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Sperma von den eigenen Bullen verkaufen

Lesezeit: 9 Minuten

Noch ist es eine Nische. Doch die Lohnabsamung findet immer mehr Anhänger. Denn Preis und Leistung stimmen inzwischen.


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Wer Karl-Heinrich Göpel zwischen seinen Zuchtbullen im Stall sieht, der kann ihm den Stolz ansehen. Schließlich liegt ein langer Kampf gegen viele Widerstände hinter ihm, bis er endlich seine eigene Besamungsstation eröffnen konnte.


Doch inzwischen läuft das Geschäft. Hornlos-Genetik ist gefragter denn je und genau auf diesen Markt hat sich der ehrgeizige Hesse schon früh spezialisiert. Inzwischen stehen eine ganze Reihe bekannter Hornlos-Bullen wie Leonardo PP oder Valc PP in seinem Stall und deren Sperma „geht weg wie warme Semmeln“, sagt Göpel.


Lohnabsamung nimmt zu.

Aber Göpel konzentriert sich nicht nur auf die Gewinnung und Vermarktung von Hornlos-Bullen, als Zusatzgeschäft bietet Göpel die Lohnabsamung an: Dabei können Landwirte, Züchter und ausländische Zuchtorganisationen ihre eigenen Bullen zu ihm in die Station bringen. Sie erhalten umgekehrt das gewonnene Sperma zurück. „Prominente Beispiele wären hier Snowman von den Züchtern Harry Broekhuis und Hubertus Diers sowie ALH Dakota, den wir für Select Sires abgesamt haben“, berichtet Göpel.


Aber nicht nur die „Starvererber“ werden in der Station abgesamt. „Bei uns werden auch Rinderhalter vorstellig, die ihren eigenen aufgezogenen Bullen mit guter Abstammung absamen lassen wollen, um das Sperma im Betrieb zu versamen oder aber international verkaufen möchten“, sagt Göpel.


Der Vorteil dieser Variante: Die Landwirte können eigene gute Genetik in ihrer Herde weiter nutzen, ohne sich der Gefahr eines Deckbullen aussetzen zu müssen. Gleichzeitig sind die Kosten niedrig und bei besonders guten Bullen würde Göpel sich auch um die Vermarktung kümmern. Denn viele Stationen lehnen heute sogar Bullen mit genomischen Zuchtwerten von über 140 RZG ab, wenn bereits Halbbrüder mit ähnlichen Werten bei ihnen eingestellt sind.


Doch es gibt nicht nur Pluspunkte bei der Lohnabsamung. Deutsche Zuchtorganisationen kritisieren vor allem das Absamen von Deckbullen aus der eigenen Herde. „Der Zuchtfortschritt wird auf Dauer fehlen, sollte ein Landwirt ausschließlich Sperma seiner eigenen Bullen versamen“, warnt Dr. Jan Detterer vom Verein Ostfriesischer Stammvieh-Halter (VOSt). Wird der Bulle dagegen wie ein normaler Katalog-Bulle unter vielen eingesetzt, sieht der Experte kein Problem.


Probleme könnten noch eher bei den Erbfehlern auftreten. Schließlich ist der Züchter dafür verantwortlich, ob er den Bullen beispielsweise auf die Erbkrankheiten CVM, Brachyspina und BLAD untersuchen lässt. „Das Risiko trägt er selbst“, gibt Detterer zu Bedenken. Göpel hält allerdings dagegen. Er betont, dass seine Kunden sämtliche Tests bei ihm in Auftrag geben können.


Genomic machts möglich.

Doch trotz dieser Nachteile findet die Lohnabsamung mehr Anhänger. Vor allem die genomische Selektion hat einen Schub gebracht.


Die meisten der abgesamten Bullen, ob Holstein, Fleckvieh oder Braunvieh, haben inzwischen einen genomischen Zuchtwert bevor sie abgesamt werden. So wissen die Landwirte vorher schon, welche Stärken und Schwächen ihr „Deckbulle“ hat und ob er einsetzbar ist. „Reinfälle können auf diese Weise deutlich eher vermieden werden“, erklärt Göpel.


Er empfiehlt jedem Züchter bzw. Milcherzeuger, sein Tier vorab genomisch untersuchen zu lassen, wenn dies nicht bereits geschehen ist. „Der freie Zugang zu genomischen Informationen wird für Bullen in Deutschland durch die Zuchtverbände noch blockiert. Wir bieten unseren Kunden daher eine Untersuchung in der Schweiz an, teilweise geht es auch in die USA. So können sie den genetischen Wert ihres Bullen besser einschätzen und klären, ob eine Lohnabsamung überhaupt sinnvoll ist“, so Göpel. Die Untersuchungen kann er für die Rassen Holstein, Fleckvieh, Jersey und Braunvieh anbieten. Nur bei Fleischrassen entscheidet nach wie vor eher das Pedigree und das Exterieur darüber, ob ein Bulle abgesamt wird.


