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Was will der neue BDM-Chef?

Lesezeit: 8 Minuten

Stefan Mann aus Hessen ist neuer Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter (BDM). top agrar fragt nach seinen Positionen und Plänen.


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Herr Mann, im April haben Sie die Nachfolge von Romuald Schaber als BDM-Vorsitzender angetreten. Was reizt Sie an dieser Aufgabe?


Mann: Nach 20 Jahren Vorstandsarbeit für den BDM will sich Romuald Schaber jetzt mehr um seine Familie und den eigenen Milchviehbetrieb kümmern. Das verdient vollsten Respekt. Mit Siek Postma ist ein weiteres erfahrenes Mitglied ausgeschieden. Ich bin seit 2003 im BDM-Vorstand und arbeite gerne im Team. Da fiel die Entscheidung schnell auf mich. Die neuen Vorstandskollegen Frank Lenz und Elmar Hannen unterstützen mich.


Im fünfköpfigen Vorstand sind zwei Biomilcherzeuger und ein Landwirt, der selbst keine Kühe hält. Ist das repräsentativ für die deutsche Milchwirtschaft?


Mann: Das stimmt, als Problem sehe ich das aber nicht. Wir sind regional gut verteilt und vertreten die gleichen Ansichten, egal ob Bio oder konventionell. Karsten Hansen hat keinen eigenen Milchviehbetrieb, arbeitet aber als Betriebsleiter mit fachlicher und finanzieller Verantwortung. Zudem bilden wir als Vorstand nur die oberen Köpfe. Die Entscheidungen fällen wir mit unserem Beirat. Darin sind 20 Milcherzeuger aus ganz Deutschland vertreten.


Wie viele Mitglieder hat der BDM?


Mann: Aktuell rund 16000 aktive Milcherzeuger. Die Zahl ist in den letzten Jahren gesunken, prozentual ist der BDM-Anteil an allen deutschen Milcherzeugern aber gestiegen. Die meisten Mitglieder haben wir in Süddeutschland.


Kurz nach Ihrer Wahl haben Sie angekündigt, manche Dinge verändern zu wollen. Was meinen Sie konkret?


Mann: Ich werde Romuald Schaber nicht nachahmen. Er ist eine Ausnahmepersönlichkeit, das kann und will ich nicht leisten. Ich möchte auch weiter auf dem eigenen Betrieb anpacken. Um die Abstimmung auf europäischer Ebene mit dem European Milk Board kümmert sich deshalb jetzt der Beiratssprecher Johannes Pfaller. Außerdem möchte ich, dass der BDM zielgerichteter und effizienter arbeitet. Dazu gibt es neue Kompetenz-Cluster, in denen Milcherzeuger entsprechend ihrer Kompetenzen und Interessen Lösungsansätze erarbeiten.


Am Milchmarkt-Krisenmanagement, mit dem Sie Mengenkürzungen in Krisen fordern, halten Sie aber fest – oder?


Mann: Solange es kein anderes, für Milcherzeuger sinnvolles und vorteilhaftes Konzept gibt, halten wir daran fest. Wir haben aber immer gesagt, dass wir offen für Verbesserungen sind. Unstrittig ist für uns, dass in Krisen die Menge runter muss. Wann das nötig ist, muss aus neutralen Marktdaten hervorgehen, z.B. von der EU-Monitoringstelle. Wenn der Staat die rechtlichen Voraussetzungen schafft, dass ein EU-Milchviehhalter-Branchenverband befristete Mengendisziplinmaßnahmen umsetzen kann, muss er selbst nicht direkt eingreifen.


Im Februar 2018 forderte der BDM Mengenkürzungen, um eine neue Krise zu verhindern. Tatsächlich hat niemand eingegriffen, die Milchmenge ist gestiegen und trotzdem ziehen die Produktmärkte und jetzt auch die Milchpreise an...


