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Strom vom Dach: Mehr Klimaschutz im Kuhstall

Lesezeit: 9 Minuten

Eine Photovoltaikanlage senkt nicht nur die Stromrechnung. Maschinen mit Elektroantrieb sparen Dieselkosten ein. Auch kann die Anlage günstige Wärme für die Heutrocknung liefern.


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Solarstrom und Milchviehhaltung passen sehr gut zusammen. Theoretisch produzieren die Module auf dem Stalldach mehr als genug Strom: „Ein Milchviehbetrieb verbraucht im Schnitt ca. 500 kWh Strom pro Kuh und Jahr. Eine Photovoltaikanlage auf dem Stalldach liefert dagegen jährlich rund 1000 kWh pro Kuh“, sagt Prof. Jörn Stumpenhausen von der Fakultät Nachhaltige Agrar- und Energiesysteme der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (HWST).


Doch Stromerzeugung und -verbrauch passen nicht immer zusammen. Mit einigen baulichen und betrieblichen Maßnahmen lässt sich der Stromanteil für den Eigenverbrauch deutlich erhöhen, zeigt ein Forschungsprojekt der HWST und der TU München, an dem auch mehrere Industriebetriebe wie die Stallbaufirma Hörmann oder der Melktechnikhersteller Lemmer-Fullwood sowie andere wissenschaftliche Institutionen beteiligt sind.


Messungen auf vier Betrieben


„Wir wollen beim Projekt ‚CowEnergy‘ ein Energiemanagementsystem entwickeln, das Tierwohl, Milch- und Energieproduktion unter einen Hut bringen soll“, erklärt Stumpenhausen.


Die Messungen und Versuche führen die Wissenschaftler in der Praxis auf vier Betrieben durch. Auf zwei davon aus Bayern wird der Energieverbrauch durchgängig gemessen: Dem Betrieb Posch aus Hochstätt bei Rosenheim und dem Betrieb Demmel aus Königsdorf-Schönrain.


Michael Posch hat im Jahr 2014 einen neuen Boxenlaufstall für 70 Kühe mit einem Melkroboter gebaut. Auf dem Dach ist eine Photovoltaikanlage mit 200 kW Leistung installiert. Posch hat zudem weitere Anlagen auf Gebäuden wie auf der Maschinenhalle. Zusätzlich hat er noch einen Batteriespeicher mit 42 kWh Speicherkapazität installiert. Außerdem kühlt er die Milch mit einem Eiswasserspeicher.


Die Wissenschaftler haben Messtechnik mit vielen Sensoren usw. installiert sowie den Betrieb bei der Anschaffung eines Batteriespeichers unterstützt.


Der Milchviehstall ist nach Süden ausgerichtet, damit der Westwind für eine Querlüftung sorgen kann. Damit liegt das Dach in Ost-West-Richtung. Das wirkt sich wiederum positiv auf die Solarstromproduktion zur Eigenversorgung aus. Denn wie die Erfahrung vieler Betriebe zeigt: Ost-West-Anlagen liefern nicht den maximalen Stromertrag, produzieren aber morgens eher und nachmittags länger Strom als Südanlagen. Das macht sie für den Eigenverbrauch attraktiv.


Indachsystem statt Dachhaut


Posch hat ein Indachsystem von Hörmann gewählt (siehe Zusatzinfo „Was Sie bei Indachanlagen beachten sollten“, Seite R20). Das Indachsystem besteht aus einer 8 cm dicken Vollholzdecke, auf der eine UV-beständige Dachbahn verlegt ist. Darauf sind die Module auf Schienen montiert. Die Module sind so installiert, dass sie eine regendichte Außenhaut bilden. In der Stallmitte sowie unterhalb des Lichtfirstes hat Posch zwischen den Modulreihen schmale Streifen mit Trapezblechen ausgelegt. „Das sind die Reinigungsgänge, weil man die Module selbst nicht betreten kann“, erklärt er. Eine Reinigung ist mindestens einmal im Jahr nötig, um die Module von Staub und Dreck zu befreien. Hierfür nutzt er gefiltertes Regenwasser, dass er in einem 1000 l-Tank sammelt.


Mit dem Indachsystem konnte er auf ein Stahltrapezblechdach verzichten. Das sollte Kosten sparen. Außerdem verläuft direkt neben dem Stall eine Hochspannungsleitung. Bei einem Metalldach hätte er einen zusätzlichen Sicherheitsabstand von drei Metern einhalten müssen. Beim Indach-System mit Vollholzdecke konnte er den Stall dagegen näher an der Leitung bauen. „Dadurch haben wir die Feuerwiderstandsklasse F30 erreicht“, erklärt er. Das bedeutet: Das Dach hält einem Feuer für 30 Minuten stand.


