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Milcherzeugerpreise durch EEX Future Kontrakte absichern? Worauf zu achten ist!

Seit Jahren wird die Möglichkeit Milchauszahlungspreise über die Warenterminbörse abzusichern diskutiert; ein Thema das den praktischen Landwirt aber auch Molkereien, Politik und Verbände bewegt.

Lesezeit: 9 Minuten

Seit Jahren wird die Möglichkeit Milchauszahlungspreise über die Warenterminbörse abzusichern diskutiert; ein Thema das den praktischen Landwirt aber auch Molkereien, Politik und Verbände bewegt. Gerade in Zeiten vergleichsweise hoher Milchpreise wird Landwirten geraten, dieses Preisniveau über Börsenkontrakte abzusichern. Doch für den größten Teil der Milcherzeuger scheint dies nicht in Frage zu kommen.  Ein wichtiger Faktor für die Zurückhaltung der Landwirte ist, dass sie ihren Milchpreis bisher nur über den Umweg des Verkaufes von Börsenkontrakten auf Magermilchpulver und Butter absichern konnten. Dies wird sich jedoch ab dem Sommer dieses Jahres ändern. Die EEX in Leipzig hat angekündigt ab dem 15. August einen Flüssigmilchkontrakt anzubieten.  Das Institut für Ernährungswirtschaft und Märkte (IEM) der bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft hat im Zusammenhang mit dieser wichtigen Neuerung analysiert, wie die Milchauszahlungspreise deutscher Molkereien durch Warentermingeschäfte effektiv abgesichert werden können und welche Faktoren dabei eine entscheidende Rolle spielen.  Die Studie wurde in Abstimmung mit dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft erstellt und durch die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung in Form von Datenlieferungen unterstützt. Als Datenbasis dienten die von deutschen Molkereien über einen Zeitraum von sechs Jahren (Jan. 2012 – Dez. 2017) monatlich ausgezahlten Preise für konventionelle Milch. Insgesamt wurden 220 Preiszeitreihen einzeln analysiert und die Ergebnisse je nach Standort des Molkereibetriebes regional zusammengefasst.

 

Die Studie

Die wichtigste Voraussetzung für jede erfolgreiche Preisabsicherung über die Börse ist ein möglichst paralleler Verlauf des Börsenpreises und des Marktpreises des physischen Produktes – was in unserem Fall dem Milchpreis entspricht, den ein Landwirt von seiner Molkerei ausgezahlt bekommt. Je ungleicher sich diese Preise entwickeln, desto höher ist das sogenannte Basisrisiko (Abbildung 1).  Um aus den Börsenpreisen für Butter und Magermilchpulver einen entsprechenden Börsenwert für Rohmilch zu errechnen, wurden verschiedene  Formeln entwickelt, die entsprechend der durchschnittlichen Milchinhaltsstoffe auf einem Bedarf von ca. 105.000 kg Rohmilch für die Herstellung von ca. 5 t Butter und 10 t Magermilchpulver basieren (z.B. ife Kiel oder Top Agrar). Daraus wurde dann die vielzitierte und dennoch leider falsche Empfehlung entwickelt, mittels zweier Kontrakte Magermilchpulver und einem Kontrakt Butter eine Rohmilchmenge von eben 105.000 kg absichern zu können.  Diese Empfehlung stellt sich bei genauerem Hinsehen als ungeeignet dar und kann das finanzielle Risiko eines Betriebes sogar erheblich erhöhen. Durch die großen Abweichungen im Verlauf des so errechneten Börsenmilchpreises und den Milchpreisen der einzelnen Molkereien gleichen sich Zugewinne und Verluste an der Börse und aus dem Milchverkauf nicht oder nur mit großer Verzögerung aus. In der Folge müssen für die Bedienung der sogenannten Margin Calls so hohe Geldbeträge vorgehalten werden, dass der Absicherungsgedanke ad absurdum geführt wird.


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Abbildung 1: Verlauf Börsenrohstoffwert Milch, historischer Preisindex Flüssigmilch und durchschnittliche Milchauszahlungspreise in den Regionen in ct/kg (2012-17)




 

 

Trotzdem ist eine Absicherung des Milchpreises durch MMP und Butter möglich!

Die Studie des IEM zeigt, dass eine Absicherung der Milchauszahlungspreise deutscher Molkereien über ein Sicherungsgeschäft mit Warenterminkontrakten auf Butter und Magermilchpulver trotzdem möglich ist! Um dies zu erreichen, müssen jedoch zwei Faktoren zwingend beachtet werden.  


- Die zeitliche Verzögerung zwischen dem Milchauszahlungspreis einer jeweiligen Molkerei und der Preisentwicklung an den Produktmärkten: Für den Großteil der untersuchten Molkereien liegt diese Verzögerung zwischen 2-4 Monaten. Dabei zeigen sich regionale Unterschiede. Im Süden Deutschlands ist die Verzögerung mit durchschnittlich 3,4 Monaten am längsten, im Nordwesten mit 2,4 Monaten am kürzesten. 


