Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Milchpreis Maisaussaat Ackerboden Rapspreis

topplus Aus dem Heft

Tierwohlmilch lässt Kosten steigen

Lesezeit: 7 Minuten

Wie hoch sind die Zusatzkosten, wenn Landwirte Milch mit höheren Tierwohlstandards erzeugen? Und welche Mehrkosten haben Molkereien bei der Verarbeitung dieser Milch? Eine Studie liefert Antworten.


Das Wichtigste zu den Themen Rind + Milch mittwochs per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Ausgelöst durch die gesellschaftliche Diskussion um mehr Tierwohl haben sich in den vergangenen Jahren verschiedene Tierwohlstandards entwickelt. Auch für Trinkmilch gibt es Programme.


Die Verfügbarkeit von Trinkmilch mit höheren Tierwohlanforderungen im Lebensmitteleinzelhandel (LEH) ist jedoch verhältnismäßig gering. Eine Untersuchung bei Aldi, Lidl, Rewe und Edeka zeigte, dass lediglich 7% der angebotenen Trinkmilch ein Tierwohllabel trug. 23% der Trinkmilch waren mit einem Biolabel gekennzeichnet und 70% wiesen kein tierwohlrelevantes Label auf. Zudem zeigte sich, dass Verbraucher Preisaufschläge im LEH nicht mit dem Attribut Tierschutz oder Tierwohl verbinden, sondern eher mit Weidegang verknüpfen. Während Konsumenten Attribute wie „Weidegang“ gut einschätzen können, fällt es ihnen schwer, Kriterien wie „Platzbedarf im Stall“ zu beurteilen. Besonders für kostenintensive Investitionen in den Stall gibt es also nur eine geringe Mehrzahlungsbereitschaft der Verbraucher.


Label „Für mehr Tierschutz“


Obwohl Verbraucher die Mehrwerte nicht immer einordnen können, entstehen sowohl den Produzenten als auch den Verarbeitern höhere Kosten. Zur Erfassung dieser Mehrkosten in der Milcherzeugung haben das ife Institut für Ernährungswirtschaft in Kiel in Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Kiel das Label „Für mehr Tierschutz“ vom Deutschen Tierschutzbund als Referenz gewählt. Das Siegel gibt vergleichsweise hohe Anforderungen vor, die in detaillierter und messbarer Form dargelegt sind. Ziel war es, herauszufinden, ob und welche Investitionen für die Landwirte notwendig sind, um die Anforderungen erfüllen zu können und welche Kosten durch die Produktion für das Label entstehen.


Dazu nahmen Milcherzeuger an einer Befragung teil. Sie mussten angeben, welche Bedingungen auf ihren Betrieben vorliegen. Auf dieser Basis haben die Forscher ermittelt, welche Investitionen und Unternehmensmaßnahmen zur Erfüllung der Richtlinien des Deutschen Tierschutzbundes nötig wären. Dabei ging es immer um die minimal notwendigen Investitionen, also die unterste Grenze. In der Einstiegsstufe sind alle Bedingungen für den Stall geregelt, in der Premiumstufe müssen die Landwirte zusätzlich Weide und Laufhof vorhalten. Für die Teilnahme erhalten sie Zuschläge in Höhe von 1 bis 2 ct/kg Milch in der Einstiegsstufe und 4 bis 5 ct/kg in der Premiumstufe.


Da die Einhaltung von Tierwohlstandards auch laufende Kosten, wie z.B. die Verwendung von gentechnikfreiem Futter mit sich bringt, erfassten die Wissenschaftler auch diese Kosten. Anhand der Summe aller Positionen berechneten sie die Zusatzkosten, die pro Kilogramm Milch anfallen, wenn die Betriebe die Anforderungen des Labels „Für mehr Tierschutz“ erfüllen.


Insgesamt nahmen 235 Betriebe aus neun Bundesländern (Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein) an der Befragung teil. Die Stichprobe weist dabei eine Verzerrung auf, da die Höfe im Mittel größer waren und die Milchmenge höher war als der Bundesschnitt. Während Milchviehbetriebe in Deutschland durchschnittlich 67,1 Kühe halten mit einer mittleren Milchleistung von 8063 kg pro Kuh und Jahr, sind in der Studie Betriebe mit einer Herdengröße von im Mittel 132 und einem Herdenschnitt von 9027 kg/Kuh und Jahr abgebildet.


Strukturen der Höfe


Rund 85% der teilnehmenden Betriebe hielten ihre Kühe im Liegeboxenlaufstall (siehe Übersicht 1). Weitere Haltungssysteme für die laktierenden Kühe waren die Anbindehaltung (8,1%) sowie die Mischform Liegeboxen- und Tiefstreustall (5,1%). Die befragten Landwirte hielten ihre Trockensteher ebenfalls überwiegend im Liegeboxenlaufstall (54%).


