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Schreibt der Handel die Haltung vor?

Lesezeit: 6 Minuten

Mit der Haltungsformkennzeichnung sortiert der Lebensmitteleinzelhandel seit April 2019 bestehende Label in Kategorien. Für die Rinderhaltung kommen allerdings auch neue Anforderungen hinzu.


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Verbraucher finden in den Kühltheken Frischfleischprodukte vom Schwein, Geflügel und Rind mit dem Haltungskennzeichen des Lebensmitteleinzelhandels (LEH). Ziel ist es, bestehende Label und Haltungsprogramme in Kategorien einzuordnen und damit mehr Transparenz für die Verbraucher zu schaffen.


Der LEH nutzt für Rinderhalter aber nicht nur schon bestehende Kriterien von Prüfsystemen wie Qualität und Sicherheit (QS), dem Qualitätsmanagement Milch (QM-Milch), der EG-Öko-Basisverordnung oder Markenfleischprogrammen, sondern stellt auch eigene befristete Anforderungen. Das ist vielen unbekannt.


Vier Stufen zur Übersicht


Die Haltungsformkennzeichnung wird von der Gesellschaft zur Förderung des Tierwohls in der Nutztierhaltung mbH organisiert, zu der auch die Initiative Tierwohl gehört. Die Kennzeichnung besteht aus vier Stufen. „Je höher die Stufe, desto höher das Tierwohl“, erklärt die Gesellschaft in einem Informationsvideo. Für Rindermäster und Milchviehhalter gibt es jeweils einen Kriterienkatalog (siehe Seite R26).


Stufe 1 entspricht dem gesetzlichen Standard. Hierunter fallen alle QS-zertifizierten Rinder. Stufe 2 umfasst Haltungen, die über dem gesetzlichen Standard liegen. Hier ist z.B. die Scheuerbürste für Milchvieh Voraussetzung. Bei Schweinen und Geflügel erfüllen das beispielsweise die Betriebe der Initiative Tierwohl. In Stufe 3 sollen Tiere Zugang zu einem Außenbereich haben. Für Rinder reicht ein Offenfrontstall aus. In Stufe 4 ist Weidegang in der Vegetationsperiode Pflicht. Hierunter fallen auch alle Biosiegel.


Die Auditierung und Kontrolle der jeweiligen Haltungsform liegt weiterhin bei den bereits bestehenden Siegelgebern, wie beispielsweise QS.


„Für Rindfleisch gibt es bislang lediglich zwei registrierte Label-Programme: QS und Bio“, erklärt Dr. Patrick Klein, Sprecher der Gesellschaft zur Förderung des Tierwohls in der Nutztierhaltung. Die Anforderungen dieser Siegel entsprechen denen der Stufen 1 und 4. Aus der Milchviehhaltung sind bislang nur Produkte von Schlachtkühen gekennzeichnet, ebenso ausschließlich in den zwei Stufen.


LEH macht Druck


Der LEH nutzt den Kriterienkatalog darüber hinaus, um Forderungen zum Monitoring der Tiergesundheit aufzustellen. Ab 2022 soll für Programme, die sich in die ersten beiden Stufen der Haltungsformkennzeichnung einordnen lassen wollen, die Erfassung von Befunddaten am Schlachthof und das Antibiotikamonitoring für Rindermast und Milchkühe verpflichtend sein. „Der Handel spricht sich zusätzlich dafür aus, bereits 2020 auf freiwilliger Basis Projekte zu beiden Punkten einzuführen“, sagt Klein.


Damit hält der Handel sein Credo, nur schon bestehende Siegel in einer Stufe einzuordnen, nicht ein. Denn in den aktuellen Kriterienkatalogen von QM-Milch und QS finden sich diese Pläne nicht. Demnach finden dazu auch in absehbarer Zeit keine Audits statt. „Die Lebensmittelhändler müssen ihre öffentlichen Aussagen zur Haltungsformkennzeichnung mit Blick auf den tatsächlichen Stand verantworten“, sagt Ludwig Börger, Geschäftsführer von QM-Milch.


Antibiotikamonitoring Für Milchviehhalter


Mastschweine- und Mastgeflügelhalter erfassen ihren Antibiotikaeinsatz seit 2012 in QS. Mastkälberhalter und Sauenhalter seit 2014. Die zentrale Erfassung bei Milchkühen und Mastrindern ist noch nicht Pflicht.


