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Jungrinder: Die goldene Mitte finden

Im Artikel „Tränke: Wenn Kälber wählen könnten“ in der Ausgabe 5/2018 wird gezeigt, dass eine bedarfsgerechte Kälberaufzucht ein Tränkeanrecht von 12l/Tag bis zum 49. Lebenstag erfordert.

Lesezeit: 11 Minuten

Im Artikel „Tränke: Wenn Kälber wählen könnten“ in der Ausgabe 5/2018 wird gezeigt, dass eine bedarfsgerechte Kälberaufzucht ein Tränkeanrecht von 12l/Tag bis zum 49. Lebenstag erfordert. Diese intensiv aufgezogenen Kälber werden deutlich früher geschlechtsreif, was eine Umstellung auf eine energie- und proteinärmere Ration bereits zum Ende des ersten Lebenshalbjahres erfordert. Kriterium für die Wahl des richtigen Zeitpunktes der Umstellung ist die Kondition der Jungrinder. Sie kann auch als Selektionskriterium für die Zulassung zur Zucht genutzt werden.

 

An der Hochschule Neubrandenburg werden seit 2009 in Zusammenarbeit mit 27 landwirtschaftlichen Unternehmen in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg Erhebungen zur Konditionsentwicklung weiblicher Kälber und Jungrinder bei unterschiedlicher Aufzuchtintensität durchgeführt. Von diesen Tieren werden Leistungen – Fruchtbarkeit, Gesundheit, Milchleistung – nach Alters- und Konditionsklassen ausgewertet, und daraus Empfehlungen für eine optimale Kondition im Wachstumsverlauf abgeleitet.


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Die Bonituren wurden nach dem BCS-Schema nach EDMONSON et al. (1989), ergänzt durch das Merkmal „seitliche Brunstwand“ nach RASCHKE (2007), durchgeführt. Diese Methode ist leicht erlernbar und nach einiger Übung sicher und schnell durchführbar. Die Bewerter sollten auf gleicher Höhe mit den Tieren stehen, deren Fixierung nicht unbedingt erforderlich ist. Bei der Bonitur werden die in Abbildung 8 gekennzeichneten Körperpartien des Rindes mit der Hand abgetastet, um die Fettauflage zu beurteilen. Die Noten werden für die Kondition mager (BCS 1,0) bis fett (BCS 5,0) vergeben und anschließend zu einem Mittelwert über die 9 Merkmale zusammengefasst. Aus den Beziehungen zwischen der Kondition in der Aufzucht und den Leistungen der Kühe bis zum Abgang aus den Beständen konnten folgende Konditionsklassen (KK) für Jungrinder ab der Geschlechtsreife abgeleitet werden: KK „niedrig“: BCS < 3,0; KK „mittel“: BCS 3,1 – 3,4; KK „hoch“: BCS ≥ 3,5

 

Fruchtbarkeit und Gesundheit in Abhängigkeit von der Kondition in der Aufzucht



Färsen mit hoher Kondition werden signifikant früher zuchtreif und kalben dadurch früher ab als Färsen mit mittlerer und niedriger Kondition (Abb. 1a), werden jedoch später tragend, was zu einer um 10% geringeren Trächtigkeitsrate aus Erstbelegung (EB) führt. Der Kalbeverlauf ist bei hoch konditionierten Färsen signifikant schlechter als bei Färsen mit geringerer Kondition und die Totgeburtenrate 2 bis 5%- Punkte höher. Die signifikant spätere Zuchtreife und tendenziell erhöhte Verzögerungszeiten niedrig konditionierter Färsen führen zu einem signifikant höheren Erstkalbealter (EKA) im Vergleich zu den KK „mittel“ und „hoch“. Diese Färsen zeigen den gleichen Kalbeverlauf, haben jedoch mehr Totgeburten als mittel konditionierte Färsen. Insgesamt ist die Totgeburtenrate aller Färsen dieser Untersuchungen jedoch zu hoch.

Die Auswirkungen einer hohen Kondition in der Aufzucht auf die Fruchtbarkeit zeigen sich signifikant bis zur 7. Kalbung (Abb. 2). Die signifikant höhere Rastzeit ist zum Teil wegen hoher Milchleistungen freiwillig verlängert worden. Mit 11 Tagen im Durchschnitt sind jedoch ein Kriterium für eine signifikant schlechtere Fruchtbarkeit dieser Tiere im Vergleich zu Kühen der KK „mittel“ und „niedrig“.