Die Ergebnisse der Befragung zeigten, dass lediglich einer der befragten Betriebe alle 16 Richtlinien des Labels „Für mehr Tierschutz“ bereits einhalten konnte. Die Mehrheit der Betriebe konnte zwischen neun und zwölf Richtlinien erfüllen. Hierbei fiel auf, dass die meisten Betriebe nicht die geforderte separate Abkalbe- und Krankenbucht vorweisen konnten. Außerdem waren häufig nicht ausreichend Fressplätze und Scheuerbürsten vorhanden. Auch die Vorgaben in Bezug auf Weidegang und Laufhof, die für die Teilnahme an der Premiumstufe vorgeschrieben sind, konnten viele Milcherzeugerbetriebe nicht erfüllen. ▶


Für viele Betriebe stellt die Nachrüstung von Laufhof und Weidegang eine Herausforderung dar. Entweder lassen die räumlichen Gegebenheiten den Bau eines Laufhofs nicht zu oder es steht nicht genügend hofnahe Fläche zur Verfügung, um den laktierenden Kühen Weidegang zu ermöglichen.


2,64 Cent höhere Kosten


Die Berechnungen ergaben, dass im Schnitt 2,64 ct mehr je kg Milch nötig sind, um die zusätzlichen Kosten in der Premiumstufe zu decken. Kosten von 1,7 ct/kg entstehen durch Investitionen in den Stall, die zur Erfüllung der Richtlinien der Einstiegsstufe nötig sind. Zuzüglich einiger variabler Kosten, die sich z.B. durch die Richtlinien bei der Enthornung und Trächtigkeitsuntersuchung vor der Schlachtung in der Einstiegsstufe ergeben, steigen die Kosten je Liter Milch auf 2,28 Cent. Betriebe, die die höheren Vorgaben der Premiumstufe erfüllen könnten (Laufhof und Weidegang), hätten durch die Einhaltung aller in der Tabelle aufgelisteten Richtlinien Mehrkosten in Höhe von 2,64 ct/kg Milch (siehe Übersicht 2).


Wegen der unterschiedlichen Grundvoraussetzungen auf den Höfen, variieren die Kosten zwischen den einzelnen Betrieben deutlich. Für die 25% der Betriebe mit den geringsten Investitionen zur Umstellung auf Tierwohlmilch, kommen in der Einstiegsstufe Produktionskosten von im Durchschnitt 0,63ct/kg Milch hinzu. In der Premiumstufe sind es 0,84 ct/kg.


Demgegenüber hätten die 25% der Betriebe mit den höchsten Investitionen zusätzliche Produktionskosten von 5,33 ct/kg Milch in der Einstiegsstufe und 5,90 ct/kg in der Premiumstufe. Bei Betrachtung der Einflussfaktoren auf die Höhe der Mehrkosten zeigt sich, dass insbesondere Betriebe mit Anbindehaltung und geringerer Milchleistung höhere Zusatzkosten haben. Hierbei ist zu beachten, dass die Stichprobe nach oben verzerrt war und nicht den Bundesdurchschnitt widerspiegelt. Die Kosten wären vermutlich noch höher.


Die Herstellung von Trinkmilch mit höheren Tierwohlstandards verursacht nicht nur für die Landwirte höhere Kosten, sondern auch für die Milchverarbeiter. Denn sie müssen die Milch mit höheren Tierwohlstandards von der Erfassung bis hin zur Zusicherung bestimmter Mengen an den LEH von der konventionellen Milch trennen.


Für die Kostenermittlung befragten die Wissenschaftler vier Molkereien, die hohe Anteile von Weidemilch oder Milch für das Label „Für mehr Tierschutz“ herstellen (siehe Übersicht 3).


Hohe Spannweite


Die Mehrkosten der Molkereien lagen zwischen 5,7 und 18,9 ct/kg. Den größten Einfluss hatte die geringere Absatzmenge und die verminderte Absatzsicherheit. Dadurch steigen vor allem die Kosten für die Transporte in die Lager des LEH sowie die Milchsammel- und Verarbeitungskosten. Ein weiterer großer Kostenpunkt sind die Liefersicherungskosten. Bei kleineren Marktsegmenten, wie Trinkmilch mit höheren Tierwohlanforderungen, sind Absatz- und Rohstoffmengen oft schwierig in Einklang zu bringen. Um Liefersicherheit für den LEH zu gewährleisten, müssen die Rohstoffmengen an der saisonalen Spitzennachfrage ausgerichtet werden. Das hat zur Folge, dass in Zeiten mit weniger Nachfrage und dadurch geringeren Absatzmengen zu viel Rohstoff vorhanden ist. Für die überschüssige Liefermenge, die nicht höherpreisig vermarktet werden kann, erhalten die Lieferanten trotzdem einen Preisaufschlag. Diese Kosten tragen die Molkereien.


Zwei Voraussetzungen


Die Studie konnte die Mehrkosten für Milcherzeuger und -verarbeiter, die durch die Einhaltung eines Tierwohlstandards entstehen, deutlich feststellen. Eine wirtschaftliche Vermarktung von Milch mit höheren Tierwohlstandards erfordert zwei Kriterien: Milchviehbetriebe müssen bereits eine günstige Ausgangssituation haben. Und Molkereien, die in dem Bereich tätig sind, müssen auf die Weiterverarbeitung und Vermarktung des Segments Tierwohlmilch spezialisiert sein.


kirsten.gierse-westermeier@topagrar.com

Die Redaktion empfiehlt

top + Zum Start in die Maisaussaat keine wichtigen Infos verpassen

Alle wichtigen Infos & Ratgeber zur Maisaussaat 2024, exklusive Beiträge, Videos & Hintergrundinformationen

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.