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Verantwortung endet nicht am Hoftor

Lesezeit: 5 Minuten

Ist das Rind transportfähig oder nicht? Ein neuer Leitfaden soll für Landwirte, Tierärzte und Transporteure Klarheit schaffen.


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Es sind Einzelfälle, die mediale Aufmerksamkeit erringen und am Image der Branche kratzen: Bilder von lahmen Bullen oder festliegenden, kranken Kühen auf Tiertransportern.


„Jedes Tier, das Veterinäre erst am Schlachthof als nicht transportfähig einstufen, ist eines zu viel“, sagt Dr.Yvonne Schneider, Konzern-Tierschutzbeauftragte der Westfleisch SCE mbH. Doch im Gegensatz zum Eindruck, den Berichte über Transporte vermitteln, seien transportunfähige Rinder am Schlachthof Ausnahmen und nicht die Regel. Nicht transportfähig sind laut EU-Recht alle Tiere mit pathologischen Zuständen, wie Knochenbrüchen, oder physiologischen Schwächen, wie einer fortgeschrittenen Trächtigkeit.


Grenzen erkennen


Das sind eindeutige Fälle. „Unsicherheit herrscht bei Landwirten und Tierärzten aber meist bei den Grenzfällen“, erklärt Prof. Dr. Wilfried Hopp, Leitender Kreisveterinär in Soest (Nordrhein-Westfalen). Wann lahmt ein Bulle zu stark, wann ist die Wunde zu frisch oder die Kuh zu schwach? Hier müssen Rinderhalter das Wohl des Tieres, den Wert des Fleisches als Lebensmittel und wirtschaftliche Belange für sich abwägen – das fällt nicht immer leicht.


Der Rindergesundheitsdienst Nordrhein-Westfalen (NRW), mehrere Landkreise in NRW und das Unternehmen Westfleisch haben zu dem Thema einen Leitfaden entwickelt, der die Landwirte genau dabei unterstützen soll.


Das Prinzip des Leitfadens ist mit einem Ampelsystem bewusst einfach gehalten. Je ein Foto zeigt ein Rind in einem bestimmten körperlichen Zustand.


  • Ein grüner Smiley zeigt, dass das abgebildete Tier transportfähig ist.
  • Ein gelber Smiley mit einem Telefonsymbol weist darauf hin, vor dem Transport Rücksprache mit dem Hoftierarzt zu halten.
  • Ein roter Smiley bedeutet, das Tier gehört nicht auf den Anhänger.


Der Leitfaden beschreibt ebenso die Schlachtfähigkeit (Lebensmitteltauglichkeit) der Rinder. Nicht schlachtfähige Tiere verwertet der Schlachthof nicht und der Transport ist unnötig.


Der Schweinegesundheitsdienst Niedersachsen veröffentlichte 2017 einen ähnlichen Leitfaden. „Das Ampelsystem hat mehr Klarheit geschaffen und Schweinehalter schätzten den Zustand der Tiere korrekter ein“, berichtet Hopp. Das dient dem Tierwohl und gibt allen Beteiligten Sicherheit.


Den gleichen Mehrwert soll auch der neue Rinder-Leitfaden bringen. Denn erfahrungsgemäß bewerten Bullenhalter insbesondere Gliedmaßenerkrankungen falsch, so Hopp. Ein Bulle, der sich auf Stroh gut mit einer Beinfehlstellung entwickelt hat, kann dennoch nicht transportfähig sein. Schließlich kann er bei der Fahrt nicht das Gleichgewicht halten. „Insgesamt machen Milchviehhalter aber noch die meisten Fehler“, so der Amtstierarzt. Das Problem ergebe sich aus dem Alter der Tiere. Denn während Bullen und Kälber bei der Schlachtung „in der Blüte ihres Lebens stehen“, liefern Milchviehhalter in der Regel nur ältere Kühe an den Schlachthof, die wegen zu geringer Leistung, Unfruchtbarkeit oder Klauen-erkrankungen den Betrieb verlassen müssen, erklärt Schneider. „Landwirte dürfen nicht unterschätzen, dass das Aufladen und der Transport gerade für Rinder eine besondere Stresssituation darstellen. Das kann den Gesundheitszustand ohnehin geschwächter Tiere während der Fahrt weiter verschlechtern“, so Schneider.


