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Schwere Vergiftungen durch Darmbakterien

Lesezeit: 6 Minuten

Eine neue, rätselhafte ­Erkrankung bei Rindern, die zu starken Darmblutungen führt, breitet sich derzeit in Norddeutschland aus. Über 70 % der erkrankten Rinder verenden.*


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Blutiger Kot, Apathie, Milchabfall und plötzlicher Tod – das sind die deutlichsten Symptome für eine neue Rinderkrankheit, die in Norddeutschland in letzter Zeit deutlich zunimmt. Erste Fälle traten bereits 1991 in den USA auf. Weitere Fälle sind mittlerweile auch aus Kanada, Israel und den Niederlanden bekannt. Aufgrund der starken Blutungen – vor allem im Dünndarm – wird sie mittlerweile als „Hemorrhagic Bowel Syndrom“, kurz HBS, bezeichnet.


Die Symptome:

Die starken Darmblutungen, die äußerlich durch blutigen Kot zu erkennen sind, führen zu Verklumpungen im Darm. Geronnenes Blut verstopft teilweise oder ganz das Darmrohr.


Der Nahrungsbrei wird angestaut, die Fresslust lässt plötzlich und rapide nach. Die Anstauung löst einen kolikartigen Schmerz aus: Stark vergrößerter Körperumfang, Lethargie, harter und fester Pansen, unterkühlte Körperoberflächen (Extremitäten) und Zähneknirschen sind zu beobachten.


Ohne große Vorzeichen verschlechtert sich das Allgemeinbefinden des Tieres innerhalb von etwa zwölf Stunden. Die Milchleistung lässt extrem stark und abrupt nach. Diese Symptome führen oft zur Fehldiagnose „Fremdkörper“ oder „Labmagenverlagerung.“


Als Sekundärerscheinungen können stinkig-jauchige Gebärmutterentzündungen und Mastitis folgen. Durch die Toxine (Gifte) wird die Leber erheblich und nachhaltig geschädigt, so dass die Kühe, wenn sie denn die Erkrankung überstehen, nicht wieder ihr altes Leistungsniveau erreichen. Die Todesrate der erkrankten Tiere wird mit 70 bis 80 % angegeben; innerhalb von 48 Stunden verenden die Tiere akut. Gelegentlich tritt bei verendeten Tieren blutiger Ausfluss aus Mund, Nase und After auf.


Eine US-Studie aus dem Jahr 2006 ergab eine Befallshäufigkeit von 9,1 % aller Betriebe. Mittlerweile werden 2 % aller Todesfälle bei Kühen dort dem HBS zugeschrieben. Für Deutschland gibt es bisher keine Zahlen.


Mögliche Ursachen:

Die Krankheitsursache ist bislang ungeklärt. Es wird aber vermutet, dass das Bakterium Clostridium perfringens Typ A in Verbindung mit Schimmelpilzen eine wichtige Rolle spielt. Dieses Bakterium ist verwandt zu Clostridium botulinum, das als eine mögliche Ursache für den chronischen Botulismus diskutiert wird.


Bei Clostridium perfringens (kurz Cl. perf.) handelt es sich um den in der Natur am weitesten verbreiteten Krankheitserreger überhaupt. Er ist besonders am Boden und im Darm von Mensch und Tier zu finden. Beim Menschen gilt Cl. perf. als der schlechthin häufigste Verursacher von Lebensmittelvergiftungen.


Der Erreger wird in fünf verschiedene Typen (A-E) eingeteilt. Diese Einteilung erfolgt nach den Giften, die er bildet. Bei Säugetieren gilt er als üblicher Darmbewohner, der nur unter bestimmten Umständen verschiedene Erkrankungen verursacht. Das erschwert die Diag­nostik, da der Nachweis von Cl. perf. nicht gleich der Beweis einer Erkrankung ist. Vielmehr erfordert es eine gute Einzeltier- und Bestandsuntersuchung, um eine Erkrankung mit Clostridien (Clostridiose) sicher festzustellen. Typischerweise kommen Clostridiosen eher bei Jungtieren vor. Vermutlich gelingt es den Bakterien bei geschwächtem Immunsystem leichter in den Körper einzudringen. Es folgen oft schwere Darmerkrankungen, die mit blutigen Durchfällen und hohen Todesraten einhergehen.


Schimmelpilze bereiten Weg:

Bei der Aufklärung der Ursachen geht man bisher von folgender Theorie aus: Schimmelpilzen gelingt vermutlich die Ansiedelung im Magen-Darmtrakt. Mit ihren Hyphen durchdringen sie die Darmwand und schädigen diese stark.