200 Bullen jährlich:

Ein ähnliches Geschäftsmodell wie Göpel betreibt auch Henk de Bruijn aus dem niederländischen Horssen. Auch er kann eine Zunahme bei den Lohnabsamungen in den Niederlanden verzeichnen. Gemeinsam mit zwei Mitarbeitern betreibt er einen mobilen Absam-Service für Rinder- und Ziegenbetriebe. „Mittlerweile samen wir 170 bis 200 Bullen im Jahr ab“, sagt de Bruijn. Seine Kunden befinden sich dabei zu 90 % in den Niederlanden und Belgien. Die restliche Kundschaft verteilt sich über Dänemark, Ostdeutschland und Polen.


Mit zwei Transportern, die mit einem vollständigen Labor ausgestattet sind, fährt de Bruijn seine Kunden an. Allerdings müssen die Betriebe frei sein von z. B. BHV-1 und BVD. Dies lässt sich de Bruijn versichern. Im Gegensatz zu einer Besamungsstation entfallen für ihn lange Quarantänezeiten, da er auf dem Betrieb absamt. Nachteil dieser Methode ist, dass der Samen ausschließlich im eigenen Betrieb verwendet werden darf. Ein Verkauf des Spermas ist somit ausgeschlossen.


Das ist bei Göpel anders. Sein Sperma lässt sich international vermarkten. Dafür sind Quarantäne-Zeiten für Karl-Heinrich Göpel Pflicht. Rund fünf Wochen verbringen die Bullen in dem Extra-Stall auf der Zuchtstation bis es zur ersten Absamung kommt. Bevor sie überhaupt den Betrieb Göpel erreichen, werden sie auf dem heimischen Betrieb auf BHV-1, Tuberkulose, BVD, BTV und Salmonellose untersucht. In der Quarantäne führt er dann im Abstand von drei Wochen das volle Untersuchungsprogramm auf alle durch den Samen übertragbare Krankheiten durch. Nach Vorliegen der negativen Untersuchungsergebnisse erfolgt per Antrag beim Veterinäramt die Umstellung der Bullen vom Quarantänestall in den Bullenstall. Nun erst kann die Absamung beginnen.


Der Absamprozess ist bei Göpel derselbe wie in jeder Besamungsstation der Republik. Die Bullen werden in einen Absamraum verbracht, in dem sich ein „Unterbulle“ befindet. „Hier lassen wir die Bullen springen und samen ab“, erklärt Göpel. Mit einer künstlichen Vagina fängt er den Samen auf.


Nach jedem Sprung wird der Samen sofort in das Labor im Nachbargebäude gebracht. Hier wird die Qualität des Ejakulats beurteilt. Wenn die Qualität stimmt, wird mithilfe eines Photometers die Verdünnermenge und die Zahl der gewonnenen Portionen ermittelt.


Nicht alle Bullen produzieren.

Rund 5 % der Bullen nehmen den Unterbullen oder das Phantom nicht an. Dies sind oft ältere Fleischrassebullen. Außerdem haben ca. 5 % der Tiere kein einfriertaugliches Sperma, weil es z. B. zu dünn ist. „Als Deckbullen können diese Bullen aber weiter funktionieren, die Spermadichte ist nur zu gering, um es einzufrieren“, so Göpel.


Für die beiden Lohnabsamer Göpel und de Bruijn sind wie bei jeder Besamungsstation die Anforderungen an das Sperma hoch. Sie urteilen nach folgenden Kriterien:


  • Die Farbe des Spermas sollte elfenbeinfarbig sein.
  • Die Menge des Ejakulats sollte zwischen 1,5 und 12 ml groß sein.
  • Die Spermienanzahl sollte zwischen 0,6 und 2,5 Mrd. pro ml Ejakulat liegen.
  • Mindestens 70 % der Spermien sollten beweglich sein, möglichst geradlinig.


Von einem fünf Jahre alten Bullen kann Göpel bis zu 1 000 Portionen von einem Sprung „ernten“. „Junge Bullen haben deutlich dünneres Sperma, hier ist der Ertrag geringer“, weiß der Experte. Und bei der Lohnabsamung sind es in der Regel die neuen jungen Bullen, die zu Göpel gebracht werden. Schließlich ist das Zuchtgeschäft im Zeitalter der genomischen Selektion schnelllebiger geworden.


Mehr Sperma in Pailletten?