Mann: Das stimmt nur zum Teil. Erstens hatten wir bereits im Spätherbst auf die sich zuspitzende Marktlage hingewiesen. Und zweitens hat die Kältewelle im Frühjahr die Milchanlieferung gebremst und den Milchmarkt entlastet. Mit unserem Konzept der Frühwarnung hätte sich die Mengenausweitung und damit Preissenkung bereits zum Jahresende bremsen lassen. Weil das nicht passierte, haben einige Molkereien die Auszahlung zu Jahresbeginn deutlich gesenkt. Klar ist aber, dass auch andere Faktoren den Milchmarkt und somit Milchpreis bestimmen. Wichtig ist, dass man sich auf Krisen rechtzeitig vorbereitet.


In der letzten Stufe Ihres Konzeptes fordern Sie eine entschädigungslose Mengenkürzung. Was sagen Sie Ihren Mitgliedern, die aufgestockt haben und mit dem Milchgeld kalkuliert haben?


Mann: Denen stelle ich die Frage, wie lange sie denn den niedrigen Milchpreis aushalten. Die dritte Stufe ist der absolute Ausnahmefall und auch hier wird die Milchmenge nur um wenige Prozentpunkte reduziert. Damit stören wir die Betriebe nicht in ihrer Entwicklung, sondern sorgen für eine deutliche Preiserholung. Denn wie es jetzt läuft, ist doch einfach nur dumm: Der Milchpreis sinkt, jeder Landwirt versucht, seinen Laden zu retten und produziert mehr Milch. Das ist einzelbetrieblich verständlich, gesamtmarktwirtschaftlich aber eine Katastrophe.


Die letzten Kriseninstrumente der Regierung konnten das nicht verhindern: Die Liquiditätsdarlehen haben viele Milcherzeuger für andere Investitionen genutzt, beim Reduzierungsprogramm gab es viele Mitnahmeeffekte und das Beibehaltungsprogramm kam zu spät.


Dennoch lehnt die Bundesregierung Ihr Konzept weiter ab.


Mann: Ja, es gibt Widerstände. Aber die Regierung hat das 2. EU-Hilfspaket mit Mengenmaßnahmen verknüpft und somit einen Teil unseres Konzeptes schon umgesetzt. Wir wollen mit Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner im Gespräch bleiben.


Auch die EU-Kommission hat das BDM-Konzept bisher nicht aufgegriffen.


Mann: Stimmt nicht ganz. Die EU will eine Mengendisziplin als Notfallmaßnahme weiter in die Marktordnung schreiben. Zudem scheint das Parlament offener für Krisenmaßnahmen analog zum BDM-Konzept zu sein.


Was fordern Sie für die GAP 2020?


Mann: Wir brauchen eine gemeinsame Marktordnung! Wenn wir Landwirte die Anforderungen an Tierwohl, Umwelt usw. erfüllen sollen, muss der Markt ausgeglichen sein. Sonst wandert die Produktion in andere Länder ab. Hier sehen wir auch die deutsche Regierung in der Verantwortung. Sie schickt die Milcherzeuger in den freien Markt, will aber keine Rahmenbedingungen dafür schaffen.


Deutlich mehr Zuspruch finden Sie bei den deutschen Länderagrarministern. Was erwarten Sie von der Agrarministerkonferenz im Herbst?


Mann: Unsere Argumente sind stichhaltig, unsere Forderungen bleiben. Verinnerlichen sollten die Minister, dass die EU gerade riesige Verluste bei der Auslagerung von Magermilchpulver aus der Intervention einfährt. Deshalb wird die EU das neue Ausschreibungsverfahren so unattraktiv gestalten, dass in der nächsten Krise kein neues Pulver in die Läger kommt. Wir brauchen deshalb neue Instrumente.


Der BDM steckt viel Herzblut in die Diskussionen um die Menge, gleichzeitig steigen die Kosten der Produktion, beispielsweise durch staatliche Vorgaben. Hier ist der Protest deutlich leiser.


