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So leisten Sie Erste Hilfe!

Lesezeit: 6 Minuten

Die meisten Geburten verlaufen reibungslos – ganz ohne Hilfe. Doch hin und wieder gibt es Komplikationen. Wir geben zehn Tipps, wie Sie Leben von frisch geborenen Kälbern retten können.


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Im Idealfall bringt eine Kuh ihr Kalb alleine zur Welt und beide sind wohl auf – so sieht es die Natur vor. Und trotzdem gibt es die wenigen Momente, in denen das Kalb nach der Geburt keine Lebenszeichen zeigt, beispielsweise nach Schwergeburten. Schnelle und richtig geleistete Hilfe kann das Leben des Neugeborenen retten. Was können Landwirte tun, wenn die Kälber lebensschwach und nicht fit sind?


Wir haben mit Dr. Kerstin Duncker gesprochen, die als Tierärztin in der Gemeinschaftspraxis iQvet in Neumünster arbeitet. Zusätzlich führt sie einen eigenen Instagram-Account (kuhdockd), auf dem sie über verschiedene Themen rund um die Rindermedizin berichtet.


1. Froschstellung


Teilweise fällt den Kälbern das Atmen schwer. Damit sich die beiden Lungenflügel gleichmäßig entfalten können, ist die Froschstellung eine erste Hilfe. Dabei liegt das Kalb in einer stabilen Brust-Bauch-Lage. Die Vorderbeine befinden sich angewinkelt unter der Brust, während die Hinterbeine jeweils nach rechts oder links angewinkelt liegen (siehe Bild, Seite R23). Das ist die Ausgangsposition für weitere Maßnahmen.


2. Atmung mit Strohhalm anregen


Um das Einatmen anzuregen, können Landwirte mit einem festen, stabilen Strohhalm und mäßigem Kraftaufwand tief ins Nasenloch des Kalbes pieksen, so die Empfehlung der Tierärztin. Oft beginnen sie dann nach einem kräftigen Niesen Luft zu holen.


3. Stimulierendes Nasenspray


Ein Spray aus ätherischen Ölen, wie z.B. die „Atembrise“ von Dr. Schaette, löst ebenfalls ein Niesen bei den Neugeborenen aus. Danach sollte die Atmung einsetzen. Die Empfehlung der Tierärztin: „Oft hilft es schon, zwei bis drei Pumpstöße auf die Nase der Kälber zu sprühen.“


4. Wasserguss


Ein kalter Wasserguss über den Nacken des Neugeborenen stimuliert das Atemzentrum, das sich im Hirnstamm befindet. Wichtig ist jedoch, nicht den gesamten Körper zu baden. Die Kälber können die eigene Körperwärme noch nicht selber regulieren und versuchen deshalb, ihre Temperatur aus dem Mutterleib so gut es geht zu halten. Mit einem Kaltwasserguss über den gesamten Körper würde zu viel Energie verloren gehen. „Das kalte Wasser bezweckt außerdem, dass sich die Blutgefäße zusammenziehen und ein Schockmodus eintritt. Das wirkt sich negativ auf den Kreislauf aus“, so Dr. Duncker.


5. Akupunktur


Mit kleinen Akupunkturnadeln lassen sich Atmung und Kreislauf stimulieren. Landwirte sollten sich das von ihrem Tierarzt zeigen lassen, um es anschließend selber durchführen zu können. Zwei Körperstellen beim Kalb sind dabei von Bedeutung: Die erste befindet sich mittig zwischen den beiden Nasenlöchern. Die zweite Stelle ist das Ende der Schwanzspitze. „Alternativ zu speziellen Akupunkturnadeln lassen sich zur Not auch dünne Injektionsnadeln verwenden“, so die Rinderexpertin. Diese sollten für wenige Minuten sitzen bleiben.


6. Nicht kopfüber hängen!


Besonders bei Hinterendlagen, also wenn das Kalb mit den Hinterfüßen zuerst auf die Welt kommt, besteht die Gefahr, dass es Fruchtwasser einatmet. Damit dieses Fruchtwasser nach der Geburt ablaufen kann, hängen einige Landwirte die Kälber kopfüber über ein Gatter. Die dadurch ablaufende Flüssigkeit ist jedoch gar kein Fruchtwasser, sondern Inhalt des Labmagens, also Magensäure.


