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Verbindliche Verträge für mehr Marktstabilität?

Lesezeit: 6 Minuten

Darum geht’s: Die Coronakrise hat den Milchmarkt schwer getroffen. Weil zu viel Milch auf den Markt drückt, drohen die Preise massiv einzubrechen. Brauchen wir künftig den Artikel 148 Gemeinsame Marktorganisation (GMO), um den Markt besser steuern und frühzeitig stabilisieren zu können?


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Die Molkereiwirtschaft wehrt sich weiter vehement gegen eine allgemein gültige Vorgabe von verbindlichen Verträgen zwischen Milchviehhalter und Milchverarbeiter. Dieses Verhalten sorgt aufgrund der nicht kalkulierbaren Menge für unnötig Druck am Milchmarkt. Deshalb ist es aus Sicht des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter (BDM) notwendig, den Art. 148 GMO umzusetzen. Bestandteil der Verträge wären konkrete Vereinbarungen über Liefermengen, Milcherzeugerpreis, Dauer der Lieferbeziehung und entsprechende Qualitätsmerkmale.


Das im Milchsektor übliche Vorgehen, den Milcherzeugerpreis für die gelieferte Rohmilch erst mit der Milchgeldabrechnung im Folgemonat mitgeteilt zu bekommen, ist ein Relikt aus dem 19. Jahrhundert und passt nicht mehr in die heutige Zeit der globalen Warenströme. Denn dieses Vergütungsmodell erlaubt uns Milchviehhaltern keine wirtschaftliche Planbarkeit für unsere Betriebe. Molkereien hingegen haben den Spielraum, das allgemeine Marktrisiko auf die Lieferanten abzuwälzen. Das ist nicht nur unfair, sondern widerspricht auch der Position, dass sich die Milcherzeuger dem Markt stellen sollen. Einige Milchverarbeiter geben ihren Milchpreis zwar bereits kurz vor Beginn des kommenden Liefermonats an. Doch auch das ändert grundsätzlich nichts an der Situation.


Aus Sicht des BDM sprechen folgende Argumente für eine allgemeingültige Vorgabe von verbindlich abzuschließenden Verträgen:


  • Die Vertragspartner müssten sich regelmäßig mit den Marktgegebenheiten (Angebot und Nachfrage) befassen und sich auf entsprechende Parameter einigen.
  • Wiederkehrende, konkrete Vertragsverhandlungen und damit gleichzeitig der Blick auf die aktuelle und künftige Marktentwicklung wären nötig.
  • Molkereien und Erzeuger müssten vor anstehenden Erweiterungsschritten der Milchviehbetriebe die Abnahme der Mehrmenge vertraglich regeln.
  • Verbindliche, vertragliche Vereinbarungen, gerade mit genossenschaftlich strukturierten Unternehmen, könnten verhindern, dass die Genossenschaftsmolkereien bei Kontraktverhandlungen mit der Ernährungsindustrie und dem Lebensmitteleinzelhandel voreilig Preiszugeständnisse machen.
  • Diese vertraglichen Vereinbarungen verhindern bei schnellen Preiszugeständnissen, dass die Molkereien diese umgehend auf die Milchviehhalter abwälzen. Damit erhöht sich die Notwendigkeit für Molkereiunternehmen stringenter zu planen. Denn vorschnelle Preiszugeständnisse würden zumindest teilweise auch zu ihren Lasten gehen.
  • Mit der Notwendigkeit, sich mit der Entwicklung von Angebot und Nachfrage zu befassen, lassen sich aufziehende Marktkrisen möglicherweise früher identifizieren.
  • Die Milchmenge lässt sich auf die Verarbeitungs- sowie Vermarktungskapazitäten des jeweiligen Molkereiunternehmens anpassen – ohne dass dies die Gesamtmarktsituation beeinflussen würde.


Trotz der aufgezählten Vorteile muss auch deutlich gesagt werden, dass die Umsetzung des Art. 148 GMO nicht die Notwendigkeit ersetzt, für Marktrisiken entsprechende Instrumente zu installieren. Denn ein Auseinanderdriften von Angebot und Nachfrage auf nationaler, europäischer oder globaler Ebene lässt sich über vertragliche Vereinbarungen zwischen Milchverarbeitern und Milcherzeugern nur begrenzt verhindern.