Für die Energieversorgung hat Posch Folgendes investiert (Angabe in Nettopreisen):


  • Photovoltaikanlage als Indachsystem: ca. 232000 €,
  • Batterie: ca. 27000 €,
  • Eiswasserspeicher: ca. 4500 € Mehrkosten gegenüber einer herkömmlichen Kondensatkühlung.


Im Jahr 2020 hat er mit der Solaranlage ca. 180500 kWh Strom produziert und davon 42163 kWh (ca. 23,5%) selbst verbraucht. Das Indachsystem war letztlich nicht günstiger als ein herkömmliches Dach mit Solaranlage.


Steuerung in der Entwicklung


Damit der Betrieb möglichst viel Solarstrom selbst nutzen kann, ist eine Steuerung wichtig:


  • Sie muss die Ladung des Batteriespeichers so optimieren, dass dieser unabhängig vom täglichen Stromverbrauch abends immer geladen ist.
  • Sie muss gleichzeitig die Ladung der Batterie mit der Eisproduktion der Kühlung abstimmen.
  • Bei Sonnenschein sollten möglichst viele elektrische Verbraucher angesteuert werden.
  • Sie muss dafür sorgen, dass sich möglichst keine Stromspitzen im Betrieb ergeben. So sollten gerade zeitunabhängig zu betreibende Geräte wie eine Güllepumpe oder eine Kuhbürste nicht gleichzeitig mit wichtigen Stromverbrauchern wie dem Melkroboter betrieben werden, wenn wenig Energie vorhanden ist.
  • Roboter zur Spaltenreinigung oder zum Futteranschieben sowie Kuhbürsten und andere Geräte sind zwar flexibel, sollten aber dennoch ausreichend berücksichtigt werden.


Ab 2022 auf dem Markt?


Noch gibt es diese Steuerung nicht. Daher arbeiten die Wissenschaftler an einer entsprechenden Lösung. „Sie könnte Ende 2022 auf den Markt kommen“, erklärt Prof. Heinz Bernhardt vom Lehrstuhl für Agrarsystemtechnik der TU München, der ebenfalls an dem Forschungsprojekt beteiligt ist.


Ein Ansatzpunkt dafür wäre die Vernetzung der unterschiedlichen Geräte wie Batterie, Melkroboter, Eiswasserspeicher und andere Verbraucher wie Pumpen usw. Da diese aber von verschiedenen Herstellern stammen, gibt es hierfür noch keine gemeinsame Schnittstelle. „Darum arbeiten wir an einer Steuerung, die wir über alle anderen Teilsteuerungen der Geräte legen können“, beschreibt Bernhardt.


Der Betrieb Posch nutzt heute schon das Energiemanagementsystem Full-Energy von Lemmer-Fullwood. Dieses hat die Baumgartner GmbH aus Ramsau entwickelt. Es steuert bei Sonnenschein vorrangig den Eiswasserspeicher an sowie einen Vorratstank, in dem das Wasser für die Melktechnikreinigung erwärmt wird. Der nicht genutzte Strom fließt in den Akku.


Die Kombination von Solarstrom, Batterie und Eiswasserkühlung hat sich für Michael Posch bewährt, um möglichst viel Solarstrom selbst nutzen zu können.


Zwar war der Stromspeicher mit 27000 € (netto) sehr teuer. „Aber ich würde auf keinen Fall mehr darauf verzichten, da ich mit ihm vor allem den Melkroboter auch nachts betreiben kann“, sagt er. Dessen Größe ist mit 42 kWh für den Betrieb sehr knapp bemessen. „Für uns wäre ein Speicher mit 80 kWh optimal, um Zeiten ohne Sonnenschein länger überbrücken zu können“, sagt Posch.


E-Fahrzeuge und Solarstrom


Ein weiterer Projektteilnehmer ist Milchviehhalter Franz Xaver Demmel aus Königsdorf-Schönrain (Bayern). Er hat auf dem Dach des 2019 neu gebauten Kuhstalls für 75 Kühe auf der Südseite eine 140 kW-Solarstromanlage und auf einer Halle mit Ost-West-Dach eine weitere Anlage mit 75 kW installiert. Wie der Betrieb Posch nutzt er den Strom für Melkroboter, Milchkühlung und andere Geräte und Maschinen im Stall. Bei ihm kommt noch eine weitere Variante dazu: Die Ladung von elektrisch angetriebenen Maschinen. Heute gibt es auf dem Betrieb einen elektrisch angetriebenen Futtermischwagen von Siloking, einen E-Hoftrac von Weidemann, einen E-Radlader von Kramer sowie drei Elektroautos. „Wir hoffen, jetzt auch noch einen Elektrotraktor von Fendt zum Testen zu bekommen“, sagt Demmel. Mit dieser Maschine, die 110 kW hat, will er einfache Feldarbeiten wie Wenden oder Schwaden bei der Grasernte erledigen.