Kühe mit mittlerer Kondition in der Aufzucht erkranken bis zur 7. Laktation weniger häufig als Kühe, die als Färsen in niedriger oder hoher Kondition standen (Abb. 3a, 3,0 vs. 3,5). Während 51% der Kühe der KK „mittel“ 3 Mal und mehr erkrankten, beträgt dieser Anteil bei der KK „hoch“ 59% und der KK „niedrig“ 57%. Die Erkrankungsrate von Kühen der KK „hoch“ liegt in der 1. und 2. Laktation bei 81 und 84% und sinkt in der 3. Laktation auf 77% (Abb. 3b). Ab der 2. Laktation erkranken Kühe, die in der Aufzucht niedrig konditioniert waren, ebenso häufig wie Kühe der Jungrinder-KK „hoch“. Mit 71 und 61% liegt die Erkrankungsrate von Kühen der KK „mittel“ in der 2. und 3. Laktation bis 16 Prozentpunkte darunter.



Milchleistung in Abhängigkeit von der Kondition in der Aufzucht



In der 1. Laktation sind 20% der Jungkühe aus dem gesamten Bestand ausgeschieden (Abb. 4a). Diese Abgangsrate ist für Milchviehbestände entschieden zu hoch. Von der KK „hoch“ sind 44% davon vor dem 60. Tag abgegangen, von der KK „mittel“ 35%. In der Milchleistung der 1. Laktation sind die mittel konditionierten Jungkühe sowohl hinsichtlich der gesamten als auch der auf 305-Tage korrigierten Milchmenge den anderen Jungkühen tendenziell leicht überlegen.

Die Schwellenwerte in der Effektivität liegen bezogen auf die Melktage bei 30kg Milchmenge, bzgl. der Nutzungstage bei 25kg und bzgl. der Lebenstage bei 15kg (WANGLER, 2010; NAUMANN, 2011; Abb. 4b). Diese werden von den hier ausgewerteten Milchkühen im Mittel nicht erreicht. Man muss jedoch berücksichtigen, dass in der KK „mittel“ noch 15% der Tiere in Leistung stehen, bei den KK „niedrig“ und „hoch“ sind es nur noch 10 bzw. 8 %. Tendenziell sind Kühe, die in der Aufzucht hoch konditioniert waren, bezogen auf die gesamte Lebens- und Nutzungsdauer nicht effektiv. Sie liegen zwischen 1,3kg Milch je Melk- und Nutzungstag sowie 0,3kg je Lebenstag unter den Leistungen der KK „mittel“. In der Aufzucht niedrig konditionierte Kühe erreichen 0,2kg Milchmenge weniger je Melk- und Nutzungstag als Kühe der KK „mittel“. In der Lebenseffektivität sind es 0,6kg Milch je Tag, diese Differenz ist signifikant. Diese Leistungen sind auf die höhere Nutzungsdauer von in der Aufzucht mittel konditionierten Tieren zurück zu führen. Zum gegenwärtigen Stand der Auswertungen erreichen Kühe der KK „mittel“ eine 0,3 bis 0,4 Jahre höhere mittlere Nutzungsdauer als Kühe der KK „niedrig“ und „hoch“.



Abbildung 4a und b: Effektivität der Milchleistung in Abhängigkeit von der Kondition in der Aufzucht (* für p < 0,05)

 

Optimale Kondition in der Aufzucht


Aus den Beziehungen zwischen der Kondition in der Aufzucht und den Leistungen der Milchkühe lassen sich folgende Empfehlungen für eine optimale Kondition von Kälbern und Jungrindern ableiten:

1.Zum Absetzen mit 70 Lebenstagen ist eine BCS-Note von mindestens 2,75 zu erreichen. Dies erfordert eine intensive Kälberaufzucht mit mindestens 10, besser 12l Tränkeanrecht bis zum 49. Lebenstag.

2.Zur Geschlechtsreife ist eine Kondition der Jungrinder, die einer BCS-Note von 2,9 bis 3,25 entspricht, anzustreben.

3.Färsen stehen zum EBA in optimaler Zuchtkondition mit Konditionsnoten im Bereich von BCS 3,1 bis 3,4.

Im Folgenden wird dargestellt, wie diese Konditionsnoten in der praktischen Jungrinderaufzucht realisiert werden können. Die erste Voraussetzung, die intensive Kälberaufzucht, wurde in der Ausgabe 04/2018 der top agrar erläutert.

