Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Milchpreis Maisaussaat Ackerboden Rapspreis

topplus Aus dem Heft

Wellness für Kalb und Mensch

Lesezeit: 8 Minuten

Der neue Kälberstall von Familie Schwimmer besticht durch viel Tierwohl. Dafür gab es den Bayerischen Nutztierwohlpreis. top agrar stellt das Konzept vor.


Das Wichtigste zu den Themen Rind + Milch mittwochs per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Neugeborene Kälber nachts bei Wind und Wetter im Iglu versorgen und sie trotzdem eine Woche später gegen Durchfall behandeln müssen. Das wollten Anita und Johann Schwimmer nicht mehr. Die Landwirte aus St. Wolfgang in Bayern halten 115 melkende Fleckviehkühe mit einer Leistung von 9600 kg. Die Idee zum Bau eines Kälbergesundheitsstalls kam Johann Schwimmer im Winter 2015, als er spätabends bei der Betreuung einer Abkalbung und der Erstversorgung des Kalbes über seine Arbeitsbedingungen nachdachte. Zufällig hatte er kurz vorher einen Fachartikel von US Professor Ken Nordlund gelesen, der die „neuen Kälberställe“ in den USA beschrieb. Noch in der gleichen Nacht recherchierte er zum Thema. Zwei Jahre dauerte es, bis die Kälber in den fertigen Kälbergesundheitsstall einzogen.


Von der Idee zum Plan:

Der entscheidende Grund für den Kälberstallbau waren die schlechten Arbeitsbedingungen bei den Neugeborenen und den älteren Tränkekälbern. Die Iglus standen an verschiedenen Stellen auf dem Hof, das erschwerte die Betreuung und die Übersicht. „Als wir die Kälber in den Iglus hatten, habe ich im Winter mit der Stirnlampe Kälber getränkt und konnte trotzdem nicht sehen, welche Farbe der Kot vom Kalb hatte. Wind, Regen und Kälte führten dazu, dass wir die Tiere nicht immer sorgfältig genug kontrolliert haben“, sagt Anita Schwimmer. Hinzu kamen weitere Nachteile der Haltung in Iglus: Im Winter bekamen die kleinen Kälber kein Wasser, weil es sofort einfror. Auch das Ansetzen oder Enthornen der Kälber im Iglu war nicht in angenehmer Körperhaltung möglich.


Bei den Gruppeniglus war es ähnlich: Die Kälber standen in schlechter Luft, das Entmisten der Iglus gestaltete sich aufwendig. Als nachteilig empfanden die Landwirte auch die Gruppengröße. Die Iglus waren zu groß und zu unflexibel, sodass die Gruppen stark auseinanderwuchsen. Nach dem Umstallen in den Kälberstall gab es immer einen Wachstumsknick.


Um die Gesundheit der Kälber und die Arbeitsbedingungen für die Familie zu verbessern, planten Anita und Johann Schwimmer lange an den Details. Zwei Jahre dauerten Planung und Bau des Stalls für 56 Kälber bis zu einem Alter von fünf Monaten (Übersicht). Die Familie investierte 220000 € in den Stall, den sie ohne Förderung baute.


Für gutes Klima gesorgt:

Ein System der freien Lüftung, wie beim sogenannten Holsteiner Kälberstall, funktioniert in Bayern nicht. Dort gibt es weniger natürlichen Wind für die Stalldurchlüftung und stärkere Temperaturschwankungen im Frühjahr und Herbst. Deshalb hat der neue Kälberstall eine Dachneigung von 12 Grad, im Gegensatz zum Holsteiner Stall (10 Grad). Das ist an den um ca. 4 Grad steileren Sonnenstand in Bayern angepasst. Mit der gewählten Dachneigung von 12 Grad scheint die Wintersonne jetzt bis zur hinteren Stallwand in den Stall, gleichzeitig bleibt das Stallinnere im Sommer beschattet. Zusätzlich sorgt das Sandwichdach dafür, dass der Stall im Sommer kühl bleibt.


