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„Wir müssen uns den Medien öffnen!“

Lesezeit: 7 Minuten

Nach etlichen Skandalberichten hat das Vertrauen zwischen Medien und Landwirten einen Tiefpunkt erreicht. Landwirt Amos Venema zeigt, wie Sie auf Journalisten und Verbraucher zugehen können.


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Mit einer offenen Geste begrüßt er die Reporterin im Melk-stand. Er wirkt locker, ist es gewohnt, dass das Fernsehen bei ihm ist.


Amos Venema zeigt gerne seinen Betrieb, hat Spaß daran, Verbrauchern Landwirtschaft nahe zu bringen. Sein Credo: „Wir müssen die Fakten in eine Sprache verpacken, die die Leute verstehen.“ Dafür benutzt er Bilder, Emotionen und Vergleiche aus dem Alltag des Verbrauchers.


Sprache des Verbrauchers.

Heute hat er wieder eine Chance dazu: Ein Team von RTL ist bei ihm auf dem Hof.


Mit der Reporterin Neele Knetemann hat er gewettet, dass sie es nicht durchhält, einen Arbeitstag auf seinem Betrieb zu bestreiten: von morgens um 5 Uhr bis abends um 18 Uhr. Doch sie schlägt sich tapfer: Melkt, füttert die Kälber, schaut nach den Jungtieren auf der Weide und stellt dabei immer wieder Fragen. „Da kommt ja schon Milch raus“, wundert sie sich nachdem sie die Zitzen der Kuh gereinigt hat. „Das ist ein Zeichen dafür, dass die Tiere entspannt sind“, erklärt Venema. Das ist eine einfache, verständliche Antwort. Die Theorie mit dem neurohormonalen Reflexbogen und der Oxytocinausschüttung hätten wahrscheinlich nur wenige Zuschauer interessiert oder verstanden.


Venema hat Übung darin, Fachwissen in einfacher und verständlicher Sprache darzustellen. Vor 15 Jahren kamen die ersten Schulklassen und Kindergärten zu ihm auf den Hof, im Schnitt besuchen ihn bis zu zehn Gruppen im Jahr. Bereits seine Eltern pflegten diese offene Einstellung und luden regelmäßig Journalisten sowie Politiker zu sich auf den Hof ein. Sogar das Goethe-Institut in Frankfurt am Main war schon zur Exkursion bei Venemas auf dem Hof. Es hilft Lehrern in Fortbildungen, Unterrichtsmethoden -und Materialien zu entwickeln.


„Öffentlichkeitsarbeit an Schulen und Kindergärten ist enorm wichtig“, sagt Venema, der den Betrieb gemeinsam mit seinem Bruder Jan bewirtschaftet. Kinder haben oft noch ein unkritisches Verhältnis zur Landwirtschaft. Die Chance könne man nutzen und eine positive Bindung zur Landwirtschaft aufbauen. Entscheidend dabei sei, Kindern bzw. Verbrauchern die Möglichkeit zu geben, Landwirtschaft live zu erleben. Denn nirgendwo sonst könne man Emotionen so gut transportieren wie vor Ort im Stall.


Dennoch gibt es auch schwierige Gespräche mit Verbrauchern, die nichts von moderner Milchviehhaltung halten. Gerade hier darf man sich nicht ärgern lassen, sagt Venema, sondern muss sachlich und konstruktiv bleiben. Auch wenn es Ihr Gegenüber vielleicht nicht ist. Der persönliche Dialog reicht heutzutage jedoch nicht mehr aus, um mit Öffentlichkeitsarbeit Wirkung zu erzielen. Stattdessen müsse Öffentlichkeitsarbeit auf allen Ebenen stattfinden, meint Venema.


Facebook öffnet Türen.

Weil man über soziale Medien wie Facebook und dem Videoportal YouTube die breite Masse erreichen kann, spielen sie eine wichtige Rolle.


Venema selbst engagiert sich intensiv auf „My KuhTube“. Dort können Verbraucher die Arbeit der Milchviehhalter begleiten, die Kurzfilme zu einem bestimmten Thema auf ihrem Betrieb drehen. 18 Landwirte beteiligen sich derzeit ehrenamtlich an dem Projekt der Landesvereinigung der Milchwirtschaft Niedersachsen. Zwei neue Videos erscheinen wöchentlich auf der Homepage www.mykuhtube.de und parallel bei YouTube. 65 Videos hat Venema bereits von seinem Betrieb und den Kühen gedreht.


Die Bauern seien selbst dafür verantwortlich, positive Bilder im Internet zu verbreiten. „Wenn wir es nicht tun, dann tun es andere“, sagt Venema. „Und das sind viel zu oft Schreckensbilder und Negativbeispiele.“


Dass auch positive Bilder im Netz auf Resonanz stoßen, zeigt „My KuhTube“. Gibt man bei YouTube z. B. das Stichwort „Kühe“ ein, erscheint auch ein Video, das Venema gedreht hat. Es hat bereits rund 21 100 Klicks erhalten. Das Video zur ARD-Reportage „Verheizt für billige Milch“, das deutschlandweit unter Bauern für Empörung gesorgt hat, erscheint dort auch. Es wurde jedoch nur gut 2 500 mal aufgerufen.