- Das optimale Absicherungsverhältnis: Der Preisverlauf der aus einem Absicherungsgeschäft mit zwei Kontrakten Magermilchpulver und einem Kontrakt Butter gegenüber 105.000 kg Rohmilch resultiert, schwankt erheblich stärker als die Milchauszahlungspreise deutscher Molkereien. Dies kann der Landwirt ausgleichen, indem er dem Börsengeschäft eine entsprechend höhere Milchmenge gegenüberstellt.  Abbildung 2 zeigt nach Regionen zusammengefasst, welche Milchmengen hierfür notwendig sind. Für Landwirte die süddeutsche Molkereien beliefern liegt die Milchmenge im Mittel bei 165.000 kg, im Norden Deutschlands liegt man etwas niedriger bei etwa 135.000 kg. Diese regionale Verteilung ist auf das Nord-Süd Gefälle der Milchpreisschwankung zurückzuführen. Umso geringer die Schwankung, desto höher ist die notwendige Milchmenge.  Die Kastengrafik in Abb. 2 zeigt neben dem Mittelwert auch die Spannbreite in der die Werte für die einzelnen Molkereien liegen. Es zeigt sich eindeutig, dass für keine der untersuchten deutschen Molkereien eine Rohmilchmenge von 105.000 kg ausreicht. Und dabei ist noch nicht einmal die Empfehlung berücksichtigt nie das gesamte Produktionsvolumen abzusichern um Produktionsausfällen vorzubeugen. Damit kommt die einzelbetriebliche Absicherung nur für sehr große Betriebe in Frage.


Abbildung 2: Optimale Milchmenge zur Absicherung über 2 Kontrakte MMP und 1 Kontrakt Butter




 

Von welch entscheidender Bedeutung es ist, diese Faktoren zu berücksichtigen ergibt sich aus Tabelle 1. Darin werden drei verschiedene Absicherungsvarianten hinsichtlich ihrer Risikominderung gegenüber dem ungesicherten Milchauszahlungspreis verglichen. Als Risikokennzahl wurde der maximale Preisrückgang in ct/kg errechnet, der im Beobachtungszeitraum (2012-2017) innerhalb von 18 Monaten aufgetreten wäre. Für die Auszahlungspreise der Molkereien betrug dieser maximale Preisverfall je nach Region zwischen 11,7 Cent/kg im Süden und 14,4 Cent/kg im Nordosten. 


Tabelle 1: Maximaler Rückgang im effektiven Preisverlauf innerhalb 18 Monaten ohne Absicherung bzw. mit Absicherungsvarianten über MMP und Butter sowie den zukünftigen Flüssigmilchindex


  SüdMittel-WestMittel-OstNord-WestNord-Ost
Milchpreis (ohne Absicherung)11,712,713,414,114,4
MMP + ButterVariante 1 (2 MMP + 1 BUT vs. 105.000 kg)17,016,716,115,315,6
Variante 2 (Verzögerung berücksichtigt)11,110,89,39,710,1
Variante 3 (Verzögerung und optimale Milchmenge berücksichtigt)6,77,66,26,97,7
Preisindex – DE, DK, NL, IEVariante 1 (1 Kontrakt Flüssigmilch vs. 25.000 kg)5,75,84,75,25,8
Variante 2 (Verzögerung berücksichtigt)5,05,14,54,54,7
Variante 3 (Verzögerung und optimale Milchmenge berücksichtigt)4,65,24,64,74,7

Zwei Punkte sind hierbei herauszustellen. Zum einen, dass durch eine Anwendung der vielzitierten Standard-Empfehlung (Variante 1) das Preisrisiko sogar weit höher ausfällt als ohne jegliche „Absicherung“. Wird jedoch je Molkerei die zeitliche Verzögerung berücksichtigt und das optimale Mengenverhältnis gewählt, kann das Preisrisiko durch die Milchprodukt-Futures erheblich gesenkt werden. Je nach Region kann der maximale Verfall des effektiven Preises im Durchschnitt auf 6,2 – 7,7 Cent/kg beschränkt werden.  An diesem Punkt kommt es auf die Molkereien aber auch auf die im Agrarbereich tätigen Broker und Risikomanager an. Sie sollten in der Lage sein ihren Lieferanten und Kunden zumindest eine grobe Größenordnung für die Optimierung ihrer Absicherungsstrategie zur Verfügung zu stellen.  


Der geplante Flüssigmilchkontrakt sollte die einzelbetriebliche Absicherung erheblich verbessern und erleichtern.