Im Rahmen des Projektes zur Konditionsentwicklung von Aufzuchtrindern wurden 142 Tiere vom Absetzen bis zum EBA mehrfach bonitiert und nach der Kondition zum EBA klassifiziert. Bei der Berechnung der Beziehungen zwischen den Konditionsnoten der einzelnen Altersabschnitte zeigten sich signifikante Korrelationen (r = 0,47 - 0,56) zwischen der Kondition im Alter von 5 bis 6 Monaten zum Alter von 9 bis 13 Monaten und zum EBA (Tab. 1). Diese Beziehungen ermöglichen es, mit Beginn der Geschlechtsreife korrigierend auf die Konditionsentwicklung Einfluss zu nehmen.



Tabelle 1: Korrelationen zwischen den Konditionsnoten der Altersgruppen (Anzahl bonitierte Tiere: 142, ** p < 0,01)





Färsen mit optimaler Kondition zum EBA wurden nach Erreichen der Geschlechtsreife mit wenigen Ausnahmen mit mittleren Noten bewertet (Abb. 5). Die Trendlinie zeigt einen gleichmäßigen, moderaten Anstieg über den gesamten Verlauf. Mit 10 bis 12 Lebensmonaten wird die optimale Zuchtkondition erreicht und bleibt auf dem Niveau von 3,1 bis 3,4, das für die Zuchtreife im Alter von 13 bis 14 Monaten angestrebt wird.



Nach dem Absetzen muss die Intensität der Aufzucht rechtzeitig herabgesetzt werden, damit hoch konditionierte Jungrinder zum EBA eine optimale Kondition erreichen (Abb. 6). Alle Färsen, die im EBA zu hoch konditioniert waren, standen bis zum Alter von 6 bis 8 Monaten, d.h. zur Geschlechtsreife, in optimaler, mittlerer Kondition. Da einige Jungrinder durch intensives Wachstum früher die Kondition erreichen, in der sie bis zum EBA bleiben sollen, müssen sie früher in die restriktive Aufzuchtphase umgestellt werden. Das kann bei einzelnen Tieren durchaus im 5. Lebensmonat der Fall sein. Da dies zumeist nur 2 bis 3 Tiere in Gruppen von 20 bis 30 Tieren betrifft, ist der Aufwand für diese „Sonderbehandlung“ relativ gering. Wenn Kälber oft hohe MAT-Mengen abrufen, vital sind und sich kontinuierlich auf hohem Niveau entwickeln, sind sie dem Betreuungspersonal bekannt. Sie werden nach dem Absetzen weiter beobachtet und früher in die nächste Altersgruppe umgesetzt. Werden die hoch konditionierten Jungrinder nicht rechtzeitig umgestellt, ist später keine Korrektur mehr möglich. Die besten Kälber werden dann fette Färsen mit den Folgen, die sich in diesen Untersuchungen bei der KK „hoch“ zeigen.



Da zum EBA niedrig konditionierte Färsen in der Regel während der gesamten Aufzucht die optimale Kondition nicht erreichen (Abb. 7), sollte die Beurteilung der Konditionsentwicklung nach der Geschlechtsreife genutzt werden, um Selektionsentscheidungen zur Zucht zu treffen. Jungrinder, die im Alter von 10 bis 12 Monaten mit BCS-Noten unter 2,9 bewertet werden und mehrfach krank waren (KK „niedrig“), sollten nicht zur Zucht zugelassen werden. Die zu erwartende geringe Nutzungsdauer und Effektivität rechtfertigen keine höheren Kosten für Behandlungen, die in der Folge zu geringer Aufzuchtleistungen entstehen.



 

Futteraufnahme von Jungrindern



Intensiv aufgezogene Kälber können als Jungrinder mehr Futter aufnehmen, als derzeit für Rationsberechnungen üblicherweise angenommen wird. In diesen Untersuchungen betrug die mittlere Aufnahme einer intensiven TMR mit 10,7 MJ ME und 157g XP/kg Trockenmasse (TM) von Kälbern bis zum Alter von 7 Monaten bis zu 7kg TM pro Tier und Tag (Tab. 2). Somit kann der Energie- und Proteinbedarf der Kälber bis zur Geschlechtsreife mit einer Ration für Milchkühe (20 bis 25kg Milch/Tag) gedeckt werden. Ab der Geschlechtsreife kann für die Jungrinder nach dem derzeitigen Stand der Untersuchungen eine Ration für Trockensteher eingesetzt werden.



