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„Weide und Acker als Kooperation planen“

Lesezeit: 7 Minuten

Die Kooperation von intensiver Weidemilchproduktion und Ackerbau ist die Antwort auf Umwelt- und Klimafragen, sagt Prof. Friedhelm Taube und verweist auf den Systemvergleich Milchproduktion.


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In einem mehrjährigen Systemvergleich haben Sie vier Milchviehbetriebe mit Blick auf den CO2- und Stickstoff-Fußabdruck untersucht. Was war Anlass und Ziel der Studie?


Taube: Der Anlass war unter anderem der Wiedereinzug von Milchkühen auf dem ökologischen Versuchsbetrieb Lindhof der Universität Kiel. Dazu wollten wir ein Konzept entwickeln, um wirtschaftlich und „ökoeffizient“ Weidemilch zu produzieren. Biodiversität, Klima- und Wasserschutz und dabei vor allem Nitrat-Auswaschung standen im Fokus. Welche Effekte das hat, sollte der Vergleich zu anderen Betrieben zeigen.


Was sind die wichtigsten Ergebnisse aus dem Projekt?


Taube: Eine steigende Milchleistung reduziert die CO2-Emissionen je Liter Milch, aber nur bis zu einer Größenordnung von 7000 kg energiekorrigierte Milch (ECM)/Kuh. Eine weitere Leistungssteigerung erfordert einen hohen Kraftfutter-Einsatz und erhöht damit den Flächenbedarf. Effizient Milch produzieren lässt sich nur mit hochwertigem Grobfutter mit höchsten Energie- und Eiweißgehalten. Auf dem Lindhof erreichen wir mehr als 7 MJ NEL/kg Trockenmasse (TM) mit Ballensilagen aus Kleegras. Rotklee liefert etwa 80% des Proteinwertes von Soja. So lassen sich Futtermittel, Klima- und monetäre Kosten einsparen.


Wie können Milcherzeuger die Ergebnisse nutzen?


Taube: Viele Betriebe mit Stallhaltung vernachlässigen heute das Management und die Pflege vom Grünland. Das schränkt die Grundfutterleistung ein. Optimal wäre: Regelmäßig Kleegras auf dem Grünland nachsäen, eine gemäßigte Stickstoffdüngung, ein optimaler pH-Wert und ein Wechsel aus Weide- und Schnittnutzung.


Eine maximale Grobfutterleistung aus Gras bzw. Klee-Kräuter-Grasbeständen lässt sich nur mit dem Beweiden der Flächen realisieren. Die heute verfügbaren Futtergräser machen es möglich, dass man ‚Konzentratfutter der Energiestufe 3 auf dem Halm‘ anbieten kann.


Zudem ist eine an die Weide angepasste Genetik sinnvoll. Unsere Jersey-Herde hat im Projekt bewiesen, wie effizient sie Energie und Protein aus dem Weidefutter in Milch umsetzen. Sinnvoll ist in Kombination mit Vollweide auch eine saisonale Abkalbung, um die Milchleistung an den Aufwuchs der Weide anzupassen.


Funktioniert das System auch mit der Rasse Holstein?


Taube: Das kommt auf das Leistungsniveau der Herde an: Bis 7500 kg Herdenleistung in jedem Fall. Und bei über 10000 kg zeigen von uns untersuchte Betriebe mit Blockabkalbung im Herbst, dass das sehr gut funktioniert. Die erste Laktationshälfte im Winter verbringen die Kühe im Stall. Ab dem Frühjahr produzieren sie auf der Weide kostengünstig Milch, mit Vorteilen für die Klauengesundheit.


Zukünftig werden die Inhaltsstoffe der Milch ökonomisch wohl noch deutlicher durchschlagen. Daher haben wir uns für die Rasse Jersey entschieden, die am Ende der Laktation über 7% Fett in der Milch ausweist.


Welche Vorteile hat Kleegras in der Fruchtfolge?


Taube: Kleegras bindet Stickstoff (N). Während wir mit dem Maisanbau 20 bis 40 kg N/ha auswaschen, sind es unter Kleegras nur 5 kg. Und: 1 kg Nitrat, das in die Umwelt gelangt, verursacht Kosten von 10 €. Beispielsweise für das Aufbereiten von Trinkwasser. Somit sparen Landwirte, die Kleegras anbauen, der Gesellschaft Kosten von rund 200 €/ha. Das sollte belohnt werden!


Zudem bindet Kleegras Kohlenstoff, denn er hat eine positive Humusbilanz. Pro ha und Jahr sind das bis zu 2 t Kohlenstoff oder 6,5 bis 7 t CO2. Wer regelmäßig Kleegras anbaut und sich den Humusaufbau in CO2-Zertifikaten bescheinigen lässt, könnte eine Gutschrift für die Kohlenstoffbindung bekommen. Mit der geplanten CO2-Steuer kostet 1 t CO2 künftig 60 €. Für einen Betrieb mit einer jährlichen Produktion von 1 Mio. kg Milch sind das rund 25000 €.