Auch aus einem weiteren Grund ist dieses Vorgehen nachteilig: „Die Bauchhöhlenorgane drücken gegen das Zwerchfell. Das verhindert nicht nur die Atmung, sondern auch das Auffalten der Lunge. Diese Methode ist daher ungeeignet, um Fruchtwasser oder Schleim zu entfernen“, sagt die Tierärztin.


7. Schleim absaugen


Um die Atemwege von Schleim und Fruchtwasser zu befreien, eignet sich ein sogenannter Kälberretter. Dieser umschließt den Mund-Nasen-Bereich des Kalbes. Die von Hand betätigte Pumpe sorgt für einen Unterdruck, der den eingeatmeten Schleim absaugen soll. „Für Kälber ist es eine sehr effektive und schonende Methode“, ist sich Duncker sicher und empfiehlt Landwirten dieses Hilfsmittel.


8. Neugeborene beatmen


Ist ein Herzschlag, aber keine Atmung vorhanden, ist ähnlich wie beim Menschen auch bei Kälbern eine Mund-zu-Nase-Beatmung möglich. Das Maul der Kälber muss dabei geschlossen sein. Ein Nasenloch wird zugehalten, durch das andere beatmet. Landwirte sollten dem Kalb sechs bis zehn Mal im eigenen Atemrythmus Luft einpusten. Wenn das Kalb danach noch nicht selber atmet, wird die Prozedur wiederholt. „Wenn die Reanimation zu lange dauert, kann das auch schädlich für die Tiere sein. Unter zunehmendem Sauerstoffmangel kann das Gehirn Spätfolgen davontragen“, sagt die Tierärztin.


9. Körpertemperatur bewahren


Da die Neugeborenen ihre Körpertemperatur noch nicht eigenständig steuern können, ist es wichtig, die vorhandene Körperwärme zu erhalten. Falls die Mutter ihr Kalb noch nicht oder nicht vollständig trockengeleckt hat, sollten Milchviehhalter besonders im Winter eingreifen. „Mit sauberem Stroh lassen sich die Kälber gut trocken rubbeln. Das regt gleichzeitig auch den Kreislauf an“, so Duncker. Alternativ ist auch ein Handtuch/Laken hilfreich, da es im Gegensatz zum Stroh nicht staubt.


Im Winter kann es außerdem sinnvoll sein, den Kälbern eine Decke aufzulegen. Dazu muss das Fell allerdings komplett trocken sein – sonst wirkt sich das negativ auf die Körpertemperatur aus. Die Tierärztin sieht besonders schwache Kälber auch unter einer Rotlichtlampe gut aufgehoben. Aber Achtung: Sie können dort auch schnell zu warm werden und austrocknen.


10.Geburtsstress nachahmen


Unter einer normalen Geburt erleben Kälber einen positiven Geburtsstress, der mit einem Quetschen im Becken der Mutter verbunden ist. Die Theorie dahinter: Der Druck im Geburtskanal trägt dazu bei, einen „Schalter“ umzulegen. Das soll den Neugeborenen helfen, von einem schlafähnlichen Zustand im Mutterleib zu einem aktiven Zustand außerhalb des Mutterleibs überzugehen. Wenn Kälber diesen Reiz nicht erleben (z.B. bei einem Kaiserschnitt, einer schnellen Geburt), erwecken sie einen trägen Eindruck, der oft auch mit einer Trinkschwäche einhergeht. „Es ist möglich, diesen Geburtsstress mit einem Seil und einer speziellen Knotentechnik, dem Madigan Calf Squeeze, zu simulieren“, sagt Duncker.


Dazu müssen Landwirte ein langes, weiches Seil in drei Schlaufen um die Brust des Kalbes wickeln, die auf dem Rücken zusammenlaufen. Ein sanftes Ziehen am Seil erzeugt Druck um die Rippen. Die Kälber legen sich hin und fallen in einen schlafähnlichen Zustand mit geschlossenen Augen, verlangsamter Atmung und gesenkter Herzfrequenz. Diese Situation sollte 20 Minuten andauern, bevor das Seil abgenommen wird. Hinweis: Ein vorheriges Üben mit einem Tierarzt ist notwendig!


ann-christin.fry@topagrar.com


Unsere Expertin


Dr. Kerstin Duncker, Tierärztin, Neumünster (Schleswig-Holstein)

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