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„Wir müssen auch hinsehen wollen“

Lesezeit: 5 Minuten

Am Landwirtschaftlichen Zentrum in Aulendorf entsteht derzeit eine App, die hilft, das Tierwohl im Stall zu bewerten. Die Milcherzeuger Werner Müller und Sarah Moser sehen darin eine sinnvolle Unterstützung.


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Milcherzeuger Werner Müller (61) und seine Nichte Sarah Moser (32) aus Wangen (Allgäu) in Baden-Württemberg setzen auf Tierwohl. Das ist eine Herausforderung in Ihrem 30 Jahre alten Milchviehstall.


Auch deshalb nehmen die Landwirte am Tierwohl-Projekt des Landwirtschaftlichen Zentrums Baden-Württemberg in Aulendorf (LAZBW) teil. Denn Werner Müller und Hofnachfolgerin Sarah Moser suchen gerne nach guten Kompromissen im Sinne ihrer Kühe.


Das LAZBW arbeitet derzeit im Rahmen des landesweiten Projekts „DiMaTiMi“ an einer Digitalen Management- und Beratungshilfe zur Verbesserung der Tiergerechtheit in der Milchviehhaltung (siehe „App bewertet Tierwohl“, Seite R21). Bis Mitte 2021 soll eine App entstehen, welche die Schwachstellenanalyse, die Ursachensuche sowie Handlungsempfehlungen und eine lückenlose Dokumentation ermöglichen soll. Sie wird Praktikern und Beratern kostenlos zur Verfügung stehen.


Um das Tierwohl in seinem Stall weiter zu verbessern, hat Müller sich als Praxisbetrieb für das Projekt gemeldet. Das heißt, er ist einer der Betriebe, auf dem die Kriterien der Tierwohlbewertung des DiMaTiMi-Projektes getestet werden. Zugleich ist Müller auch Mitglied des Expertengremiums. Zu diesem gehören Vertreter aus Wissenschaft und Praxis, um sicherzustellen, dass die wissenschaftlichen Erkenntnisse auf die Betriebe übertragbar sind. Die Entscheidung für die Teilnahme fiel Müller leicht: „Wenn wir etwas bewegen wollen, kommen wir an einem Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis nicht vorbei. Als Praxisbetrieb haben wir die Chance, uns zu reflektieren, Bestätigung für unsere Arbeit zu erhalten und uns weiterzuentwickeln.“


erhebung in drei Schritten


Im Rahmen der Entwicklung der App fand im Dezember 2018 auf dem Betrieb von Müller eine fünfstündige Datenerhebung statt. Mit der geplanten App soll die Zeit für die Datenerhebung künftig mind. auf die Hälfte sinken.


  • Zur Hauptruhezeit der Herde um 10 Uhr bewertete die Projektmitarbeiterin des LAZBW Silke Ehrmann das Liegeverhalten der Tiere. Sie zählte, wie viele Tiere gleichzeitig und wie viele nicht korrekt in ihrer Liegebox liegen. Zudem vermaß sie Fress-, Lauf-, Liege- und Melkbereich, die Ausstattung, die Ausführung und die Gestaltung des Stalles. Sie erfasste den Sauberkeitsstatus und das Reinigungskonzept.
  • Im nächsten Schritt erhob sie tierbezogene Indikatoren von 20 der 81 Braunviehkühe, die sie stellvertretend für die gesamte Herde zufällig auswählte. Bei diesen Tieren beurteilte sie systematisch von Kopf bis Fuß Verschmutzungen, Technopathien, Haarkleid, Körperkondition sowie Zustand der Klauen und Lahmheiten.
  • Um das Betriebsmanagement beurteilen zu können, beantwortete der Landwirt im dritten Schritt Fragen zur Arbeitsorganisation, dem Herden- und Trockenstehermanagement, zur Tier- und Klauengesundheit, zur Fruchtbarkeit und zur Fütterung.


Ampel zeigt Schwachstellen


Die Landwirte erhalten das Ergebnis der Tierwohlsituation dargestellt in einem Ampelsystem. Auf dem Betrieb Müller war die Tierwohlsituation überwiegend „grün“, also im Zielbereich.


Besonders gut war die Klauengesundheit. So zeigte keines der beurteilten Tiere Anzeichen einer schweren Lahmheit. Neben den Lahmheiten weist das Beratungsprotokoll auch Tiere mit leichten Gangveränderungen (Locomotion Score = 2) aus, die die Betriebsleiter vorsorglich im Klauenstand kontrollieren sollten.


Die Schwachstelle des Betriebs Müller ist die Zellzahl der Kühe. Mit 39,4% lag der Anteil eutergesunder Tiere im Bestand im Alarmbereich. Die Neuinfektionsrate in der Trockenstehzeit bewegte sich mit 29,4% der Tiere noch im Grenzbereich. Außerdem waren 4,5% der Tiere von chronischen Euterentzündungen betroffen (Übersicht 1). Die Daten zum somatischen Zellgehalt stammten aus der aktuellsten Milchleistungsprüfung und dem LKV-Herdenmanager. An diesem orientiert sich auch die Einteilung der Ziel-, Grenz- und Alarmbereiche. Nach genauer Prüfung der Haltungs- und Managementparameter ergab sich der Schimmel im Maissilo als mögliche Ursache der Zellzahlprobleme (Übersicht 2). Mit dem Hinweis ggf. einen Fütterungsberater hinzuzuziehen, wurde die Prüfung der Maissilagebereitung als wichtigste Maßnahme formuliert.


Blick von Außen brachte Veränderung


Heute sehen die Zellzahlen besser aus. Werner Müller und Sarah Moser führen dies auf die verbesserte Futter-, Einstreu- und Hygienesituation zurück: „Der Schimmel im Mais war damals ein großes Problem. Heute setzen wir gezielt Siliermittel ein, silieren maximal wandhoch und nur noch als Sandwich-Silage.“ Außerdem war die Einstreu knapp und qualitativ nicht optimal. Inzwischen ist auch die Einstreuschicht dicker und die Qualität besser. Zudem haben die Milcherzeuger die Laufganghygiene durch zweimaliges Abschieben der Spalten verbessert.


Ganz neu ist der Laufhof, den die laktierende Herde ganzjährig rund um die Uhr nutzen kann. Die Kühe nehmen die 70 m² große Fläche mit einer Trogtränke und Beschattung durch Bäume gerne an. Der Laufhof verbindet jetzt Lauf- und Fressgang. Vorher machte ein schmaler Quergang von 90 cm diese fast zu Sackgassen.


App muss praxisnah sein


Die Entwicklung der geplanten Tierwohl-App sieht Müller positiv. Aber sie muss anwenderfreundlich und nicht zu akademisch sein: „Wir dürfen bei aller Wissenschaft nicht den Praktiker vergessen.“


Müller hofft, dass die Anwendung die breite Masse der Milcherzeuger und vor allem die Problembetriebe erreicht: „Eine Tierwohl-App alleine reicht aber nicht, wir Menschen müssen auch hinsehen wollen.“ Für den eigenen Betrieb sieht der Landwirt die App als Chance, das Tierwohl weiter zu verbessern: „Ich beobachte meine Tiere jetzt noch genauer und kann Probleme inzwischen besser zuordnen.“


katharina.luetke-holz@topagrar.com

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