Noch ist das Zukunftsmusik, aber wenn die Landwirtschaft direkt oder indirekt Teil des Zertifikatehandels wird, sparen Kleegrassysteme im Vergleich zum Status quo gesellschaftliche Kosten von 300–400 €/ha ein. Sinnvoll wäre zum Einstieg die Förderung von zweijährigem Kleegrasanbau mit nachfolgender Sommerung über die 2. Säule. Dann hat man alles: Klimaschutz, Wasserschutz, Ungrasbekämpfung, beste Vorfruchtwirkung. Selbst wenn ein Landwirt das Kleegras nach zwei Jahren wieder umbricht, so hat er trotzdem eine zeitlang gesellschaftliche Leistungen erbracht.


Denkbare wäre auch ein Hybridsystem mit der Kombination von ökologischer und konventioneller Fruchtfolge.


Wie sieht so ein Hybridbetrieb aus?


Taube: Kern der Idee ist die Kooperation von Milcherzeugern und Ackerbaubetrieben, um die Fruchtfolgen vielfältiger zu gestalten. Aktuell wird in den spezialisierten Ackerbaubetrieben in der Regel eine Körnerleguminose in die Fruchtfolge integriert, um Vorgaben zur Kulturartendiversität zu erfüllen. Die bauen aber weder Humus auf, noch lösen sie die Nitratprobleme. Das ist mit Kleegras völlig anders.


Diese Kooperation kann zum Beispiel so aussehen: Die ersten drei Teile einer Fruchtfolge auf einer Fläche erfolgen nach ökologischem Standard (z.B. Kleegras, Kleegras, Bio-Hafer). Darauf folgen konventionell intensiv Raps und Wintergetreide. Diese Anbaustrategie fördert die Erträge, reduziert die nötigen Pflanzenschutzmaßnahmen und den Stickstoffsaldo.


Die Milch, die in einem solchen Hybridsystem produziert wird, erfüllt erhöhte Umweltstandards. Bei ausreichender Mengen am Markt sollte sie mit einem Label und einem Aufpreis versehen werden.


Ist Weidehaltung klimafreundlicher?


Taube: Der Systemvergleich hat dem Lindhof-Konzept bescheinigt: Mit energiereichem Weidefutter produzieren wir sehr wenig Methan pro kg Milch. Zudem liefern die Jersey-Kühe rund 14,9 kg Milch je kg Lebendmasse. Das ist mehr als Kühe der Rinderspezialberatung Schleswig-Holstein im Schnitt liefern. Das ist nur wegen der Genetik und dem hochwertigen Futter möglich.


Während wir mit dem Lindhof-Konzept deutlich unter 10 g Methan/l Milch und nur 0,6 kg CO2eq/kg Milch erzeugen, liegen konventionelle Stallhaltungsbetriebe bei 12 bis 15 g Methan/l Milch und 1,1 kg CO2eq/kg Milch (Übersicht).


Hinzu kommen die geringeren Ammoniakemissionen. Im Stall entstehen Emissionen vor allem auf Oberflächen und betragen inklusive der Verluste bei der Lagerung und Ausbringung derzeit bis zu 30 kg NH3 bei 100 kg N Ausscheidungen. Auf der Weide ist Ammoniak nur kurz in der Luft und dann im Boden. Das reduziert die N-Emissionen auf 8%. Das sorgt für eine hohe Konkurrenzkraft wertvoller Gräser.


Der Urin wird im Boden sofort in Ammonium umgewandelt und von den Graswurzeln aufgenommen. Dadurch ist unter den Weideflächen ein nahezu nitratfreies Milieu. Das sorgt für ein geringes Lachgaspotenzial.


Ist das System Lindhof überall umsetzbar?


Taube: Es geht uns nicht darum, ein „ideales System“ für alle zu propagieren. Es zeigt aber, wie Milcherzeugung aussehen kann, wenn die gesellschaftlichen Leistungen des Klima-, Wasser- und Biodiversitätsschutzes ausreichend honoriert würden.


Wir wollen vor allem für die Weidehaltung und gutes Weidemanagement werben. Der Systemvergleich zeigt, wie teuer Kraftfutter im Vergleich zu einer effizienten Weide ist. Und auch, dass vielfältige Gräser- und Kräuterbestände fast so sinnvoll sein können wie stillgelegte Flächen: Bei uns blühen die Weiden von Mai bis September und sorgen so aktiv für Biodiversität!


Wir zeigen die Vorteile einer überbetrieblichen Kooperation. Das müssen nicht alle Betriebe umsetzen. Aber wenn zusätzlich zu den aktuell 10 bis 15% Biobetrieben ebenfalls 15% hybride Milchproduktionssysteme kämen, dann wäre das für die Umwelt viel wert.


Und auch für die Landwirte, wenn sie dafür höhere Preise und die Umweltleistungen anerkannt bekommen. Finanzieren lässt sich das zunächst aus Mitteln der 2. Säule – bis die Hybridmilch höhere Erzeugerpreise am Markt realisiert.


Ihr Kontakt zur Redaktion:


anke.reimink@topagrar.com

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