Mann: Nein, er ist nicht leiser. Wir haben eine klare Stellungnahme zur neuen Düngeverordnung abgegeben: Sie bietet dumme Lösungsansätze für die Praxis. Es gibt kein Verursacherprinzip, sondern schert alle Betriebe über einen Kamm. Genauso dumm ist die Pflugregelung auf Grünland. Allein im Kreis Frankenberg haben die Landwirte 2014 etwa 3000 ha Grünland gebrochen, um den Ackerstatus zu erhalten. Das ist politisch unverantwortlich! Die neue Regelung hat einen guten Ansatz, führt aber zu dem Schwachsinn, dass Landwirte ihr Grünland brechen und direkt wieder Gras ansäen. Für die Wasserwirtschaft eine Katastrophe, da Stickstoff ausgespült wird. Wir haben auf die Kostensteigerungen aufmerksam gemacht.


Auch der Handel verteuert mit schärferen Auflagen die Produktion. Wie positionieren Sie sich?


Mann: Es liegt an Angebot und Nachfrage. Nehmen Sie das Beispiel GVO-freie Milch: Vor einigen Jahren haben einige Milcherzeuger bzw. Molkereien dem Handel GVO-freie Milch angeboten. Für die höheren Anforderungen gab es anfangs einen anständigen Ausgleich. Jetzt ist das Angebot deutlich gestiegen, entwickelt sich zum Standard. Am Ende liefern wir Landwirte GVO-freie Milch zum Nulltarif. Fazit: Der Marktdruck sorgt dafür, dass der Handel höhere Auflagen zu Tierwohl usw. durchdrücken kann.


BDM und MEG Milch Board stehen sich nahe, Frank Lenz arbeitet sogar in beiden Vorständen. Gibt es künftig gemeinsame Positionen?


Mann: Wir ergänzen uns gut. Vor allem mit den Zahlen der MEG Milch Board haben wir für Kostenwahrheit gesorgt. Wir zeigen ungeschminkt, was es kostet, 1 kg Milch zu produzieren. Der Ansatz vom Milch Board „Bündelung der Milch und dann Verkauf an Molkereien“ ist gut. Allerdings muss der Milchmarkt vorher im Gleichgewicht sein. Dafür wollen wir sorgen. Bei einem Überangebot bringen die besten Verträge nichts. Das hat die Insolvenz des Milchhändlers Berliner Milcheinfuhrgesellschaft gezeigt. Einzelne Insellösungen zu mengenbeschränkenden Verträgen wie bei FrieslandCampina helfen zwar der Molkerei, aber nicht dem Gesamtmarkt.


Wie steht der BDM zu den Milchpositionen des Deutschen Bauernverbandes?


Mann: Bei der Forderung nach Festpreisen blicke ich nach Irland und sehe, dass die Milchpreise z.B. bei der Molkerei Glanbia niedrig sind. Bei der Forderung nach Leuchtturmmolkereien blicke ich nach Skandinavien und sehe, dass z.B. bei Arla der Milchpreis niedrig ist. Eine Börsenabsicherung kann im Einzelfall richtig sein, bietet aber ausschließlich eine Absicherung, keine Marktveränderung. Und wenn Preissignale schneller bei den Landwirten ankommen sollen, dann müssen wir auch so ehrlich und offen sein, das Marktgeschehen deutlich zu kommunizieren. Am Ende brauchen wir dafür meiner Meinung nach kein Zwei-Preis-Modell.


Was hält der BDM von der Idee, dass die Milchbranche gemeinsame Positionen formuliert?


Mann: Absolut positiv! Reden ist gut, verschiedene Ansichten auszutauschen auch. Wir sind zu Kompromissen bereit, bleiben aber bei unseren grundsätzlichen Positionen. Und wir dürfen nicht die Fehler machen, die andere schon hinter sich haben. Die Schweiz zeigt, dass wir Milcherzeuger über Vertreter von Genossenschaftsmolkereien nicht ausreichend repräsentiert sind.


Letzte Frage: Wie ist Ihre Milchpreis-Prognose für das zweite Halbjahr 2018?


Mann: Ich erwarte für das dritte Quartal eine deutliche Marktentspannung und somit steigende Milchpreise. Gerade deshalb müssen wir jetzt strategisch überlegen, was zu tun ist.


Kontakt: patrick.liste@topagrar.com

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