Tabelle 2: Mittlere Futteraufnahme von Kälbern und Jungrindern sowie Energie- und Proteingehalt der eingesetzten TMR



Zusammenfassung



Der erste sensible Altersabschnitt im Leben eines Rindes umfasst die ersten sieben Lebenswochen, in denen ihm das volle Tränkeanrecht von 12l angeboten werden muss. Danach beginnt die intensive Aufnahme fester Futtermittel und die Kälber können abgetränkt werden. Dies erfordert den bis zum Absetzen zunehmenden Einsatz einer Ration für Milchkühe mit 20 - 25kg Milchleistung/Tag, die 10,5 – 11,0 MJ ME und 145-160 g XP/kg TM enthalten sollte.

Diese intensive Kälberaufzucht erfordert eine angepasste Strategie der Jungrinderaufzucht. Bei 12l Tränkeanrecht bis zum 49. Lebenstag und Absetzen am 65. bis 70. Tag erreichen die Kälber mit 6 Monaten die Geschlechtsreife und müssen in die restriktive Phase umgestellt werden. Die Geschlechtsreife ist der zweite sensible Altersabschnitt. Die Kälber werden Jungrinder und es erfolgt die zweite Umstellung in der Fütterung: jetzt wird eine Trockensteher-Ration mit 9,2 - 9,7MJ ME und 125 - 130g XP je kg TM verabreicht. Da einzelne Tiere die optimale Kondition früher erreichen, muss die Umstellung für diese Jungrinder individuell erfolgen. Die Bewertung der Kondition ist dafür ein Kontrollinstrument, das einfach und sicher anwendbar ist. Kriterium für den Zeitpunkt der Umstellung ist das Erreichen einer Kondition von BCS 3,25.

Als dritter sensibler Altersabschnitt kann das Ende des ersten Lebensjahres gesehen werden. In diesem Alter sollte die Entscheidung zur Zuchtzulassung getroffen werden, was insbesondere häufig erkrankte und dadurch niedrig konditionierte Jungrinder betrifft. Sie sollten selektiert und nicht zur Zucht zugelassen werden. In optimaler Kondition stehen Färsen zur Zuchtreife mit einem BCS von 3,1 bis 3,4.

Die Strategie der intensiven Kälber- und Jungrinderaufzucht, die dies ermöglicht, lässt sich somit vereinfacht zusammenfassen:

ÞKälber intensiv aufziehen, Jungrinder ab Geschlechtsreife restriktiv

ÞUmstellung in der Aufzuchtintensität zur Geschlechtsreife in Abhängigkeit von der Kondition, BCS nicht unter 2,9 und nicht über 3,25

Þniedrig konditionierte, häufig erkrankte Jungrinder nicht zur Zucht zulassen, BCS < 2,9 im Alter von 10-12 Monaten

 

Fazit: Strategie der Kälber- und Jungrinderaufzucht

  • Kälberaufzucht mit 12l Tränkeanrecht bis zum 49. Lebenstag, Absetzen 65. bis 70. Lebenstag, Kondition: BCS-Note mindestens 2,75
  • Intensive Aufzucht der Kälber bis zur Geschlechtsreife, Kondition: BCS bis 3,25 Ration für Milchkühe, 20 – 25kg Milchleistung/Tag mit 10,5 – 11,0 MJ ME und 145 – 160 g XP/kg TM
  • Umstellung auf geringere Fütterungsintensität zur Geschlechtsreife in Abhängigkeit von der Kondition: ab 6. Lebensmonat (in Einzelfällen ab 5. Lebensmonat) Tiere individuell umstellen, BCS mindestens 2,9, maximal 3,25, ab Geschlechtsreife bis zur Zuchtreife Ration für Trockensteher mit 9,2 – 9,7 MJ ME und 125 – 130g XP je kg TM
  • Optimale Kondition: Jungrinder und Färsen ab 6. Lebensmonat bis zum EBA: BCS 3,1 bis 3,4
Verfahren der Bonitur von Jungrindern nach dem BCS-Schema




Abbildung 8: 9 Körperstellen für die Beurteilung nach dem BCS-Schema (nach EDMONSON et al., 1989 ergänzt nach RASCHKE, 2007)



1. Dornfortsätze der Lendenwirbelsäule

2. Verbindung zwischen Dorn- und Querfortsätzen der Rückenwirbel

3. Querfortsätze der LW

4. Übergang von den Querfortsätzen der LW zur Hungergrube/Sims

5. Sitzbein- und Hüfthöcker (SBH, HH)

6. Bereich zwischen Sitzbein- und Hüfthöcker (SBH, HH)

7. Hinteransicht eines gedachten Querschnittes durch beide HH

8. Beckenausgangsgrube

9. Seitliche Brustwand

 

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