„My KuhTube“ hat Venema nicht nur unter Milchviehhaltern bekannt gemacht. Auch Fernseh- und Radiosender sind so auf ihn aufmerksam geworden. Zehnmal haben Fernsehsender, mindestens viermal Radiosender über ihn berichtet. Neben RTL und dem NDR 3 haben auch die ARD und das ZDF bei ihm gedreht, die gerade in letzter Zeit wegen negativer Berichterstattung über Landwirtschaft vermehrt in die Kritik geraten sind. „Ich persönlich habe noch nie schlechte Erfahrungen mit Medien gemacht“, sagt Venema.


Wie Gespräche mit Journalisten verlaufen, sei vor allem eine Frage der Körpersprache. „Wenn ein Journalist mich anspricht und ich zusammenzucke, signalisiert ihm das Unsicherheit. Das ist keine gute Basis für ein Interview oder gar einen Fernsehbeitrag“, fügt der Landwirt hinzu.


Umgang mit TV-Teams:

Venemas Geheimnis für einen gelungenen Fernseh-auftritt? „Als erstes frage ich, zu welchem Thema der Beitrag erarbeitet wird und wie umfangreich der Dreh werden soll“, sagt Venema. „Merke ich, dass der Sender eine ‚Hollywood-Inszenierung‘ mit einer unrealistischen Darstellung über Landwirtschaft plant, lehne ich die Anfrage ab.“


Ist das Fernsehteam auf dem Hof, bekommt es von Venema erst einmal eine Einweisung, wie es sich auf dem Betrieb zu verhalten hat und wo es aufpassen muss. „Damit verschafft man sich eine gewisse Autorität und einen gewissen Respekt“, erläutert Venema. Beim Dreh selbst hält er sich an den Kameramann und den Redakteur, gibt Ideen für den Dreh und wirkt so entscheidend mit.


So auch bei dem Film von RTL. Zum Abschluss trinken er und Reporterin Knetemann auf der Weide bei den Kühen einen Becher frische Milch, und ziehen nach dem gemeinsamen Arbeitstag ein Fazit: „Also mir hat es auch richtig viel Spaß gemacht. In diesem Sinne ‚Prost‘!“, sagt Knetemann. Der Fernsehbeitrag schließt mit einer Werbung für das Produkt Milch vor authentischer Kulisse (www.rtlnord.de/nachrichten/knochenjob-auf-dem-land.html).


Vor der Kamera achtet Venema auf eine selbstbewusste und aufrechte Körperhaltung, sowie eine Sprache, die auf die Zuschauer zugeschnitten ist: einfach und verständlich. Doch das erfordert Übung und Erfahrung, an der es Landwirten oftmals fehlt. „Viele Berufskollegen haben Angst, sich den Medien zu öffnen“, sagt Venema. Es wäre wichtig, dass Öffentlichkeitsarbeit und Medientrainings in der landwirtschaftlichen Ausbildung fest verankert und Fortbildungen dazu angeboten werden.


Jeder ist gefordert!

In der Vergangenheit hätten sich viele zu sehr darauf verlassen, dass Verbände und Institutionen für sie die Öffentlichkeitsarbeit übernehmen. „Jeder, der Lust zur Öffentlichkeitsarbeit hat, sollte sich darin engagieren“, findet er. „Es ist und bleibt ein wichtiges Thema, auch wenn der Fokus wegen der Milchpreise im Moment ein anderer ist.“ Es habe jedoch keinen Zweck jemandem, dem es nicht liegt, Medienvertretern und Verbrauchern Rede und Antwort zu stehen, so etwas aufzuzwängen. Es gibt genügend andere Möglichkeiten sich in der Öffentlichkeitsarbeit zu engagieren. Er freut sich über jeglichen Erfahrungsaustausch mit Berufskollegen zu diesem Thema.


Und noch etwas: Öffentlichkeitsarbeit in dem Maße, wie Venema sie betreibt, kostet Zeit. Dennoch ist es ihm wichtig, dass er sie sich nimmt. Dass er den Betrieb mit seinem Bruder gemeinsam bewirtschaftet, hilft ihm dabei.


Trotz all des Engagements, das es schon gibt, fehle eine Marketingagentur wie die frühere CMA, die über genügend finanzielle Mittel verfügt, TV-Spots und andere Werbemaßnahmen bundesweit auf den Weg zu bringen. Die können dem gesamten Image helfen. Das holländische Molkereiunternehmen FrieslandCampina z. B. hat einen Image-Film über Milch produziert (https://vimeo.com/53671575).


In dem rund dreieinhalb minütigen Clip mit dem Titel „The Story of Milk“ („Die Geschichte der Milch“) schafft das Unternehmen eine emotionale Bindung zwischen Menschen verschiedenster Herkunft, verschiedensten Alters und Tätigkeiten sowie grasenden Kühen auf der Weide, die für sie die Milch produzieren.


Der Film erinnert an Auto-Werbung, bei der die Konzerne das emotionale Erleben des Produktes in den Mittelpunkt stellen – „höchst professionell“, wie Venema findet. Das würde er sich auch von hiesigen Molkereien wünschen.


Svenja Pein

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