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„Wir müssen beweglicher werden“

Lesezeit: 10 Minuten

Die Molkerei Hochwald aus Thalfang ist stark unter Druck geraten. Wie sie künftige Milchpreis-Abstürze verhindern will, erklärt Geschäftsführer Detlef Latka.


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Herr Latka, seit dem 1. Oktober sind Sie offiziell Hochwald-Chef. Kurz darauf haben Sie für September 21 Cent ausge-zahlt – so wenig wie keine andere Mol-kerei. Wie ist der Absturz zu erklären?


Latka: Die Ursachen liegen im Frühjahr: Hohe Milchanlieferung, miserable Trinkmilch-Abschlüsse und stockender Export. Das hat unsere Wertschöpfung drastisch verschlechtert.


Im Sommer sprangen die Märkte wieder an. Zuerst für Pulver und Butter, dann für Käse. Molkereien mit diesen Produkten haben zügig das Milchgeld erhöht. Wir haben viele Produkte aus der sogenannten Weißen Linie, also Trinkmilch, Kondensmilch usw. Hier gelten erst seit November bessere Abschlüsse. Wir ziehen deshalb verzögert nach und werden für November einen Leistungspreis von rund 30 Cent zahlen. Im Jahresmittel liegen wir dann über dem Bundesschnitt – wie in den letzten drei Jahren auch.


Haben Sie da zu viel ausgezahlt? Und zu wenig in moderne Werke und neue Märkte investiert?


Latka: Genau das analysieren wir gerade: Wo sind wir gut aufgestellt? Wo haben wir Nachholbedarf? Die Ergebnisse fassen wir in der Strategie „Hochwald 2020“ zusammen, die wir im Frühjahr 2017 vorstellen. Bis dahin haben wir erst einmal alle Investitionen gestoppt. Und wir wollen etwa 10 Mio. € Kosten sparen.


Können Sie schon sagen, in welche Richtung „Hochwald 2020“ geht?


Latka: Das lässt sich am besten mit drei Schlagworten beschreiben: internationaler, vermarktungsorientierter Milchspezialist.


Das heißt: Wir werden uns in den internationalen Wachstumsmärkten breiter aufstellen, wir werden nicht jeden Liter Milch aufnehmen, sondern nur so viel, wie wir mit Wertschöpfung vermarkten können und wir werden in Segmenten wachsen, in denen wir nicht ohne weiteres austauschbar sind.


Rund ein Drittel des Umsatzes erzielt Hochwald in der Weißen Linie – dem Sorgenkind in Deutschland. Wie wollen Sie dort besser werden?


Latka: Wir legen den ganzen Fokus auf die Milch. Unser Wurstwerk in Meppen haben wir verkauft.


Zudem wollen wir weg vom Massengeschäft, hin zur Spezialisierung. Natürlich brauchen wir Masse, um die Anlagen auszulasten und die Kosten zu senken. Aber in Segmenten wir GVO-frei, Regionalität und Hoch-Protein-Produkte wollen wir stärker werden.


Aber hat der Handel das nicht längst erkannt und lädt seine Eigenmarken jetzt mit diesen Mehrwerten auf?


Latka: Genau, der Handel steigt in diese Entwicklungen ein. Deshalb müssen wir beweglicher werden und frühzeitig Trends erkennen und bearbeiten. Dabei haben wir als Spezialist gegenüber den großen internationalen Molkereikonzernen durchaus Vorteile. Diese müssen wir besser nutzen.


Aktuell ist GVO-frei stark gefragt. Besteht nicht die Gefahr, dass sich die Hürden ständig erhöhen, ohne dass die Milcherzeuger davon profitieren?


Latka: Das ist so. GVO-freie Trinkmilch könnte der neue Standard werden. Aktuell bekommen unsere Lieferanten einen Zuschlag von 0,75 ct/kg.


Und dann kommt bald die nächste Anforderung. Bis wir so einen zersplitterten Markt wie in Österreich haben?


Latka: Das kann möglich sein. Derzeit gibt es eine starke Diversifizierung. Aber ich glaube, dass der Verbraucher am Ende wieder zu wenigen Produkten zurückkehren wird. Denn er entscheidet letztlich an der Ladentheke.


Könnten die großen Trinkmilch-Anbieter in Deutschland nicht enger zusammen-arbeiten, um der Diktatur des Handels ein Ende zu setzen?


Latka: Im Gegensatz zu anderen Ländern in Europa haben wir in Deutschland ein starkes Wettbewerbsrecht. Aldi, Lidl, Rewe und Edeka decken ca. 80% der Weißen Linie ab. Hier sind neben uns Arla, DMK, Müller und FrieslandCampina die größten Anbieter. Damit ist der Markt aus Sicht der Kartellwächter bereits stark konzentriert.


