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„Wir zahlen höhere Milchpreise, weil …“

Lesezeit: 9 Minuten

FrieslandCampina zählt weltweit zu den größten Molkereien – und europaweit zu den besten Auszahlern. Wie das gelingt, erklärt Geschäftsführer Cees ’t Hart.


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Herr ’t Hart, FrieslandCampina zahlt seit Jahren mit die höchsten Milchpreise in Europa und genießt einen hervorragenden Ruf in der Branche. Was sind die Gründe des Erfolgs?


’t Hart: Da gibt es mehrere: Derzeit profitieren wir von den deutlich gestiegenen Preisen für Milchprodukte in Europa. Außerdem haben wir in den letzten Jahren die Profitabilität des Unternehmens enorm gestärkt. Ganz entscheidend dafür war die Fusion von Friesland und Campina zu FrieslandCampina im Jahr 2008. Dazu ein Beispiel: Wir haben im ersten Halbjahr 2013 mit 164 Mio. € mehr Gewinn gemacht, als Friesland und Campina im ganzen Jahr 2008 zusammen. Das bietet uns ganz andere Möglichkeiten: Eine große Genossenschaft tritt viel stärker am Markt auf, kann mehr in Forschung, Marken und Standorte investieren und Kosten durch Synergien reduzieren.


Eine große Stärke ist die Internationalisierung: Sie haben Niederlassungen in 28 Ländern und erreichen über 1 Mrd. Menschen in mehr als 100 Ländern. Welche Märkte sind derzeit besonders lukrativ?


’t Hart (lacht): Das werde ich Ihnen jetzt nicht verraten. Aber richtig: Die starke internationale Ausrichtung ist eine wichtige Philosophie unseres Unternehmens. Wir wollen nicht von einem Land oder der Entwicklung in einer Region der Welt abhängen, sondern uns breit aufstellen. Und wir wachsen weltweit: Vor drei Jahren haben wir Milchprodukte für Endverbraucher im Wert von 1,8 Mrd. € außerhalb Europas abgesetzt, im letzten Jahr für 3,2 Mrd. €. Die wichtigsten Märkte sind dabei Asien und insbesondere China, der Mittlere Osten und Afrika.


Auf Exportmärkten lauern aber auch immer Gefahren. Die chinesische Regierung hat Ihnen gerade eine Kartellstrafe von 5,8 Mio. € aufgebrummt.


’t Hart: Ja, das stimmt. Allerdings nicht wegen Preisabsprachen unter den Molkereien, wie es viele Medien berichtet haben. In China war es üblich, dass die Molkereien dem Lebensmittelhandel eine Empfehlung zum Verkaufspreis des Milchprodukts genannt haben. Einige Molkereien haben gedroht, nicht mehr zu liefern, wenn der Handel günstiger verkauft. Das war gängige Praxis, weil es im Gesetz schwammig formuliert war. Es war aber verboten. Deshalb akzeptieren wir auch die Strafe. In schnell wachsenden Märkten kann so etwas immer mal wieder passieren.


Sie sind bereits in Afrika vertreten. Viele Marktexperten sehen dort gute Absatzchancen für europäische Molkereien. Wie schätzen Sie das ein?


’t Hart: Eine Molkereiübernahme vor mehr als 30 Jahren war der Einstieg in den afrikanischen Markt. Unsere wichtigsten Länder dort sind Nigeria und Ghana. Die politischen und wirtschaftlichen Umstände sind eine große Herausforderung, doch wir haben uns etabliert: Unsere Kondensmilch-Marke Peak ist inzwischen bekannter als Coca Cola, niemand wächst in Nigeria ohne Peak auf. Dazu war aber ein Umdenken nötig: Da viele Afrikaner sehr arm sind, können sie sich die Kondensmilch aus den bekannten Dosen nicht leisten. Deshalb bieten wir kleine Kondensmilch-Packungen aus Alufolie an. Diese sind in den typischen afrikanischen Shops erhältlich und für jeden erschwinglich. So erreichen wir nun alle gesellschaftlichen Schichten, haben den Absatz deutlich erhöht und wollen auch in Zukunft in Afrika weiter wachsen.


Mit über 1 €/kg Milch macht FrieslandCampina mehr als doppelt so viel Umsatz wie viele andere Molkereien. Wie erreichen Sie das?