Demmel legt großen Wert auf Stromspeicher-Systeme. Neben einem Eiswasserspeicher, der ebenfalls mit Solarstrom betrieben wird, besitzt er eine Batterie mit 138 kWh Kapazität, die wegen der Größe in einer Fertiggarage untergebracht ist. Er nutzt den Solarstrom heute so:


  • Nach Sonnenaufgang werden zunächst alle Maschinen und Geräte direkt geladen bzw. angetrieben.
  • Überschüsse fließen in den Stromspeicher.
  • Die Produktionsspitze in der Mittagszeit nutzt er, um den Eiswasserspeicher zu laden.
  • Hohe Priorität hat der Futtermischwagen, da er abends zum Füttern wieder geladen sein muss.
  • Abends nutzt Demmel den Strom aus der Batterie vor allem für das Lichtprogramm, den Melkroboter (zwei Boxen), Futteranschiebe- und Spaltenroboter. Morgens sind noch etwa 40% der Energieladung enthalten. „Wir können mit dem Speicher heute 24 Stunden mit schlechtem Wetter ohne Solarstromproduktion überbrücken“, sagt er.


Er hofft, dass er den Stromspeicher der Fahrzeuge künftig zum Laden und Entladen mitnutzen kann. „Allein auf unserem Betrieb haben sie zusammen rund 300 kWh, womit sich Schlechtwetterperioden noch länger überbrücken lassen“, rechnet er vor.


Abwärme zur Heutrocknung


Einen anderen Nutzen zieht Johann Falter aus Pleiskirchen (Bayern) aus der Solaranlage: Er nutzt die angewärmte Luft unter den Modulen zur Heutrocknung. Zwar hatte der Naturlandbetrieb selbst die Milchviehhaltung schon im Jahr 2004 aufgegeben. Aber sein Modell ist dennoch eine Lösung für andere Kuhbetriebe.


Um die Warmluft nutzen zu können, hat Falter auf einer Maschinenhalle ebenfalls von Firma Hörmann eine Indach-Solaranlage installieren lassen. Die monokristallinen Module haben insgesamt eine Leistung von 213 kW.


Die Anlage ist auf einer Vollholzdecke mit daraufliegender, diffusionsoffener Dachbahn installiert. Zwischen der Unterkonstruktion und den Modulen gibt es 30 cm Abstand. Hier erwärmt sich die Luft unter den Modulen auf bis zu 55°C. Diese Luft saugt Falter ab. „Damit haben wir nicht nur kostenlose Wärme, sondern erhöhen auch die Effizienz der Solarmodule“, sagt er. Selbst hat er die Mehrleistung nicht gemessen, da er keine Vergleichswerte hat. Allerdings gibt die Literatur bei ausreichender Hinterlüftung einen Mehrertrag von 5 bis 10% an. „5% mehr Strom bei unseren 213 kW wären im Jahr etwa 10000 kWh, das ist schon eine Hausnummer“, sagt er.


Die warme Luft wird erst in einem Kondensat-Entfeuchter getrocknet und gelangt dann mit maximal 40°C zu den Trocknungsboxen.


Vielseitig nutzbare Boxen


Für die Heutrocknung hat Falter zwei Buchten mit je 80 m² Fläche gebaut. Sie sind mit Schlitzblechen ausgelegt. Durch diese strömt die warme Luft von unten.


Falter baut Luzerne an. „Wir mähen in Etappen immer nur so viel davon auf einmal, dass wir es gleich trocknen können“, beschreibt der Landwirt. Das Mähen übernimmt der Betrieb selbst. Anschließend fährt ein Lohnunternehmer das Heu innerhalb weniger Stunden per Ladewagen ab. Das feuchte Material füllt der Lohnunternehmer gleich in die Trocknungsboxen. Dann werden sie abwechselnd jeweils eine Stunde lang belüftet.


Das Luzerneheu hat einen hohen Eiweißgehalt von rund 24% Rohprotein. „Das Heu vermarkten wir in verschiedenen Packungen an Kleintierhalter, es wäre aber auch interessant z.B. für andere Milchproduzenten, die Heu füttern wollen“, erklärt Falter.


Mobile Abtrennung


Mit stapelbaren Betonblöcken kann er die Boxen in unterschiedliche Abteilungen für verschiedene Schüttgüter abtrennen. Im Winter dienen die Boxen, die selbst mit Lkw mit bis zu 40 t befahrbar sind, als Abstellfläche. Für das System hat er insgesamt investiert:


  • Technik für Heutrocknung (Entfeuchter, Lüfter, Steuerung): ca. 100000 €,
  • Trocknungsboxen mit befahrbaren Böden: ca. 30000 €,
  • Mehraufwand Photovoltaikanlage (Unterkonstruktion, Luftkanäle): ca. 50000 €.


Sein Fazit lautet: „Mit diesem System sind wir sehr flexibel, wir haben eine günstige Wärmequelle und gleichzeitig viel Solarstrom, den wir im Betrieb nutzen können“.


hinrich.neumann@topagrar.com

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