Wesentliches Merkmal des Kälbergesundheitsstalls ist außerdem das Frischluftkonzept mit Curtain und Schläuchen. Die hintere Wand ist oberhalb der Betonmauer mit einer festen Folie geschlossen, um den Eintrag von keimangereicherter Luft aus dem angrenzenden Rinderstall in den Kälberstall zu verhindern. Der getrennte Luftraum war Johann Schwimmer wichtig. Ein schmaler Gang an der Außenwand dieser Stallseite sorgt dafür, dass die Luft trotzdem frei im Stall zirkulieren kann.


Der Curtain an der hohen Stallseite ist mit vielen technischen Details versehen. Wichtig ist, dass die Zuluft nur gegelt in den Stall gelangt, aber die Abluft jederzeit entweichen kann.


Das innenliegende Netz ist ständig geschlossen und besteht aus verschiedenen Geweben. Um unteren Teil hat es eine 90-prozentige Bremswirkung.


Mit dem außenliegenden Curtain können die Landwirte auf unterschiedliche Klimaverhältnisse reagieren. Er öffnet gleichzeitig von oben und von unten. Wenn er im Winter geschlossen ist, kommt die Kaltluft nur abgebremst und kontrolliert in den Stall. In geöffnetem Zustand kann frischer Wind ungehindert durch den Stall wehen. Bei Teilöffnung des Curtain wird Wind im oberen und unteren Bereich durch das innenliegende Netz abgebremst.


Eine automatische Steuerung regelt das Öffnen und Schließen des Curtain. Sie beruht auf den Messungen eines Klimadatenloggers, der vorab im Stall eingesetzt wurde. Dieser zeigte, dass die Luftfeuchte in der Nacht im Stall deutlich höher ist als am Tag. Vor allem bei kälteren Temperaturen ist das entscheidend, denn wenn die Kälber ein längeres Haarkleid haben, schlägt sich die Luftfeuchte auf den Tieren nieder, sodass sie feucht werden und frieren. Das steigert das Gripperisiko deutlich. Wenn der Curtain nachts geschlossen ist, sind die Schwankungen im Luftfeuchtegehalt geringer.


Eine gezielte Zuluftführung durch Luftschläuche minimiert das Keimmillieu im Stall. Der Betrieb ließ zwei Schläuche mit Energiesparventilatoren im Stall installieren. Das hat den Vorteil, dass beide Schläuche auch separat gesteuert werden können. Ein Temperaturregler steuert das System das ganze Jahr über angepasst an die jeweilige Außentemperatur. Bei ca. 7 bis 10 °C liegt der Zielwert bei einer Luftgeschwindigkeit von 0,3 m/s auf Kopfhöhe und fünf Luftwechseln pro Stunde. Das wird mit einer Leistung von 66% des Ventilators für die Kälberboxen und 50% Leistung des Ventilators für die Gruppenfläche erreicht. Im Schnitt beträgt die Leistungsaufnahme des Gesamtsystems 0,25 kW. Das entspricht einem Jahresverbrauch von 2190 kWh, was bei einem Strompreis von 0,15 €/kWh Jahresstromkosten von 328,50 € bedeuten würde.


Früh zu zweit:

Der Kälberstall umfasst 20 Einzelboxen und sechs Gruppenbuchten für maximal sechs Kälber.


Familie Schwimmer ließ die Einzelboxen mit einem Sondermaß von 2,3 m Tiefe fertigen, um sie mit dem Hoftrac passgenau entmisten zu können. Unter den zwei Einzelboxenreihen befindet sich jeweils mittig eine Entmistungsrinne. Diese Rinne soll zukünftig wöchentlich mit dem Spülwasser aus dem Melkstand gespült werden, um Erregern und Fliegenlarven keine Chance zu geben. Die erforderliche Wassermenge hat Johann Schwimmer aus einer US-Formel abgeleitet. Sobald alle Verbindungsleitungen installiert sind, sollen ca. 100 Liter Wasser pro Spülgang durch die Rinne laufen.