’t Hart: Wir legen großen Wert auf Produkte mit hoher Wertschöpfung. In der Strategie route 2020 haben wir festgeschrieben, das Geschäft mit Milchmix-Getränken, Baby- und Kindernahrung und Markenkäse auszubauen. Damit wollen wir den Anteil von Produkten mit hoher Wertschöpfung von derzeit 60 % weiter steigern und die Standardprodukte reduzieren. Ganz wichtig dafür ist, dass wir gelernt haben, alle einzelnen Bestandteile der Milch zu verarbeiten und auch attraktiv zu vermarkten. Dazu ein Beispiel: Bei der Verarbeitung von Milch zu Käse entsteht Molke. Früher haben wir die Molke verkauft und somit einen Teil der Wertschöpfung aus der Hand gegeben. Jetzt trocknen wir die Molke, splitten sie weiter auf und verkaufen dann die einzelnen Komponenten, die sogenannten Ingredienzen. Damit haben wir ganz neue Geschäftsfelder erschlossen. Mit 2,1 Mrd. € haben die Ingredienzen letztes Jahr rund 20 % zum Gesamtumsatz beigetragen.


Konkret: Was sind das für Milchkomponenten und wohin lassen sie sich verkaufen?


’t Hart: Aus dem getrocknetem Molkenpulver produzieren wir zum Beispiel Milchpulver für Hersteller von Baby- und Kindernahrung. Das ist derzeit ein boomendes Geschäft. Oder wir ziehen die Laktose aus dem Molkenpulver und verkaufen es an die Pharmaindustrie. Einige Tabletten bestehen zu 90 bis 95 % aus Pharma-Laktose, wir haben hier einen Marktanteil von 50 %. In jeder zweiten Aspirin-Tablette steckt somit unsere Milch. Ein anderes Beispiel ist der Fertigkaffee von Nescafé, der lediglich mit Wasser aufgerührt wird. Der Milchschaum darin stammt von uns.


Das klingt alles innovativ. In Wageningen bauen Sie derzeit ein Forschungs- und Entwicklungszentrum für 40 Mio. €. Was versprechen Sie sich davon?


’t Hart: Das ist der nächste große Entwicklungsschritt von uns. Ab Mitte Oktober werden rund 350 Mitarbeiter unter einem Dach vereint. Sie forschen und entwickeln an innovativen und neuen Milchprodukten, denn Verbraucher-Trends ändern sich relativ schnell. Wir arbeiten dabei mit der Universität Wageningen und anderen Universitäten zusammen. Das hat große Vorteile: Wir können gute Mitarbeiter finden und an uns binden. Und wir stellen uns international auf, da allein in Wageningen Menschen aus 16 verschiedenen Ländern wie China oder Nigeria studieren. Das hilft uns enorm, da die Geschmäcker in jedem Land anders sind.


Seit dem Eintritt in den deutschen Markt ist FrieslandCampina hier nicht mehr gewachsen. Sie haben die Milchmenge sogar gesenkt. Was sind die Probleme in Deutschland?


’t Hart: Zunächst möchte ich betonen, dass der deutsche Markt für uns wichtig ist, vor allem wegen unserer starken Marke Landliebe. Im vergangenen Jahr war Landliebe in der gesamten deutschen Weißen Linie die wertmäßig stärkste Marke, das ist ein riesiger Erfolg. Darauf wollen wir aufbauen und Landliebe weiter stärken und somit die Wertschöpfung steigern. Aber Sie haben Recht: Deutschland bzw. ganz Europa ist ein schwieriger Markt. Das wirtschaftliche Wachstum ist gering, die Bevölkerung schrumpft und der Lebensmittelhandel ist extrem konzentriert. Hinzu kommen die Überkapazitäten der Molkereiwirtschaft.


Wie lassen sich die Probleme der deutschen bzw. europäischen Molkereiwirtschaft lösen?


’t Hart: Leider ist die Milchwirtschaft da nicht besser als andere Branchen: Erst wenn ein Unternehmen wirtschaftlich mit dem Rücken zur Wand steht, denkt es über Fusionen oder Kooperationen mit anderen Unternehmen nach. Dass es aber viel sinnvoller ist, zwei gesunde Molkereien zusammenzuführen, zeigt FrieslandCampina. Deshalb bin ich überzeugt, dass sich die Molkereiwirtschaft in Zukunft drastisch ändern wird. Es wird mehr Fusionen und Kooperationen geben und strikte Restrukturierungen mit Standortschließungen.


Gilt das auch für Friesland Campina? Der Standort Köln wackelt seit Jahren. Ziehen Sie sich womöglich etwas aus Europa zurück?