Der Flüssigmilchkontrakt wird – wie auch die schon bestehenden Milchproduktkontrakte -  bar gegen einen Preisindex abgerechnet werden. Dieser wird laut EEX zu jeweils 25% aus den Milchpreisen der vier Länder Deutschland, Dänemark, Irland und Niederlande gebildet werden. Um untersuchen zu können, wie sich der neue Flüssigmilchkontrakt zur Absicherung der Milchpreise deutscher Molkereien eignet, errechnen wir auf dieser Basis rückblickend einen synthetischen, historischen Preisindex für die Jahre 2012-2017.  Schon aus Abbildung 1 wird ersichtlich, dass der Preisindex Flüssigmilch in seiner Zusammensetzung günstig gewählt ist. Er verläuft in einem weit engeren Zusammenhang mit den Milchauszahlungspreisen in Deutschland als der Börsenrohstoffwert.  Die Studienergebnisse zeigen, dass sich die Auszahlungspreise eines Großteils der Molkereien ohne zeitlichen Versatz mit dem Index bewegen; Abweichungen von mehr als einem Monat treten nur sehr vereinzelt auf. Auch hinsichtlich der optimalen Absicherungsmenge sind nur geringfügige Anpassungen gegenüber der im Kontrakt festgelegten Menge von 25.000 kg notwendig. Die optimale Rohmilchmenge, die Landwirte einem Sicherungsgeschäft mit einem Kontrakt Flüssigmilch gegenüberstellen sollten liegt in Süddeutschland etwa bei 27.000 kg. Lieferanten Norddeutscher Molkereien sollten mit etwa 22.000 kg kalkulieren (siehe Abbildung 3). Damit stellt die Preisabsicherung über die Warenterminbörse auch für Milchviehbetriebe mittlerer Größe eine realistische Möglichkeit dar. 


Abbildung 3: Optimale Milchmenge zur Absicherung über einen Kontrakt Flüssigmilch (25 t)




 


Die wichtigste Erkenntnis unserer Studie ist, dass sich die Handhabung der Preisabsicherung durch den geplanten Flüssigmilchkontrakt sehr stark vereinfachen wird. Denn anders als bei der Absicherung über MMP und Butter spielt die Optimierung der Absicherung auf die einzelne Molkerei nur eine untergeordnete Rolle. Selbst wenn Landwirte keine Anpassungen vornehmen, ist eine erhebliche Risikominderung zu erwarten. So kann bereits mit der Standard-Variante der Flüssigmilch-Absicherung der maximale Preisverfall auf Werte zwischen 5,2 – 5,8 Cent/kg beschränkt werden. Durch die Berücksichtigung einer möglichen Verzögerung und der optimalen Milchmenge werden dann nur noch geringfügige Verbesserungen erreicht.

 

Es bleibt also im Interesse der Milcherzeuger zu hoffen, dass der neu eingeführte Flüssigmilchkontrakt schnell genügend Interessenten auf Kauf- und Verkaufsseite anzieht, die das Orderbuch füllen und ein entsprechendes Handelsvolumen generieren. Denn nur ein liquide gehandelter Kontrakt kann als wirksames Instrument zur Preisabsicherung genutzt werden. In jedem Fall scheinen über die gegebene Konstruktion des Preisindizes Voraussetzungen vorzuliegen, die eine Nutzung attraktiv erscheinen lassen!  


Weiterführende Informationen


Zusammensetzung Regionen

Region Süd: Bayern, Baden-Württemberg

Region Mittel-West: Rheinland-Pfalz, Hessen, Nordrhein-Westfahlen

Region Mittel-Ost: Thüringen, Sachsen-Anhalt, Sachsen

Region Nord-West: Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern

Region Nord-Ost: Niedersachsen, Schleswig-Holstein


 

Varianten in Tabelle 1:

Absicherung über Magermilchpulver- und Butterkontrakte

Variante 1: 105.000 kg Rohmilch abgesichert durch 2 Kontrakte MMP + 1 Kontrakt Butter

Variante 2: Wie Variante 1, jedoch mit Berücksichtigung der optimalen zeitlichen Verzögerung je Molkerei

Variante 3: Berücksichtigung der zeitlichen Verzögerung und des optimalen Absicherungsverhältnisses je Molkerei.


Absicherung gegen Preisindex Flüssigmilch

Variante 1: 25.000 kg Rohmilch abgesichert durch 1 Flüssigmilchkontrakt

Variante 2: Wie Variante 1, jedoch mit Berücksichtigung der optimalen zeitlichen Verzögerung je Molkerei

Variante 3: Berücksichtigung der zeitlichen Verzögerung und des optimalen Absicherungsverhältnisses je Molkerei.


Erklärungstext Kastengrafik

Abbildung 2 zeigt die optimale Milchmenge die für die untersuchten deutschen Molkereien einem Börsengeschäft mit zwei Kontrakten Magermilchpulver und einem Kontrakt Butter gegenübergestellt werden sollte. Die Ergebnisse sind zur leichteren Darstellung nach Regionen zusammengefasst. Der Kasten zeigt die Spannbreite, in der die Hälfte der Ergebnisse der einzelnen Molkereien in den Regionen liegt. Der Strich innerhalb der Kästen bestimmt den Mittelwert, die vertikalen Striche außerhalb zeigen die Spannbreite der restlichen Ergebnisse an. Die Punkte repräsentieren Einzelwerte. 


Dr. Magnus Kellermann, Institut für Ernährungswirtschaft und Märkte – Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft

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