Weitere Kooperationen sind kaum zulässig. Wo es geht, heben wir Synergien, z.B mit der Schwälbchen Molkerei. Zudem arbeiten wir mit anderen Unternehmen in der Erfassung und Verarbeitung zusammen.


Doch eine starke Konsolidierung führt nicht unbedingt zum Wohl der Milcherzeuger. Das zeigt das Vereinigte Königreich. Dort gibt es nur noch zwei große Frischmilch-Anbieter, die Auszahlungspreise sind aber nicht höher als auf dem Kontinent.


Und beim deutschen Handel besteht immer die Gefahr, dass er selbst in die Herstellung von Massenprodukten einsteigt. Das hat er bereits bewiesen.


Dennoch sind die Trinkmilch-Preise in anderen europäischen Ländern höher. Was machen die Molkereien dort besser?


Latka: Das stimmt. Aber diese Länder lassen sich kaum mit Deutschland vergleichen. In Südeuropa wie z.B. Italien gibt es gar nicht genug Milch, der Markt ist von Importen abhängig. Großbritannien ist eine Insel und ein Frischemarkt. Dadurch ist das Land relativ stark abgeschottet. Frankreich hat auch höhere Trinkmilch-Preise. Aber das ist durch die Strukturen und Verflechtungen von Politik, Wirtschaft und Erzeugern ein ganz anderer Markt.


Bei der Rückruf-Aktion aufgrund von Keimen in der Trinkmilch mussten Sie die Hosen herunterlassen: Hochwald produziert für etliche Discounter Handelsmarken-Milch. Starke Marken festigen dagegen den Platz im Kühlregal und steigern die Wertschöpfung. Warum haben Sie dann gerade 40 Mio. kg Milch Ihrer „Bärenmarke“ abgestoßen?


Latka: Das Werk in Weiding produziert neben der Bärenmarke auch für den Export. Unsere Milchanlieferung ist in Bayern zweistellig gewachsen, aber der Export stagniert. Wir haben deshalb entschieden, unser Milchvolumen an die Nachfrage anzupassen und lassen einen Liefervertrag Anfang 2017 auslaufen. Die Lieferanten haben bereits problemlos einen neuen Abnehmer gefunden.


Auf der anderen Seite kommen 2018 neue Mitglieder mit über 100 Mio. kg hinzu. Warum?


Latka: Die Milch haben wir in Hessen und Thüringen aufgenommen. Sie wird in unserem Käsewerk in Hünfeld verarbeitet. Denn wir wollen unseren Marktanteil bei Käse ausbauen und unser Werk in Hünfeld weiterentwickeln. Deshalb wächst die Milchmenge.


Unser neues Trockenwerk für Molke ist mit einer Pipeline direkt mit dem Käsewerk verbunden. Dort stellen wir Molkeprodukte für die Baby- und Kindernahrung her. Wir wollen es weiter auslasten.


Bisher sind Sie im Drittland-Export vor allem in Nord-Afrika und im arabischen Raum unterwegs. Dort ist es aktuell sehr unruhig. Schielen Sie mit den neuen Produkten auf neue Märkte?


Latka: Etwa 16% unseres Umsatzes erzielen wir außerhalb von Europa. Stark sind wir in den sogenannten MENA-Ländern, also Middle East (Mittler Osten) und North Africa (Nord-Afrika). In Dubai haben wir eine Vertriebsniederlassung.


In den MENA-Ländern entspannt sich die Lage aktuell wieder: Der Islamische Staat IS wird zurückgedrängt, der Ölpreis erholt sich. Das dürfte die Kaufkraft und somit die Milchnachfrage ankurbeln. Das hilft uns. Starkes Wachstum erwarten wir in den nächsten Jahren für China und Süd-Ost-Asien: Mehr Menschen, höheres Einkommen, steigender Milchverbrauch. Daran wollen wir natürlich teilhaben. In China erzielen wir aktuell einen Umsatz von 35 Mio. €, 2020 sollen es 100 Mio. € sein.


Aber sind die Märkte nicht schon längst vergeben?


Latka: Die Wachstumsmärkte in Süd-Ost-Asien sind hauptsächlich Baby- und Kindernahrung, Käse und Milch-mischgetränke. Bei Baby- und Kindernahrung sind Global Player wie z.B. Nestlé und Danone die Marktführer. Wir sind eine langfristige Partnerschaft mit Danone eingegangen. Diese wollen wir ausbauen und so am Wachstum der Märkte teilhaben.