KLappe zu, Problem gelöst?


Fehlentscheidungen bei der Einschätzung der Rinder haben für alle Beteiligten Folgen. Wird ein nicht transportfähiges Rind fälschlicherweise verladen, machen sich sowohl der Landwirt als auch der Transporteur strafbar. Kommt dieses Tier am Schlachthof an, muss das Schlachthofpersonal das Rind je nach Gesundheitszustand separat aufstallen oder im Extremfall noch auf dem Transporter betäuben und töten. Schlachthof und Amtstierarzt dokumentieren den Vorfall. Der Amtstierarzt teilt den Verstoß dem Veterinäramt des Rinderhalters mit, das den Fall weiter prüft. Je nach Schwere des Verstoßes haben der Landwirt und der Transporteur eine Ordnungswidrigkeit oder Straftat begangen. Auch einem Tierarzt, der eine schriftliche Transporterlaubnis ausgestellt hat, drohen rechtliche Schritte.


Fleisch für die Tonne


Kritiker bemängeln, dass durch die strikten rechtlichen Vorgaben wertvolles Fleisch unnötig verworfen wird. Hier besteht allerdings ein klarer Unterschied zwischen kranken und verunfallten Tieren:


Ein krankes Rind leidet beispielsweise unter einer Infektionskrankheit, ist extrem abgemagert, hat starken Durchfall oder Störungen des Nervensystems. Solche klaren Symptome schließen eine Schlachtung direkt aus. „Bei Grenzfällen sollte der Landwirt sich als Erstes fragen, ob er das Fleisch selbst essen würde, bevor der Gedanke kommt, ein solches Tier als Lebensmittel zu verwerten“, so Hopp. Ist die Lage unklar, sollte immer ein Tierarzt beraten, ob eine Behandlung sinnvoll oder eine Nottötung der richtige Weg ist. Krankschlachtungen sind auch am Herkunftsbetrieb verboten. Ein notgetötetes Tier kommt in die Tierkörperbeseitigung.


Ein gesundes Tier hingegen, das einen Unfall hatte und daher nicht zum Schlachthof transportiert werden kann, dürfen Landwirte notschlachten lassen. Dazu zählen unter anderem Knochenbrüche oder Sehnenverletzungen. Nach einer korrekten Notschlachtung hat das Fleisch Lebensmittelqualität. Voraussetzung dafür ist, dass der Unfall nicht länger als 24 Stunden zurückliegt und ein Tierarzt eine Schlachttieruntersuchung durchführt. Eine sachkundige Person betäubt und entblutet das Rind dann vor Ort. Der Transport zum Schlachthof muss unverzüglich stattfinden. Eine Kühlung ist dabei nicht in allen Fällen nötig.


Doch nicht alle Schlachthöfe nehmen Rinder aus Notschlachtungen an – darunter auch Westfleisch. Laut Hopp und Schneider ist es daher wichtig, dass eine lokale Infrastruktur zur Schlachtung bestehen bleibt. Ohne Schlachtereien in der Nähe ist eine Notschlachtung schwer umsetzbar – die Strukturen entwickeln sich jedoch entgegengesetzt.


Für Schneider kommt der Leitfaden zum richtigen Zeitpunkt: Schon seitdem die Diskussion über Tiertransporte in der Öffentlichkeit weiter entfacht ist, schicken Tierärzte, Fahrer und Landwirte häufiger Bilder und Videos von unklaren Fällen an die Tierschutzbeauftragte. „Eine Ferndiagnose ist sicherlich nicht möglich und auch kein Ziel“, sagt Schneider. Aber es werde mehr miteinander gesprochen und die gesamte Transportkette sei wachsamer. Nur so lassen sich Einzelfälle weiter minimieren und der Ruf der gesamten Branche schützen.


julia.hufelschulte@topagrar.com

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