Für die Beteiligung von Schimmelpilzen spricht das gehäufte Auftreten bei Fütterung verschimmelten Futters und signifikant weniger Erkrankungen bei Fütterung von frischem Gras. Bei erkrankten Tieren konnte ein deutlich höherer Besatz an Schimmelpilzen im Magen-Darmtrakt festgestellt werden als bei nicht erkrankten.


Voraussetzung für die Besiedelung dürfte ein geschwächtes Immunsystem sein, wie es um die Kalbung herum, besonders in Verbindung mit Stoffwechsel-erkrankungen, auftritt. Eine rohfaserarme, kohlenhydratreiche Fütterung (Pansenazidose!) erhöht das Risiko für HBS, ebenso wie lange Trockenstehzeiten (Verfettung, Ketosegefahr!) und höhere Milchleistungen. Durch die vorgeschädigte Darmwand können nun die Clostridien eindringen, die üblicherweise den Darm besiedeln, und über die Blutbahn im Körper streuen. Was die Bakterien nun genau zur Giftproduktion anregt, ist nicht bekannt. Vorstellbar wäre eine Störung in der Eiweißversorgung.


Die Gifte schädigen u. a. die Blutgefäße des Darms, es kommt zu Blutungen und zur Darmverstopfung.


Schleichender Verlauf:

Bislang tritt HBS nur als Einzeltiererkrankung auf. Zwar können mehrere Tiere davon be­troffen sein, doch über Erkrankungen auf Bestandsebene war bislang nichts bekannt. Berichte aus Schleswig-Holstein, Meck­lenburg-Vorpommern und eigene Untersuchungen auf mehreren niedersächsischen Betrieben lassen mittlerweile allerdings andere Schlüsse zu. Hiernach ist HBS nur die Spitze des berühmten Eisberges. In einem Fall konnte beispielsweise ein finanzieller Schaden von über 100 000 € ermittelt werden.


Betroffene Betriebe weisen im Vorfeld durchwegs überdurchschnittliche Milchleistungen auf, die sich auf Herdenniveau um die 10 000 kg bewegen. Über einen längeren Zeitraum hinweg nehmen diese Leistungen schleichend um etwa 100 bis 200 kg je Monat ab. Zeitgleich ist ein Anstieg der Zellzahlen festzustellen.


Nach einem halben bis einem Jahr treten dann die ersten HBS-Fälle auf. Hinzu kommen Tiere, deren Milchleistung kurze Zeit nach dem Kalben rapide absinkt und deren Allgemeinbefinden erheblich und nachhaltig gestört ist. Der Kot ist normal bis leicht dünnflüssig, oft übelriechend. Schwere Gebärmutter- und Euterentzündungen kommen hinzu. Anders als bei HBS beschrieben, sind bei diesen Kühen nur wenige Todesfälle zu verzeichnen. Trotzdem sind die Tiere nur schwer zu therapieren und weisen nach dem Überstehen der akuten Phase einen desolaten Gesamtzustand auf. Sie magern mehr oder weniger stark ab, zeigen ein stumpfes, staubig wirkendes Haarkleid. Ebenfalls auffällig sind vermehrt auftretende Gelenksentzündungen, besonders an den Sprunggelenken, und Eiterabszesse mit oft übelriechendem, bräunlichem Eiter. Gleichzeitig leiden die Kälber oft verstärkt an Durchfall. Bereits wenige Tage nach der Geburt erkranken sie schwer und akut, viele Kälber verenden innerhalb weniger Stunden. In der Sektion und bei der Untersuchung von Kotproben werden neben E.coli auch Cl. perf. Typ A gefunden. Der Darm weist ähnliche Blutungen wie bei den erwachsenen Tieren auf, was den plötzlichen und raschen Krankheitsverlauf erklärt.


Behandlung und Prophylaxen

. Hochdosierte Antibiotikagaben, Infusionen und Entzündungshemmer sind, neben der chirurgischen Therapie, mögliche Behandlungen, die die Tiere am Leben erhalten. Mehr aber auch nicht. Angesichts des desolaten Zustands der Tiere im Anschluss der Erkrankung ist eine rechtzeitige Tötung der Tiere eher sinnvoll.


Zur Prophylaxe gibt es leider ebenso wenig zu sagen. Vage Empfehlungen gehen in Richtung Überprüfung der Ration auf Energiedichte und Schimmelbildung. Das sollte aber ohnehin generell geschehen. Erfolgversprechender ist eine Impfung aller Tiere mit stallspezifischen Vakzinen. Eigene Erfahrungen zeigen nach der Impfung wieder deutlich ansteigende Milchleistungen und nachlassende Symptome. Die Immunisierung sollte mindestens halbjährlich wiederholt werden, teilweise sogar früher. Besonders ist auf einen ausreichenden Schutz zur Kalbung hin zu achten.

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