Thomas May ist für das Antibiotikamonitoring bei QS zuständig: „Wir befinden uns zur Einführung einer Antibiotikadatenbank für Milcherzeuger in Gesprächen“. Es gäbe allerdings keinen konkreten Starttermin. Man müsse bedenken, dass dafür einige Abstimmungsarbeit, beispielsweise mit den Tierärzten in der Rinderhaltung, nötig sei. Ausgeschlossen ist ein Monitoring des Antibiotikaverbrauchs beim Milchvieh demnach nicht: „Wir versuchen einen Weg zu finden, wie man das zeitnah umsetzen kann“, bestätigt May.


BEFUNDDATEN ERFASSEN


Die Befunddatenerfassung für Rinder am Schlachthof ist einige Schritte weiter. Anfang 2020 startet ein Pilotprojekt. Für Mastschweine sind die Erfassung und Meldung schon seit 2016, für Mastgeflügel seit 2017 verpflichtend.


Viele Schlachthöfe dokumentieren derweil auch Befunde von Rinderschlachtungen, ein Datenaustausch mit dem QS-System findet allerdings noch nicht statt. Noch ist die Befundermittlung für die Wiederkäuer deutschlandweit sehr heterogen, so Robert Römer, Leiter Fleisch und Fleischwaren bei QS. Man müsse sich zunächst mit allen Beteiligten auf einheitliche Befunde verständigen. Bis zum endgültigen Start der systematischen Befunddatenerfassung im QS-System wären noch circa zwei Jahre notwendig.


Ludwig Börger bestätigt, dass QS und QM-Milch an der Befundaufnahme arbeiten, betont aber: „Die Befunddatenerfassung ist keinesfalls verpflichtend im QM-Standard 2020.“


Siegel AUF Milchkartons?


Auch auf Milchprodukten gibt es diverse Siegel, wie das des Deutschen Tierschutzbundes oder die der Biobranche. Diese könnte der LEH nach Vorbild des Frischfleisches auch in die vier Stufen einsortieren. Die Entwicklungen in diesem Sektor scheinen allerdings unklar. „Eine Ausweitung auf Milchprodukte ist aktuell nicht vom Handel beauftragt, aber grundsätzlich denkbar“, sagt Dr. Patrick Klein.


QM-Milch-Verantwortliche bewerten die Situation anders: Laut Börger haben Unternehmen des LEH die Kennzeichnung auf Trinkmilch angefragt bzw. eingefordert.


Teilnehmende Einzelhändler äußern sich auf Anfrage von top agrar ebenso differenziert: Aldi Nord und Süd verweisen auf anstehende Abstimmungen und könnten daher keine Details bekannt geben. Die Rewe Group bestätigt nur, dass die Ausweitung auf andere Produktgruppen grundsätzlich angedacht sei. Kaufland sagt hingegen: „Wir planen derzeit keine Ausweitung der Kennzeichnung auf Milchprodukte.“


Fragezeichen bei Kriterien


In den Regalen von Aldi sind 95% des Rinderfrischfleisches mit dem Haltungsformlabel versehen, bei Kaufland sind es 90%. Doch wie auf Seite R26 zu sehen, leitet die Aussage „Kriterien in Erarbeitung“ die erste Zeile zur Haltung von Rindern ein. „Es finden Gespräche statt, die zur Weiterentwicklung einzelner Punkte führen können“, sagt der Sprecher der Haltungsform. Der aktuelle Katalog sei aber derzeit gültig.


Obwohl der Kriterienkatalog als Information für die Verbraucher dienen soll, enthält er aber auch Ungereimtheiten. Das fällt beispielsweise in der Stufe 4 der Rinderhaltung auf: Denn das Kriterium, nicht aus einer Anbindehaltung zu stammen, erfüllt nicht jede Bioschlachtkuh. Und eine Scheuerbürste setzt die EG-Öko-Verordnung genauso wenig voraus, wie Weidezugang für Schlachtbullen jeden Alters.


Grund für diese Angaben sei, dass die Haltungsform eine Erstorientierung für Verbraucher sei und daher vereinfachen müsse. Die Ansprüche der Stufe 4 wären prinzipiell hoch. Damit sei die Ausnahmeregelung für Bio aus Sicht des LEH vertretbar. So erklärt die Gesellschaft den Widerspruch auf Nachfrage.


julia.hufelschulte@topagrar.com

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