Die Türen der Einzelboxen sind zweigeteilt, das erleichtert das Anlernen der Kälber, die dabei mit dem zweiten Tor leicht fixiert werden können.


Am ersten Tag erhalten die Kälber Biestmilch der Mutter aus der Nuckelflasche soviel sie saufen wollen. Ab dann wird die Milch leicht angesäuert und die Tiere so schon früh an die ad libitum Tränke gewöhnt. Ab der ersten Woche bekommen die Kälber auch Kälbermüsli und Wasser zur freien Aufnahme. Sehr zufrieden sind Schwimmers mit den Wasserschalen aus Edelstahl. Diese lassen sich im Vergleich zu Plastikschalen leichter reinigen und das Wasser bleibt klarer.


Nach zwei bis sieben Tagen in der Einzelbox bildet Anita Schwimmer Zweiergruppen, indem sie die Trennwände zwischen den Boxen herauszieht. Vorübergehend testete sie die Kleingruppenbildung ab dem ersten Tag, doch sie machte bessere Erfahrungen mit der Gruppenbildung nach einigen Tagen. Typische Probleme, wie das gegenseitigen Besaugen, sind bisher durch die frühe Gruppenbildung nicht aufgetreten. Familie Schwimmer ist von den Vorteilen überzeugt: Die Kälber sind neugierig und zeigen ein deutlich stabileres Sozialverhalten, sie lernen voneinander und fressen früher und mehr Kraftfutter. Durch die Bewegungsmöglichkeiten sind sie schon früh gut bemuskelt.


In der Gruppenbucht tränkt Anita Schwimmer die Kälber über eine Kälberbar ab. Am Fressgitter hängen kleine Kofferschlösser, an denen die jeweilige Menge für die Gruppe abzulesen ist.


In der ersten Gruppenbucht ist ein Diagonalfressgitter und in den weiteren Gruppenbuchten sind Selbstfanggitter installiert. Der Laufbereich ist mit kurzem Stroh eingestreut, der Liegebereich mit Langstroh. Grund: Langstroh hat einen höheren Nesting Score, das heißt, die Kälber können sich damit besser ein Nest bauen. Das Kurzstroh im Laufbereich ist etwas saugfähiger und kann Feuchtigkeit besser binden. Im hinteren Liegebereich wird in längeren Intervallen gemistet, im vorderen Bereich je nach Wetterlage etwa alle zwei Wochen.


Gesunde Kälber garantiert:

Die lange Planungsphase hat sich für Anita und Johann Schwimmer gelohnt. „Die Arbeitsbedingungen haben sich zu 100% verbessert und auch die Kontrollmöglichkeiten sind deutlich besser geworden“, sagt Johann Schwimmer. Das innovative Gesamtkonzept des Stalles war der Grund für die Auszeichnung mit dem Bayerischen Nutztierwohl-Preis 2018 durch das bayerische Staatsministerium für Landwirtschaft. Die Jury lobte die großen Einzelboxen, die leicht zu Kleingruppen umgebaut werden können, das großzügige Platzangebot in den weiteren Haltungsabschnitten sowie die gezielte Steuerung der Lüftung über Schläuche und den maximalen Lichteinfall. Das gute Konzept zeige sich deutlich in einer besseren Gesundheit der Kälber, sagt Johann Schwimmer: „Unsere Kälber sahen noch nie so gut aus wie heute.“ Kontakt:katharina.luetke-holz@topagrar.com

Die Redaktion empfiehlt

top + Zum Start in die Maisaussaat keine wichtigen Infos verpassen

Alle wichtigen Infos & Ratgeber zur Maisaussaat 2024, exklusive Beiträge, Videos & Hintergrundinformationen

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.