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Lesezeit: 6 Minuten

Mittels Geneditierung können Forscher die DNA von Rindern gezielt verändern. Verliert die EU in der Zucht den Anschluss?


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Die einen sehen ethische Grenzen fallen und lehnen die Methode strikt ab. Für die anderen ist es die Revolution der Züchtung: Geneditierung spaltet die Gemüter. Doch, wie weit vorangeschritten sind diese Techniken überhaupt in der Rinderzucht? top agrar hat nachgefragt.


Präzise Züchtungstechnik


Unter der Geneditierung sammeln sich molekularbiologische Züchtungsmethoden, die gezielt Veränderungen in der DNA, also im Erbgut von Pflanzen und Tieren erzeugen können. Die bekannteste dieser Techniken ist das als Genschere bezeichnete CRISPR/Cas (Clustured regularly interspaced short palindromic repeats/crispr associated).


Forscher können die Genschere in der Rinderzucht einsetzen, weil das Rindergenom vollständig bekannt ist. Dafür programmieren sie diese (vereinfacht) auf einen Zielort im Rindergenom und injizieren sie dann z.B. in eine befruchtete Eizelle. Dort zerschneidet die Technik die DNA an der gewünschten Stelle und erzeugt damit eine Mutation, die das Erbgut verändert.


Wie weit ist die Technologie?


„Weltweit forschen seit Jahren immer mehr Wissenschaftler mit dieser Technik“, sagt Dr. Björn Petersen vom Institut für Nutztiergenetik am Friedrich-Loeffler-Institut (FLI). „Auch in der Rinderzucht“, ergänzt Petersen. So gibt es veröffentlichte Studien zu Kühen, deren Milchzusammensetzung besser für Allergiker geeignet ist sowie über Rinder, die ein stärkeres Muskelwachstum haben oder genetisch hornlos sind.


In der breiten Öffentlichkeit bekannt sind beispielsweise die Forschungsprojekte von Wissenschaftlern der US-Firma Recombinetics: In 2015 erzeugten sie zu Versuchszwecken hornlose Bullen mittels Geneditierung. Ende 2018 präsentierten sie ein Anguskalb, das resistenter gegen Hitze sein soll.


Das kanadische Zuchtunternehmen Semex arbeitet mit Recombinetics zusammen. „Wir befinden uns mit dieser Technologie noch in der Entwicklungsphase“, erklärt Dr. Michael Lohuis, Vizepräsident der Abteilung Forschung und Innovation von Semex in Kanada. Für einen breiten Praxiseinsatz gibt es aktuell aber keine formalen Pläne.


Prof. Henner Simianer, Leiter der Abteilung für Tierzucht und Haustiergenetik an der Uni Göttingen, hält einen Praxiseinsatz in einigen Ländern innerhalb der nächsten Dekade für wahrscheinlich: „Staaten wie beispielsweise China, Brasilien und Argentinien sind solchen Technologien gegenüber sehr offen“, erklärt er.


Rasanter Zuchtfortschritt?


Das hitzeresistentere Anguskalb von Recombinetics trägt das „Slick-Gen“, durch das z.B. das Haarkleid kürzer und dichter ist. Ursprünglich trägt die Rasse Senepol dieses Gen. Anstatt es über Generationen mit Angusrindern zu kreuzen, um gewünschte Merkmale zu etablieren, soll die Geneditierung das erwünschte Gen schneller in die Population einbringen. Und das möglichst ohne den Zuchtfortschritt zu verringern. In näherer Zukunft liegt das größte Potenzial der Technik in der Bearbeitung von Merkmalen, die von einem oder wenigen Genorten bestimmt werden. So wie bei der Hornlosigkeit.


„Viele Merkmale, die Züchter beeinflussen wollen, entstehen allerdings durch ein komplexes Zusammenspiel unzähliger Gene. Vor allem aus den Bereichen Leistung und Tiergesundheit“, sagt Simianer. Er vergleicht das Problem mit einem großen Uhrwerk: „Wenn ich dort drei Zahnräder verändere, muss die Uhr nicht zwangsläufig besser laufen“. Dass die Geneditierung für den Zuchtfortschritt bei diesen Merkmalen nützen könnte, bezweifelt Simianer aktuell.


Björn Petersen sieht ebenfalls die Schwierigkeiten bei der Bearbeitung solcher komplexen Merkmale, sagt aber: „Wenn wir überhaupt komplexe Merkmale zeitnäher züchterisch beeinflussen wollen, dann ist die Chance mit Geneditierung am größten.“


Nicht Fehlerfrei


Fehler, die beim Einsatz von CRISPR/Cas entstehen können, sind sogenannte Off-Target-Effekte. Das heißt, dass die Genschere zusätzlich an einem anderen, dem Zielgenort ähnlichen, Punkt in der DNA schneidet. Dort entsteht dann eine ungewollte Mutation. „Diese Fehler sind durch eine Kontrolle des Genoms einfach zu finden“, sagt Petersen.


