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Vorteil verpflichtende Herkunftskennzeichnung?

Lesezeit: 5 Minuten

Darum geht’s: Einige EU-Staaten schreiben eine nationale Herkunftskennzeichnung für eigene Milch(produkte) vor. Darunter leiden die anderen EU-Mitgliedstaaten, da diese Märkte für den Export unattraktiv werden. Würden die deutschen Milchbauern im Umkehrschluss von einer eigenen verpflichtenden nationalen Herkunftskennzeichnung profitieren?


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Die deutsche Milcherzeugung erfüllt höchste Ansprüche an Produkt- und Prozessqualität. Laufende Debatten zeigen, dass Deutschland Themen wie Tier-, Umwelt- und Klimaschutz schneller angeht als einige europäische Partner. Es ist deshalb im Sinne der deutschen Milchviehhalter, Verbrauchern die Vorteile der heimisch erzeugten Lebensmittel klar zu machen. Eine verpflichtende nationale Herkunftskennzeichnung könnte dazu beitragen, widerspricht allerdings dem aktuellen EU-Recht.


Es kann nicht sein, dass die deutsche Milchwirtschaft durch Protektionismus vor verschlossenen Grenzen für ihre Milchprodukte steht. Mit der Einführung der verpflichtenden Herkunftskennzeichnung in Frankreich kam es zu deutlichen Einbußen des deutschen Exports z.B. von abgepackter Trinkmilch in Richtung Frankreich. Und das bei wachsenden Importen von Rohmilch, die keinerlei Zugangsbeschränkung zum deutschen Markt haben. Seit 2010 ist der Import von Rohmilch aus den Nachbarstaaten, vor allem aus Ost-Europa, von 1,6 Mrd. auf 2,5 Mrd. kg gestiegen. Die deutschen Exportmengen in die EU blieben dagegen mit 1,4 Mrd. kg relativ konstant.


Wir vom Deutschen Bauernverband (DBV) fordern eine europaweit verpflichtende nationale Herkunftskennzeichnung. Das heißt, es soll nicht „die EU“, sondern das entsprechende Herkunftsland auf dem jeweiligen Produkt ausgewiesen sein. Das allein greift aber noch zu kurz. Wir begrüßen deshalb, dass die Bundesregierung den Vorschlag des DBV für eine EU-weit verpflichtende und vor allem kombinierte Haltungs- und Herkunftskennzeichnung aufgegriffen hat. Denn eine alleinige nationale Herkunftskennzeichnung sagt nichts über die Haltungsform der Milchkühe aus.


Die Vergangenheit hat gezeigt, dass Appelle an Konsumenten nicht reichen, um bessere Standards zu würdigen. Verbraucher benötigen verständliche Informationen, um sich über das „wie“ und „woher“ der Lebensmittel zu informieren. Eine Kombination aus Haltungs- und Herkunftsangaben sollte im besten Fall auch für Erzeugnisse aus Drittländern gelten. So könnten Konsumenten noch besser differenzieren. Gleichzeitig würden auch Molkereien und der Lebensmitteleinzelhandel in die Pflicht genommen. Das könnte Listungsentscheidungen in den Märkten beeinflussen.


Vor dem Hintergrund der alleinigen nationalen Herkunftskennzeichnung hat der Europäische Gerichtshof am 1. Oktober 2020 ein Urteil gesprochen: Es setzt den EU-Mitgliedstaaten wesentlich engere Grenzen für die verpflichtende Herkunftskennzeichnung auf Lebensmitteln. Die deutschen Milchbauern profitieren wirtschaftlich also weiterhin vom EU-Binnenmarkt. Denn rund 40% der in Deutschland verarbeiteten Milch wird in die weiteren EU-Mitgliedstaaten verkauft.


Das Ziel, QM-Milch auf Milchprodukten auszuloben, ist deutlich von einer nationalen Herkunftskennzeichnung abzugrenzen. Rohmilch in Milchprodukten, auf denen in Zukunft QM-Milch steht, muss auch nach den Vorgaben von QM-Milch oder von äquivalenten Systemen, die auch aus dem Ausland kommen können, produziert worden sein. QM-Milch ist in Deutschland bereits bei mehr als 90% der Milcherzeuger etabliert. In der polnischen oder tschechischen Milchwirtschaft (noch) nicht. Mit dem geplanten QM-Milch-Siegel soll also nicht die Herkunft, dafür aber der Qualitätsstandard für den deutschen Markt vorgegeben sein.