Darüber hinaus wollen wir auch mit anderen Kunden der weiterverarbeitenden Industrie in dieser Region wachsen und unsere internationale Präsenz ausbauen.


Viele Importländer fordern, dass die exportierenden Molkereien auch die lokale Milchproduktion fördern und investieren. Wie steht Hochwald dazu?


Latka: Wir beobachten das genau. In Ländern wie Indien oder Indonesien kann das Konzept „Export plus lokale Produktion“ Sinn machen.


In anderen Importländern wie z.B. in der MENA-Region dagegen nicht. Denn in der Wüste ist der Wasserverbrauch für die Milchproduktion unverhältnismäßig hoch.


Europa ist dagegen eine Gunst-region für die Milchproduktion. Wenn der Milchbedarf steigt, sollte Europa also bei der zusätzlichen Milchproduktion dabei sein. Alles andere wäre ökologisch nicht nachvollziehbar.


Die Preise auf dem Weltmarkt schwanken immer stärken. Können Waren-terminbörsen das abfedern?


Latka: Die Warenterminbörse kann sich zu einem unterstützenden In-strument entwickeln. Derzeit ist der Markt an der Börse EEX in Leipzig noch nicht liquide genug. Größere Mengen lassen sich noch gar nicht absichern. Zudem ist das sogenannte Basis-Risiko, also die Differenz zwischen dem abgesicherten Preis für Pulver und Butter und dem tatsächlichen Milchpreis der Molkerei, noch ein unkalkulierbares Wagnis. Außerdem sind die Größenordnungen für viele Landwirte nicht attraktiv. Wir prüfen derzeit, ob und wie wir als Molkerei helfen können.


Klar ist aber: Die Volatilität wird vom Milchmarkt nicht mehr verschwinden. Wir können maximal die Ausschläge abmildern.


Was kann dann helfen?


Latka: Die Gewinnglättung für Landwirte halte ich für ein gutes Instrument. Das würde ich mir auch für Molkereien wünschen.


Zudem könnte uns die Regierung beim Export stärker unterstützen. Wenn die Ausfuhren in den wichti-geren Branchen wie Autos oder Maschinenbau stocken, hilft der Staat schneller. Er hat beispielsweise das Instrument der staatlichen Kredit-ausfuhrbürgschaften. Die Regierung könnte es schnell und flexibl einsetzen, um Exporte in Krisenregionen zu unterstützen. Außerdem wird in vielen internationalen Märkten das deutsche Veterinärwesen kritisiert. Auch dort sind Reformen wünschenswert.


Die Regierung möchte aber lieber vorschreiben, dass die Branche die Liefer-beziehung ändern soll.


Latka: Ich kann nur davor warnen, bewährte Strukturen über Bord zu werfen, nur weil es die Politik gerade auf der Tagesordnung hat. Vieles ist einfach nicht zu Ende gedacht.


Ein Beispiel: Ein Kündiger soll zwar weiter noch zwei Jahre Mitglied der Genossenschaft bleiben, damit die Geschäftsanteile bleiben, er soll aber bereits nach sechs Monaten seine Milch anders vermarkten dürfen. Im Klartext heißt das: Der Kündiger bestimmt über die Geschicke im Unternehmen mit, seine Milch fließt aber an einen Wettbewerber. Das kann nicht gut sein.


Also soll alles bleiben wie bisher?


Latka: Das Genossenschaftswesen ist mehr als 100 Jahre alt. Jedes System muss sich an Marktentwicklungen anpassen und sich weiterentwickeln. Allerdings ist dabei ein gesundes Augenmaß gefragt.


Wir sind z.B. im engen Austausch mit der französischen Molkereige-nossenschaft Sodiaal. Sie hat ein umfassendes Planungssystem für die Milcherzeuger entwickelt. Dieses ist allerdings exakt auf den französischen Markt abgestimmt. Es lässt sich deshalb nicht eins-zu-eins für uns kopieren. Allerdings könnte eine Weiter-entwicklung der Mengenplanungen der Lieferanten auch für uns viele Vorteile generieren, sodass wir von dem grenzüberschreitenden Austausch viel lernen können.


Wir werden uns in den nächsten Jahren bei der Lieferbeziehung stetig weiterentwickeln. Allerdings glaube ich persönlich auch an die Zukunft des genossenschaftlichen Systems. Das ist im Übrigen auch ein deutscher Exportschlager, viele Länder der Welt haben es kopiert.


Ehrenamtliche von Hochwald wollen mit vier weiteren Molkereien die „Branchenorganisation Milch“ aus der Traufe heben. Warum?


Latka: Dazu möchte ich gegenwärtig noch nichts sagen.


Das Interview führte Patrick Liste.

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