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„Wir stellen uns den unbequemen Fragen“

Lesezeit: 7 Minuten

„Dialog Milch“ macht Öffentlichkeitsarbeit für die Milchwirtschaft – mit ganz neuen Formaten. Bringt das etwas? Lässt sich das ausbauen?


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Dialog Milch gibt es seit knapp drei Jahren. Wie fällt das bisherige Fazit aus?


Dr. Schmidt: Gut, dass wir es gemacht haben. Und es gibt noch viel Potenzial für die Zukunft.


Kindler: Genau. Ergänzen möchte ich noch, dass das Projekt auch ein guter Ansatz für andere Organisationen ist.


Was haben Sie mit Dialog Milch bisher bewegt?


Dr. Schmidt: Jede Menge. Vielleicht grundsätzlich vorweg: Unser Ziel ist Kommunikation mit allen, die mit der Milchwirtschaft zu tun haben. Deshalb der Name „Dialog Milch“. Dabei ist uns wichtig, dass wir uns auch den unbequemen Fragen stellen und uns nicht wegducken. Zum Beispiel haben wir eine Internetseite geschaffen. Hier können sich Interessierte über die moderne Milchproduktion informieren – und finden auch Antworten auf kritische Fragen wie „Warum wird das Kalb von der Mutter getrennt“. Zudem gibt es unsere „Bauern als Botschafter“-Aktionen, bei denen Milcherzeuger auf Marktplätzen oder in Bussen das Gespräch mit Verbrauchern suchen. Oder unsere Treffen mit Journalisten, in denen wir strittige Themen gemeinsam mit Milcherzeugern diskutieren.


Kindler: Große Bedeutung für unsere Kommunikation haben die Sozialen Medien. Leider nutzen immer weniger Verbraucher die offenen Hoftage, selbst wenn diese vor der Tür sind. Lieber verbringen sie ihre Zeit im Internet. Deshalb müssen wir sie dort abholen. Und deshalb sind wir auch sehr stark auf Facebook und YouTube unterwegs. Zudem gehen wir gezielte Kooperationen mit Bloggern ein, um mit unseren Themen die Verbraucher zu erreichen.


Welche Aktionen kommen besonders gut an?


Kindler: Auf der Videoplattform „My KuhTube“, auf der Milcherzeuger mit Videos über ihren Alltag berichten, gibt es schon über 500 Filme. Diese wurden bereits mehr als 2 Mio. Mal abgespielt. Weil die bewegten Bilder derzeit so beliebt sind, haben wir jetzt auch Erklärvideos zu den Themen „Warum exportiert Deutschland Milch“ und „Wie entsteht der Milchpreis“ produziert. Hier versprechen wir uns eine große Reichweite – und somit viel Verbraucheraufklärung.


Können Sie schon Erfolge messen?


Dr. Schmidt: In Zahlen und Fakten ist das nur schwer zu greifen. Allerdings spüren wir, dass wir etwas erreichen. Wir bekommen Rückmeldungen von Verbrauchern, die unseren offenen Umgang auch mit kritischen Themen loben. Zudem haben wir unseren Draht zu den Medien verbessert. Durchaus beliebt bei den Medien ist das Kontaktformular „Journalist sucht Landwirt“ auf unserer Internetseite. Hier können sich Journalisten melden, wenn sie bei ihrer Recherche einen Landwirt einbinden möchten. So schaffen wir es in Medienberichte, in denen wir vorher nicht aufgetaucht wären.


Kindler: Genau: Wir haben durch das Projekt den Kontakt zwischen Landwirten und Medien in den Regionen ausgebaut. Beispielsweise hat uns der Norddeutsche Rundfunk bei seiner Nachberichterstattung zur diesjährigen EuroTier. eingebunden. Und die große Chance der Sozialen Medien ist, dass es keine Bundesländergrenzen gibt. So sind wir hier mindestens bundesweit unterwegs und erreichen viele Menschen. Das habe ich letztens erst selbst wieder erlebt, als mich im bayerischen Allgäu jemand auf unseren ostfriesischen Milchbauer bei My KuhTube angesprochen hat.


Heimat von Dialog Milch sind NRW und Niedersachsen. Die großen Debatten z.B. über Tierwohl laufen in überregionalen Medien wie Süddeutscher Zeitung oder im Fernsehen. Hier sind Sie bisher kaum präsent. Warum nicht?


Dr. Schmidt: Klar, in überregionalen Medien ist es deutlich schwieriger ein Thema oder einen Artikel zu platzieren als in regionalen oder lokalen Medien. Aber auch mit den Leitmedien stehen wir in Kontakt. Beispielsweise haben wir mit Redakteuren von großen, überregionalen Zeitungen schon mehrere Hintergrundgespräche geführt. Das hält diese natürlich nicht davon ab, trotzdem kritisch über uns zu berichten. Aber ich bin mir sicher, dass die Redakteure unsere Argumente und Sichtweisen beim Erstellen des Artikels zumindest im Hinterkopf hatten. Und die Frage ist ja: Wie wäre der Artikel ausgefallen, wenn wir diese Gespräche nicht geführt hätten? Deshalb: Dialog Milch macht viel in der Öffentlichkeit – aber auch viel im Verborgenen.