’t Hart: Der Standort Köln wird nicht geschlossen, im Gegenteil: Wir investieren derzeit einen zweistelligen Millionen-Betrag in Köln, Gütersloh und Heilbronn. Und Europa bleibt ein wichtiger Absatzmarkt für uns. Denn wir wollen weltweit mit einem breitem Produktportfolio aufgestellt sein. In Asien wachsen wir derzeit vor allem mit Milchpulver und Babynahrung, in Europa in den Segmenten Milchgetränke und Markenkäse. So sind wir immer gut aufgestellt, auch wenn irgendwo einmal die Nachfrage stockt.


Ein scharfer Konkurrent kauft sich jetzt in Europa ein: Die neuseeländische Molkerei Fonterra baut zusammen mit A-Ware direkt vor Ihrer Haustür ein Käsewerk. Wird das ein Problem für Sie?


’t Hart: Nein! Das wird kein Problem für uns, da wir über genügend Milch verfügen.


Aber die Käserei will immerhin mit einer jährlichen Verarbeitung von 700 Mio. kg Milch starten.


’t Hart: Ja, und genau diese Menge müssen sie erst einmal bekommen. Als Neuling in Europa wird es die Kombination A-Ware/Fonterra relativ schwer haben. Und eigentlich ist Fonterra ja auch nicht an dem Käse interessiert, sondern nur an der Molke. Daraus wollen sie Ingredienzen produzieren und in wachsende Drittländer exportieren.


Sie haben also keine Angst, Mitglieder an Fonterra zu verlieren.


’t Hart: Nein, überhaupt nicht. Wir zahlen mit die höchsten Milchpreise in Europa, das ist das beste Argument, Mitglied von FrieslandCampina zu bleiben. Allerdings könnte es durchaus passieren, dass wir Milch an Fonterra verkaufen. Eine Fusionsauflage der EU war, dass wir etwa 1,2 Mrd. kg unserer Milchmenge anderen Molkereien zur Verfügung stellen müssen. Momentan verkaufen wir knapp 900 Mio. kg an drei andere Unternehmen.


Heute haben Sie über 14 000 aktive Milcherzeuger in den Niederlanden, Belgien und Deutschland. Wie stellen Sie sicher, dass sich der einzelne Milcherzeuger noch gehört fühlt?


’t Hart: Für eine so große Genossenschaft wie uns ist die Kommunikation in der Tat eine der größten Herausforderungen. Deshalb ist es wichtig, über alle Kanäle zu informieren: Wir veranstalten zwei Mitgliederversammlungen pro Jahr mit ausreichend Zeit für Fragen und Antworten, wir stellen alle Neuigkeiten auf unsere Homepage und verschicken regelmäßig Info-Post. Zudem haben wir Vertreter als Ansprechpartner in den verschiedenen Regionen. Und ich selbst habe einen engen Draht zu den Milcherzeugern: Ich diskutiere regelmäßig mit Mitgliedern hier in unserer Zentrale in Amersfoort oder auf ihren Höfen über aktuelle Probleme.


Das Quotenende 2015 rückt näher. Was erwarten Sie für Europa? Was für Ihr Unternehmen?


’t Hart: Wir gehen davon aus, dass die Milchmenge in Europa nach dem Ende der Quote um jährlich 2,5 % zulegen wird. Diese Mehrmengen werden vor allem aus Deutschland, den Niederlanden, Dänemark und Irland kommen. Die meisten anderen europäischen Länder schaffen es ja jetzt noch nicht einmal, ihre Quote zu erfüllen. Für FrieslandCampina rechnen wir ebenfalls mit durchschnittlich 2,5 % mehr Milch pro Jahr, wobei der Zuwachs 2015/2016 deutlich höher ausfallen wird. Doch das sind alles nur Prognosen. Entscheidend wird sein, wie das Milchpreis-Kosten-Verhältnis ist: Wenn die Marge groß ist, werden die Milcherzeuger mehr produzieren, wenn die Marge gering ist, weniger.


Glauben Sie, dass Sie diese Mehrmengen am Markt absetzen können – und zwar zu guten Preisen?


’t Hart: Davon bin ich überzeugt. Zwar steigt die Marktvolatilität auf kurze Sicht an. Gleichzeitig nimmt die Anzahl der Babys aber weltweit zu und somit auch der Bedarf an Babynahrung. Zudem steigen immer mehr Menschen in die Mittelklasse auf und können sich mehr Milchprodukte leisten. Deshalb wird die Nachfrage nach Milchprodukten langfristig über der Erzeugung liegen.


Herr ’t Hart, vielen Dank für das Gespräch.

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