Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Milchpreis Maisaussaat Ackerboden Rapspreis

Aus dem Heft

Rinder töten – ohne Stress!

Lesezeit: 6 Minuten

Bei ganzjähriger Freiland­haltung der Rinder kann der Kugelschuss auf der Weide eine stressfreie Tötungs-methode sein. Wie setzen Praktiker dieses Schlacht­verfahren um?


Das Wichtigste zu den Themen Rind + Milch mittwochs per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Bei der ganzjährigen Weidehaltung können Rinder am besten ihr natürliches Verhalten ausleben – zumindest bis der Tag der Schlachtung kommt. Denn dann werden sie zusammengepfercht, verladen und zum Schlachthof transportiert. Dort angekommen, prasseln unzählige neue Eindrücke auf sie ein. Die Stressbelastung ist bei dieser Prozedur enorm, nicht selten geraten sie sogar in Panik.


Das hat Konsequenzen für die Schlachtung: Bereits jetzt schätzt die Bundesregierung die Fehlbetäubungsrate in der industriellen Rinderschlachtung auf bis zu neun Prozent, bei panischen Tieren dürfte sie sogar noch höher liegen. Dabei schreibt die Tierschutzschlachtverordnung doch eine Schlachtung vor, bei der den Tieren „nicht mehr als die unvermeidbare Aufregung, Schmerzen, Leiden oder Schäden verursacht“ wird.


Kurz und schmerzlos:

Mit dem Kugelschuss kann das alles vermieden werden. Bei diesem Schlachtverfahren wird direkt auf der Weide mit einem Gewehr ein Kopfschuss auf das Rind abgegeben. Das Projektil verursacht den sofortigen Hirntod, ohne dass es vorher fixiert werden muss, wie es beim konventionellen Bolzenschuss nötig ist. Die Tötung des Tieres durch Entbluten erfolgt direkt im Anschluss mittels Hals- oder Bruststich. Dann erst wird der Schlachtkörper zum Schlachtbetrieb gebracht.


Das Verfahren bietet viele Vorteile: Zum einen entfällt das oft gefährliche Einfangen und Verladen der Tiere und man kann dadurch Arbeitszeit einsparen. „Doch auch aus Sicht des Tierschutzes ist es das schonendste Tötungsverfahren überhaupt“, sagt Lea Trampenau, die sich mit ihrer Firma Innovative Schlacht-Systeme (ISS) auf die Beratung von Behörden und Landwirten rund um den Kugelschuss spezialisiert hat


Das hat auch der Gesetzgeber erkannt und im November 2011 eine Änderung der Lebensmittelhygieneverordnung in Kraft gesetzt, die das Töten auf der Weide bei ganzjähriger Freilandhaltung ausdrücklich erlaubt. Mittlerweile praktizieren bereits über 100 deutsche Landwirte den Kugelschuss. „Und das Interesse wächst“, so Trampenau.


Ämter mischen mit.

Wer diese Methode anwenden möchte, hat einige behördliche Auflagen zu erfüllen. Will der Landwirt den Schuss selbst durchführen, muss er einen Sachkundenachweis haben, der ihn zum Töten von Rindern sowie zum Umgang mit der Schusswaffe berechtigt. Mehrtägige Kurse, bei denen auch anatomische und lebensmittelrechtliche Kenntnisse vermittelt werden, bietet beispielsweise das Landwirtschaftliche Bildungszentrum in Echem an.


Als nächstes muss die Genehmigung des zuständigen Veterinäramtes vorliegen. Aus Erfahrung weiß Lea Trampenau, dass es in den Amtsstuben durchaus geteilte Meinungen über den Weideschuss gibt: „Einige Ämter zeigen sich durchaus aufgeschlossen, andere sind eher skeptisch. Ich empfehle daher, die Veterinäre zu einer praktischen Durchführung einzuladen und in die Pläne mit einzubeziehen.“ Ebenfalls vorliegen muss die Erlaubnis vom Ordnungsamt, die Tiere mit einer Schusswaffe töten zu dürfen.


Der erste Schuss muss sitzen!

Wichtigster Faktor für den Erfolg der Tötungsmethode Kugelschuss ist der Schütze. Denn für einen sofortigen Hirntod mit tiefer Betäubung muss exakt in die Gehirnhöhle des Rindes geschossen werden. Diese liegt bei senkrechtem Einschuss ca. zwei Zentimeter über dem Kreuzungspunkt zweier gedachter Linien zwischen Augen und dem gegenüberliegenden Hornansatz (siehe Zeichnung).