Nachdem das Sperma ins Labor verbracht wurde, wird die Qualität geprüft. Bei guter Qualität wird dem Sperma ein Verdünner hinzugegeben, da das Sperma den Einfrierprozess sonst nicht überlebt. Anschließend wird es in die Pailletten umgefüllt. Die Pailletten werden dabei zuvor mit dem Bullennamen, der Herdbuchnummer, der Rasse, der EU-Veterinärkontrollnummer und dem Produktionsdatum versehen. „Dies ist eine EU-Richtlinie, an die wir uns alle zu halten haben“, erklärt Göpel.


Anschließend werden die Pailletten langsam abgekühlt und tief gefroren. Nach einer gesetzlich vorgeschriebenen Quarantänezeit von 30 Tagen kann das Sperma an den Züchter ausgeliefert werden oder steht für den nationalen und internationalen Verkauf zur Verfügung.


„Mit einer Spermamenge von 20 Mio. Spermien pro Paillette sind sehr gute Besamungsergebnisse zu erzielen“, sagt Göpel. Auf ausdrücklichen Wunsch kann Göpel aber auch Pailletten mit 35 Mio. Spermien produzieren.


Ganz andere Arbeitsbedingungen findet Henk de Bruijn vor. Das Sperma gewinnt er direkt vor Ort beim Landwirt. Um sich keiner Gefahr auszusetzen, lässt er sich vorab telefonisch vom Landwirt versichern, dass es sich bei dem Bullen nicht um ein aggressives Tier handelt. „Schließlich sind die Bedingungen in jedem Stall anders, so dass ich immer sehr vorsichtig arbeiten muss“, so de Bruijn. Rund 5 % der Bullen können so vorab schon ausgeschlossen werden.


Labor im Transporter:

Um die Bullen zum Springen zu animieren, lässt de Bruijn immer zwei oder drei Rinder bzw. Kühe per Ovsynch anspritzen, sodass wenigstens ein Tier in der Brunst ist. Dieses wird dann im Fressgitter fixiert, während de Bruijn mit der künstlichen Vagina in der Hand wartet. Sobald der Bulle zum Deckakt ansetzt, ist er zur Stelle, um das Ejakulat in der künstlichen Vagina aufzufangen.


In seinem Labor-Transporter findet dann die eigent-liche Qualitätskontrolle und die Aufbereitung des Spermas statt. Zunächst wird unter dem Mikroskop die Beweglichkeit der Spermien geprüft, dann wird die Konzentration gemessen.


Innerhalb von fünf Minuten wird das Sperma erstmalig im Verhältnis 1 : 1 mit dem Verdünner vermischt. Nach weiteren 15 bis 30 Minuten erfolgt eine erneute Verdünnung im Verhältnis 1 : 1. Diese „Mischung“ muss dann erneut mindestens 30 Minuten abkühlen. Diese Endverdünung wird nun genauso wie bei Göpel in die Pailletten gefüllt.


Die Pailletten hat de Bruijn dabei schon vor dem Abfüllen anfertigen und beschriften lassen. Anschließend wird das Sperma eine Stunde abgekühlt und auf dem heimischen Betrieb eingefroren. „Wir frieren das Sperma schonend ein, dabei sinkt die Temperatur in mehreren Schritten auf -130° C. Nach etwa 25 Minuten kann es im flüssigen Stickstoff (-196° C) gelagert werden.“ Die künstliche Vagina reinigt de Bruijn nach jedem Betriebsbesuch in einer speziellen Waschvorrichtung auf seiner Betriebsstätte.


Ausgeliefert wird das Sperma bei Bedarf. „Zu 90 % sind unsere Kunden Eigenbestandsbesamer“ so de Bruijn. „Sie nutzen das eigene Sperma vor allem zur Nachbelegung.“ Für die Erstbesamung empfiehlt er weiter die Katalogbullen.


Selbst vermarkten?

Züchter können das Sperma ihres Bullen bewerben, ein direkter Verkauf an Dritte ist in Deutschland und den Niederlanden nicht zulässig. In Deutschland muss der Züchter den Vertriebsweg über eine Besamungsstation oder ein Spermadepot suchen. Ein breiter Verkauf ist aber nur bei Top-Tieren oder außergewöhnlicher Genetik erfolgversprechend. „Denn Durchschnitt ist reichlich vorhanden“, so Göpel.


Der Hesse ist sich sicher, dass der Markt für die Lohnabsamung weiter wachsen wird. Eine neue Welle könnte die Freigabe der genomischen Untersuchung für alle Holstein-Züchter in Deutschland auslösen. In den USA ist dies schon möglich. Ansgar Leifker

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