Vor den scharfen Angriffen von foodwatch konnten Sie die Milchbranche in NRW aber nicht schützen (Seite R9)?


Dr. Schmidt: Nein, schützen nicht. Schließlich hat foodwatch diese Kampagne von langer Hand geplant. Aber das Medienecho fiel verhältnismäßig leise aus. Im Nachhinein haben uns Journalisten gesagt: „Wir kennen euch, wir kennen foodwatch. Und in diesem Fall schießt foodwatch übers Ziel hinaus. Wir berichten deshalb nicht.“ Das ist doch auch ein Erfolg.


Könnten Sie bundesweit stärker sein, wenn Dialog Milch in mehreren Bundesländern präsent wäre?


Kindler: Absolut! Wir sehen uns als Keimzelle für eine bundesweite Dialogplattform.


Wie kann diese gelingen?


Kindler: Die Rahmenbedingungen in den einzelnen Bundesländern sind recht verschieden. Landesvereinigungen der Milchwirtschaft gibt es noch in Hessen, Rheinland-Pfalz, Thüringen und im Saarland. Mit diesen stehen wir in Kontakt und haben auch schon einzelne Projekte gemeinsam durchgeführt. Bayern hat keine Landesvereinigung mehr, aber mit der Nachfolgeorganisation milch.bayern tauschen wir uns aus. In Ostdeutschland ist es schwieriger: Hier ist die Milchdichte geringer und es gibt keine vergleichbaren Organisationen, abgesehen von der Landesvereinigung in Thüringen.


Dr. Schmidt: Die Botschaft ist aber klar: Ziel ist eine deutschlandweite Kommunikationsplattform.


Droht ansonsten ein Flickenteppich mehrerer Insellösungen?


Dr. Schmidt: Das sehe ich nicht. Wenn irgendwie möglich, wollen sich die Organisationen der anderen Bundesländer Dialog Milch anschließen – und nicht versuchen, noch etwas eigenes, womöglich Bundesweites, aufzubauen.


Knackpunkt für einen engeren Schulterschluss war und ist die Finanzierung. Wo kommt das Geld für die Arbeit von Dialog Milch her?


Dr. Schmidt: Ja, die Landesvereinigungen finanzieren sich durch die Milchumlage aus dem Milch- und Fettgesetz. Die Abwicklung ist Ländersache. Und deshalb sind Kooperationen über die Ländergrenzen hinaus nicht immer möglich. In NRW beträgt die Milchumlage 0,1 ct/kg. Daraus werden jährlich ca. 200000 € für Dialog Milch verwendet.


Kindler: Unsere Finanzierung ist zweigeteilt: Die Milchumlage beträgt bei uns 0,045 ct/kg, dadurch stehen uns rund 150000 € zur Verfügung. Weil uns die Konditionen aber oftmals zu starr und kompliziert waren, haben wir mit „Fokus Milch“ noch einen freiwilligen Beitrag eingeführt. Dieser liegt bei 0,015 ct/kg und trägt rund 250000 € dazu bei.


Die Milchumlage ist umstritten: Bayern musste sie schon abschaffen, in Hessen hat der Rechnungshof erst Ende November wieder starke Kritik geübt. Wie sicher ist das Geld für NRW?


Dr. Schmidt: Wir haben das EU-Hauptprüfvervahren erfolgreich überstanden, uns sollte somit nichts mehr passieren. Dabei ging es im Übrigen um die Verwendung des Geldes, nicht um die Milchumlage generell. Nichtsdestotrotz diskutieren wir in NRW auch über einen freiwilligen Beitrag, weil es einfach mehr Spielraum gibt.


Wo sehen Sie Dialog Milch in drei Jahren?


Dr. Schmidt: Ich wünsche mir, dass wir die Kooperationen innerhalb und außerhalb von Dialog Milch ausbauen. Schön wäre, wenn wir ein gemeinsames Dach finden, das über den aktuellen Projektcharakter hinausgeht, im Klartext: Eine eigene Firma für Dialog Milch. Sicher bin ich mir, dass wir immer mehr gesellschaftspolitische Themen wie Tierethik oder Klimaschutz diskutieren – und damit auch Gehör finden.


Kindler: Die Kooperation mit allen Gruppierungen, die etwas Ähnliches machen wie wir, ist auch mein größter Wunsch. Ich bin mir sicher, dass wir unsere Idee so weiterverbreiten können.


Kontakt: patrick.liste@topagrar.com

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