„Erfahrung und Können sind alles entscheidend. Denn ein unplatzierter Schuss kann dem Rind Leiden zufügen und damit einen großen Vorteil des Verfahrens zunichte machen“, sagt Trampenau. „Wer wenig Routine mit dem Schießen hat, sollte das am Besten von einer erfahrenen Person mit entsprechender Qualifikation erledigen lassen.“ Das könnte zum Beispiel ein routinierter Jäger sein.


Noch weiter geht der Vorschlag von Katrin Juliane Schiffer, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachgebiet Agrartechnik an der Universität Kassel Witzenhausen. Ihre Idee ist, dass der Kugelschuss als Dienstleistung von spezialisierten Metzgern angeboten werden könnte. Damit wäre eine optimale Durchführung der Schlachtung sichergestellt.


Genauso gewissenhaft wie der Schuss muss auch die Überprüfung der Betäubungswirkung erfolgen: Sofortiges Zusammenbrechen, unregelmäßige Atmung und keine Augenbewegungen sind eindeutige Zeichen für den Hirntod des Tieres. Ist der nicht eindeutig eingetreten, muss sofort nachgeschossen werden. Erst dann kann das Tier entblutet werden.


Nähe zum Schlachter:

Eine wichtige Voraussetzung für den Weideschuss ist, dass sich in der näheren Umgebung ein Schlachtbetrieb findet, der die Tiere verarbeitet. Denn laut der tierischen Lebensmittel-Hygieneverordnung darf die Transportdauer des Schlachtkörpers höchstens eine Stunde betragen. Anlie­ferungstermine und -bedingungen sollten daher im Vorfeld mit dem Fleischer abgestimmt werden, rät Lea Trampenau.


Bei weiteren Entfernungen zum Schlachthof kann außerdem die Anschaffung eines speziellen Pkw-Anhängers sinnvoll sein. Wie der ausgeführt werden muss, hängt wiederum von den Auflagen der Behörden ab. So fordern manche Veterinärämter einen Wagen, der zum Entbluten mit einer Auffangwanne unter der Ladefläche ausgerüstet ist.


Ob der Schuss auf der Weide wirtschaftliche Vorteile gegenüber einer konventionellen Schlachtung hat, hängt vor allem von den betriebsindividuellen Gegebenheiten ab: Wieviel Arbeitszeit kann eingespart werden? Ist ein Schlachtbetrieb in der Nähe? „Entscheidend ist auch, ob das Verfahren bei der Direktvermarktung eine Rolle spielt und durch den ‚Tierschutz-Pluspunkt’ eventuell höhere Preise erzielt werden können“, sagt Katrin Juliane Schiffer.


Bessere Fleischqualität?

Derzeit wird von der Universität Kassel gemeinsam mit dem Beratungs- und Schulungs­institut für Tierschutz bei Transport und Schlachtung (bsi) in Schwarzenbek erforscht, ob der Kugelschuss auch zu einer besseren Fleischqualität führt.


Zwei Punkte lassen sich laut Schiffer bereits jetzt festhalten:


  • Beim Kugelschuss tritt DFD-Fleisch verfahrensbedingt nicht auf. Bei diesem Qualitätsmangel ist das Fleisch bedingt durch Stress unmittelbar vor der Schlachtung dunkel, fest und trocken, („dark, firm, dry“) und wird daher als minderwertig eingestuft.
  • Da die Tiere weder lebend transportiert noch fixiert werden, kommen Blutergüsse am Schlachtkörper ebenfalls nicht vor, was besonders bei behornten Rassen wichtig ist.


Deutschland als Vorreiter:

In Deutschland gibt es nun eine eindeutige gesetzliche Grundlage für den Kugelschuss. „Die Landwirte sollten angesichts der noch herrschenden Skepsis in einigen Veterinärämtern unbedingt auf eine korrekte und transparente praktische Durchführung achten, um das Verfahren nicht in Misskredit zu bringen“, betont Katrin Juliane Schiffer. Und weiter: „Dann könnte sich der Kugelschuss in Deutschland weiter durchsetzen und vielleicht auch in weiteren europäischen Staaten Schule machen.“ Tjade Gronau

Die Redaktion empfiehlt

top + Zum Start in die Maisaussaat keine wichtigen Infos verpassen

Alle wichtigen Infos & Ratgeber zur Maisaussaat 2024, exklusive Beiträge, Videos & Hintergrundinformationen

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.