Grünlandgebiete zu erhalten, ist es notwendig, die Kombinationshaltung gegenüber dem gesetzlichen Standard aufzuwerten. Durch Vermarktungsmöglichkeiten in Stufe 2 erhalten Betriebe einen Anreiz, diese Haltungsform auszubauen.


Programme wie QM+ bieten durch das Einhalten von tierwohlrelevanten Indikatoren die Möglichkeit, bestehende Ställe weiter zu nutzen und geben ihnen eine Perspektive. Für viele Betriebe ist diese notwendig, um der nächsten Generation die Entscheidung offen zu lassen, weiter Tiere zu halten. So lassen sich Ausstiege aus der Tierhaltung vor Generationswechseln verhindern und damit kleinbäuerliche Strukturen erhalten. Wer sich als junger Betriebsleiter für eine Zukunft in der Milchviehhaltung entscheidet, wird sich intensiv mit der Haltungsform und den Anforderungen an die Tierhaltung auseinandersetzen müssen. Diese Möglichkeit sollten wir den Hofnachfolgern offen halten.


Aus Sicht des Tier- und des Verbraucherschutzes ist es völlig inakzeptabel, die sogenannte Kombinationshaltung nach bayerischem Modell als eine bessere Haltungsform zu kennzeichnen und entsprechend zu vermarkten. Für ProVieh illustriert diese Einordnung ausgezeichnet, inwiefern die Vermarktung von „Tierwohl“ derzeit häufig zum einen Verbrauchertäuschung und zum anderen ein Hindernis für mehr Tierschutz ist.


§2 Tierschutzgesetz fordert, Tiere müssen verhaltensgerecht untergebracht werden. In der längeren Anbindung werden Rinder jedoch in ihrem arteigenen Verhalten maßgeblich bis ganz beschnitten: Vor allem ihr Bewegungsverhalten, aber auch ihr Sozial-, Erkundungs-, Komfort-, Sexual- und Fress-/Trinkverhalten können sie nicht verhaltensgerecht ausführen. Für ProVieh ist daher völlig unstrittig: Die Anbindehaltung muss im 21. Jahrhundert so schnell wie möglich abgeschafft werden. Hierzu sollte sich die Politik genau wie die Branche endlich durchringen.


„Tierwohl“-Initiativen wie QM+ verfolgen eigentlich das Ziel, Verbrauchern, Tierhaltern sowie sonstigen Akteuren der Branche tierfreundliche, über den gesetzlichen Mindeststandard hinausgehende, Haltungsverfahren zu ermöglichen. Das von der Branche entwickelte Kennzeichen Haltungsform wurde eingeführt, um die vielfältigen „Tierwohl“-Initiativen in einheitliche Stufen einzusortieren, anhand derer Verbraucher das Mehr an Tierfreundlichkeit schnell bewerten können. Diese Zielsetzung der Label (QM+ und Haltungsform) wird in der Bewertung und Vermarktung der Haltungsform von Milchkühen ad-absurdum geführt.


Zwei Stunden Bewegung


So wird die Anbindehaltung in Kombination mit zeitweiser Bewegung als höherwertige, tierfreundlichere Haltungsform bewertet. Die Betriebe kommen schon in Haltungsform Stufe 2, wenn ihre Kühe nur noch 245 Tage im Jahr ganztägig angebunden sind und ihnen an 120 Tagen im Jahr für jeweils zwei Stunden Bewegung angeboten wird. Diese zweistündige Bewegung kann entweder über die Weide, aber auch über eine Bewegungsbox (wie für trockenstehende oder abkalbende Kühe) oder einen Laufhof erfolgen.


Mit diesen Anforderungen möchte die Branche eine höhere Zahlungsbereitschaft von Verbrauchern erreichen und Auslistungen niedriger Stufen als Tierwohlstrategie vermarkten – für ProVieh ein schlechter Scherz. Aber auch für viele der Milchviehbetriebe wird diese Einordnung für Frust sorgen. Denn in die gleiche Haltungsformstufe 2 werden Laufställe eingeordnet. Diese Stufenausgestaltung ist weder mit Blick auf die Lebensrealität der Tiere noch aus Verbrauchersicht begründbar. ProViehs Forderung für die Vermarktung: die gesetzlich verpflichtende Haltungskennzeichnung anhand von wissenschaftlich basierten Kriterien.


Die Ampel-Regierung hat Ende November im Koalitionsvertrag das Verbot der Anbindehaltung endlich angekündigt. Die Gretchenfrage: Wird dieses zunächst nur die ganzjährige Anbindehaltung betreffen oder setzt die Bundesregierung auch der zeitweisen und saisonalen Fixierung von Rindern ein Enddatum?


Unabhängig davon ist klar: Betroffene Betriebe müssen beim Umbau zugleich finanziell, organisatorisch und genehmigungstechnisch großzügig unterstützt werden.


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kirsten.gierse-westermeier@topagrar.com


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