Ein Ausloben der regionalen Herkunft ist bei Milch und Milcherzeugnissen weit verbreitet. „Regionalkennzeichnungen“ auf freiwilliger Basis sind ein anerkanntes und effektives Marketinginstrument und auf regionaler Ebene auch grenzüberschreitend sinnvoll. Nationaler Protektionismus hingegen war und ist kein Zeichen der Stärke. Vielmehr liegt die Stärke der deutschen und europäischen ‚Laktosphäre‘ im freien Warenverkehr begründet. Dieser ermöglicht bei 480 Mio. VerbraucherInnen in Europa eine bestmögliche Milchverwertung.


Nationalismus, Protektionismus und Gastro-Chauvinismus haben im europäischen Binnenmarkt keinen Platz. Allerdings haben wir heute in neun der 27 Mitgliedstaaten Rechtsregelungen, die zur nationalen Herkunftskennzeichnung bei Milch verpflichten. Frankreich machte 2016 den Anfang und erließ – aus unverblümt protektionistischen Gründen – eine Kennzeichnungsverordnung. Ein Jahr zuvor hatte der französische Bauernverband bereits zum Boykott deutscher Milchprodukte aufgerufen. Und das, obwohl Frankreich selbst 40% der Milch exportiert. In Deutschland beträgt die Exportmenge fast 50%. Der wirtschaftliche Schaden der französischen Kennzeichnungsregelung, insbesondere für die deutsche, holländische und belgische Milchindustrie ist enorm. Dem steht kein Vorteil gegenüber, der sich in einem höheren Erlös oder Milchpreis niedergeschlagen hätte.


Der Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof (EuGH) hat in einer Stellungnahme im Juli dieses Jahres klare Worte gefunden: „Die verpflichtende nationale Herkunftskennzeichnung von Milch würde letztlich den Weg für eine indirekte Wiedereinführung nationaler Regeln für Lebensmittel ebnen, die darauf zugeschnitten sind, rein nationalistische, oder gar chauvinistische, Instinkte der Verbraucher zu bedienen… (so) ist die verpflichtende Angabe des Ursprungslandes oder des Herkunftsortes geeignet, den freien Warenverkehr zu beeinträchtigen, vielleicht sogar stärker als jede andere Form nicht diskriminierender Angaben.“


Der EuGH hat am 1. Oktober 2020 (C485/18, „Lactalis“) außerdem klargestellt, dass die subjektive Assoziation, die eine Mehrheit der Verbraucher möglicherweise zwischen Herkunft und bestimmten Qualitäten eines Lebensmittels hat, niemals eine Rechtfertigung für eine Herkunftskennzeichnungspflicht sein kann. Denn innerhalb der Union mit dem vereinheitlichten Lebensmittelrecht spielt die nationale Herkunft der Milch in puncto Hygiene und Qualität keine Rolle. „Es gibt keinen Unterschied zwischen z.B. französischer oder deutscher Milch“, führte die EU-Kommission im Verfahren vor dem EuGH aus.


QM-Milch will mit einem neuen Siegel eine besondere Milchqualität ausloben. Dieses Siegel gilt auch für Milch aus anderen EU-Mitgliedstaaten, sofern die Erzeuger dort nach den entsprechenden Richtlinien produzieren und die entsprechende Milchqualität nachweisen können. So sind z.B. auch die Anforderungen in Deutschland an die Handelsklasse „Deutsche Markenbutter“ herkunftsunabhängige Qualitätsanforderungen.


Eine strenge EU-weit einheitliche Regelung zur freiwilligen Herkunftsangabe mit besonderem Augenmerk auch auf grenzüberschreitende Regionalkennzeichnung ist der richtige Weg. Dieser Weg schließt besondere Qualitätslogos nicht aus. Aber auch die sind nur sinnvoll, wenn sich der Mehraufwand bei der Verwertung rechnet.


kirsten.gierse-westermeier@topagrar.com

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