Nur über entsprechende Instrumente ist es möglich, die Milchanlieferung auf EU-Ebene zeitlich befristet zu begrenzen. Beispiele für solche Instrumente sind im BDM-Milchmarkt-Krisenmanagement-Konzept dargestellt.


Seit Jahren hat der Staat die Möglichkeit, die vollständige Anwendung der Marktregelung Art. 148 GMO für die Molkereien verpflichtend vorzuschreiben. Aus guten Gründen geschah das bisher noch nicht: Wir leben in einem freiheitlichen Rechtsstaat und der Staat soll und wird nur dort eingreifen, wo es notwendig ist.


Den Großteil der deutschen Milch erfassen Genossenschaften. Ich kenne keine Genossenschaft in Deutschland, die das Thema Lieferbeziehungen nicht leidenschaftlich diskutiert hat. Ähnlich fanden die Diskussionen in privaten Molkereien statt. Auch die Teilnehmer der Strategie 2030 behandelten das Thema Lieferbeziehungen ausführlich. Sie hielten fest: Die Verantwortung für das Management der Anlieferungsmengen liegt allein in den Händen der Marktakteure. Molkereien müssen gemeinsam mit ihren Lieferanten intensiv Lösungen vorantreiben. Sie können dort alle Parameter des Art. 148 freiwillig verankern.


Viel ist auch schon geschehen: Molkereien haben Kündigungsfristen verkürzt, Festpreismodelle diskutiert und Warentermingeschäfte über die Börse ermöglicht. Das ist nicht trivial und fordert Aufwand und Kosten bei allen Beteiligten. Doch als es zum Schwur kommen musste, haben die Erzeuger abgelehnt und stattdessen Volatilität in Kauf genommen. Prof. Dr. Holger Thiele vom ife Institut für Ernährungswirtschaft in Kiel begleitete das in einer Studie. Er hat eindrucksvoll dargestellt, was alles schon vereinbart wurde. Das Ergebnis: Eine vertragliche Vereinbarung über Eingriffe in das Lieferrecht wurde mehrheitlich abgelehnt – von den Erzeugern. Der Sinn einer staatlichen Regelung ist auch nicht erkennbar. Nach 31 Jahren Milchquotenregelung endete dieses EU-Instrument 2015. Einige Befürworter des Art. 148 GMO erwecken nun den Eindruck, dass mit der Vollanwendung des Artikels alle Krisen beherrschbar werden. Gäbe es in der Konsequenz auch die Anwendung des Art. 148 GMO für alle anderen Marktsegmente wie Schweinefleisch und Kartoffeln? Volatilität ist auch dort ein steter Begleiter im Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage.


In Ländern, wo das Instrument bereits eingeführt ist, ist die Ertragslage der Milcherzeuger nicht besser als in Deutschland. Denn bei der Einschränkung von Milchmengen fehlt etwas an der Gleichung „Milchmenge mal Preis gleich Umsatz“. Auch ist folgende Theorie der Befürworter unrund: Wenn Molkereien vor der Lieferung Preis und Menge der Rohmilch benennen müssen, ergibt sich automatisch ein besserer Milchpreis und eine bessere Ertragslage für die Milcherzeuger. Dieser planwirtschaftliche Ansatz geht nicht auf im vereinten Europa mit offenen Grenzen. Der Milchpreis bildet sich am Markt durch Angebot und Nachfrage, nicht im Artikel 148!


Dazu ein Gedankenspiel: Wie hätte denn zu Ostern in der akuten Coronasituation ein Vertragsangebot einer Molkerei mit dem Schwerpunkt Gemeinschaftsverpflegung für die nächsten sechs Monate ausgesehen? Hätte der Art. 148 hier helfen können? Die Abnahmemenge wäre unklar und ein Preis über den Spotmarkt wahrscheinlich nicht drin gewesen. Sollte man Molkereien zu einem Festpreis zwingen, wäre dieser klein und würde eine Sicherheitsmarge beinhalten.


Krisenfestigkeit ist wichtig für Molkereien und Milcherzeuger. Krisen wie Covid-19 lassen sich nicht verhindern, sondern nur bestmöglich managen. Aber bitte ohne den Aufbau eines Bürokratiemonsters wie dem Art. 148. Lassen wir die Milcherzeuger gemeinsam mit ihren Molkereien über die Lieferbeziehungen entscheiden, nicht den Staat! kirsten.gierse-westermeier@topagrar.com

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