In den USA stoppte ein solcher Fehler 2019 z.B. einen Versuch mir mehreren hornlosen geneditierten Rindern. Denn Kontrollbehörden fanden die Bakterien-DNA der eingesetzten Genschere im Genom der Rinder. Damit hatten die Forscher ungewollt artfremde DNA in dem Erbgut der Rinder hinterlassen.


Bedeutung für Deutschland


Der Europäische Gerichtshof hat 2018 entschieden, dass geneditierte Tiere und Pflanzen unter die gentechnisch veränderten Organismen (GVO) fallen. Das heißt, dass sie einem aufwendigen Kennzeichnungs- und Zulassungsverfahren unterliegen. Einige EU-Wissenschaftler appellieren an die EU, diese Regelungen anzupassen. Denn bei der Geneditierung würde nicht zwangsläufig artfremde DNA eingepflanzt. Die gleiche Mutation, die CRISPR/Cas hervorruft, könne auch bei der natürlichen Fortpflanzung entstehen. Die EU verschließe sich mit dem Urteil vor einer wichtigen Innovation.


„Aktuell ist der Praxiseinsatz der Technik in der EU wegen des Urteils ausgeschlossen“, sagt Dr. Sebastian Klein vom Förderverein Bioökonomieforschung, der zum Bundesverband Rind und Schwein (BRS) gehört. Der BRS hat 2017 eine Selbsterklärung veröffentlicht, in der sich der Verband Regeln zum Umgang mit Genediting auferlegt. Der BRS bzw. die Zuchtverbände schließen die Anwendung nicht aus, wenn die EU die rechtliche Lage anpasst. Sie schränken diese aber auf Merkmale ein, die z.B. dem Tierwohl und der Tiergesundheit dienen würden.


Die Zuchtorganisationen haben sich damit auch im Sinne des Verbrauchers positioniert. „Unabhängig davon, ob die EU die Gesetzeslage ändert, der Verbraucher wird die regulierende Instanz sein“, sagt Björn Petersen. Dieser werde ohnehin nur Zuchtprojekte akzeptieren, die Themen wie Tiergesundheit oder Klima aufgreifen.


Simianer sieht nur eine Chance für die Akzeptanz der Technik: „Akzeptiert werden, wenn überhaupt, Ansätze, bei denen jeder Mensch sieht, dass wir das unbedingt brauchen. Aber 100 kg mehr Milch pro Kuh durch Geneditierung könnten wir absolut nicht kommunizieren.“


Abschottung möglich?


Semex in Kanada will laut Michael Lohuis für eine lückenlose Kennzeichnung in allen Generationen sorgen, wenn es je zum Einsatz von geneditierten Bullen kommt. Ebenso sei derzeit geplant, parallel Linien mit und ohne geneditierten Tieren anzubieten. Grundvoraussetzung sei immer die behördliche Genehmigung in dem jeweiligen Land.


Es gibt aktuell aber keine Nachweismethode, die geneditierte Rinder von konventionell gezüchteten unterscheidet. „Wenn große Rinderzuchtnationen geneditierte Tiere einsetzen, können wir es langfristig nicht verhindern, dass diese Genetik auf irgendeinem Weg auch in die EU kommt“, sagt Simianer.


Sollte Geneditierung in Zukunft Quantensprünge bei der Zucht auf gesellschaftlich relevante Merkmale in der Rinderzucht machen, hätten die deutschen Zuchtunternehmen auch einen Wettbewerbsnachteil. „Im Sinne der aktuellen Rechtslage könnte die EU sich nur mit einem abgeschotteten Markt komplett schützen. Und das ist eher unrealistisch“, sagt Klein.


Ebenso unklar ist die Frage, welche Kosten oder Restriktionen für Landwirte durch Patente entstehen könnten. „Auf die CRISPR/Cas-Technik gibt es Patente. Die Lizenzen dafür sind aber derzeit relativ frei zu bekommen. Man kann nur hoffen, dass für den Einsatz in der Tierzucht kein Monopol bei Großkonzernen entsteht“, sagt Petersen vom FLI. Da die Rechtslage zu GVOs in der EU aber erst einmal Bestand hat, seien Vermutungen über Zusatzkosten, Patentierungen usw. sehr vage.


julia.hufelschulte@topagrar.com

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