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Wirbel um Ketose-Bolus

Lesezeit: 4 Minuten

Ein neuer Bolus zur Behandlung von Ketosen hat eine hitzige Debatte entfacht. Medien beschimpfen Milchbauern als „Doping-Sünder“.


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Die ARD-Sendung „Plusminus“ hat mit dem Beitrag „Doping für Turbo-Kühe“ vorgelegt, die „Süddeutsche Zeitung“ und andere haben mit Artikeln wie „Milch von gedopten Kühen“ nachgezogen. Sie alle hauen in dieselbe Kerbe: Milchbauern würden ihre Kühe flächendeckend mit Leistungsförderern vollstopfen und so die Milchleistung pushen.


Worum geht es?

Auslöser der scharfen Vorwürfe ist das Produkt Kexxtone von Fa. Eli Lilly (Elanco). Es ist seit Anfang des Jahres in Deutschland zugelassen und soll Ketose eindämmen.


Kexxtone ist ein Bolus, der den Rindern ca. drei Wochen vor der Kalbung über das Maul in den Pansen gegeben wird. Dort sorgt er dafür, dass mehr Propionsäure gebildet wird. Diese wiederum steigert die Produktion von Glukose, reduziert die Bildung von Ketonkörpern und unterstützt den Energiehaushalt. Das hilft Frischmel-kern, die negative Energiebilanz zu Laktationsbeginn zu stabilisieren. Da der Bolus bis etwa zehn Wochen nach der Abkalbung wirkt, sinkt das Ketose-Risiko um bis zu 74 %. Das zeigt eine Studie des Herstellers, nach der die europäische Arzneimittelbehörde die Zulassung erteilt hat. Es besteht keine Wartezeit auf Milch und Fleisch.


Das Pikante ist aber: Der Bolus enthält den Wirkstoff Monensin. „Das ist ein Antibiotikum – auch wenn es Elanco selbst nur als ,antimikrobielle Substanz’ deklariert“, erklärt Dr. Wilfried Wolter vom Regierungspräsidium Gießen, „und wir nutzen es jetzt prophylaktsich, um mögliche Krankheiten zu verhindern.“ Monensin wurde 2006 als Futterzusatz verboten. Landwirte hatten es bis dahin als Wachstumsförderer eingesetzt, beispielsweise in der Bullenmast.


Fakten unterschlagen:

Die Medien werfen dem Pharmaunternehmen und allen Milchbauern nun vor, über Umwegen wieder einen Leistungsförderer auf den Markt gebracht zu haben. Dabei lassen sie – gewollt oder ungewollt – einige Fakten unter den Tisch fallen:


  • Zulassung: Bis 2006 war Monensin als Futterzusatzstoff zugelassen und frei verkäuflich. Jeder Landwirt konnte es problemlos beziehen und in seine Ration einmischen. Das hat die EU verboten und jetzt nach umfangreichen Prüfungen Monensin als Arzneimittel zugelassen. Das ist ein entscheidender Unterschied. „Landwirte können den Bolus nur über ihren Tierarzt beziehen und dieser muss zunächst die entsprechende Diagnose erstellen“, erklärt Prof. Dr. Holger Martens von der Freien Universität Berlin. „Und nach Gesprächen mit Tierärzten bin ich mir sicher, dass das Produkt nur im ­Bedarfsfall und keinesfalls flächendeckend zum Einsatz kommt.“ Das sieht auch die Bundesregierung so. Auf eine Kleine Anfrage der Grünen antwortet sie wörtlich: „Aufgrund der Verschreibungspflicht für Kexxtone ist eine Behandlung mit dem Tierarzneimittel ohne Untersuchung, Diagnose und Kontrolle des Behandlungserfolges durch den Tierarzt ausgeschlossen.“
  • Leistungssteigerung: Der Bolus erhöht in der Tat oft die Milchleistung. Dafür gibt es aber eine einfache Erklärung: Unabhängige Studien zeigen, dass europaweit 20 bis 30 % aller Kühe unter subklinischer Ketose leiden. Das ist den Tieren äußerlich nicht anzusehen, drückt aber dennoch die Milchleistung. „Der Bolus wirkt und beugt einer Ketose vor. Damit wird das ursprüngliche Leistungsniveau wieder erreicht, aber nicht zusätzlich die Milchmenge gesteigert“, erklärt Prof. Dr. Martens. Selbst der Hersteller betont, dass der Einsatz nur für erkrankte oder gefährdete Tiere sinnvoll ist. „Wir reduzieren das Auftreten von Ketose. Gesunde Kühe haben weniger Folge-erkrankungen wie Eierstockzysten, Gebärmutterentzündungen und Labmagenverlagerungen, die meist mit Antibiotika behandelt werden“, sagt Dr. Enno Gottschalk von Elanco.


„Müssen umdenken!“

Die Debatte zeigt wieder einmal, wie schnell Medien und Öffentlichkeit die Landwirtschaft – und diesmal auch die Milchproduktion – an den Pranger stellen. Prof. Dr. Martens nutzt die Gelegenheit, eine neue Diskussion anzustoßen: „Anstatt ständig neue Gegenmaßnahmen für erkennbare Defizite zu entwickeln, müssen wir uns doch fragen, warum so viele Kühe unter Ketose leiden. Hier müssen wir umdenken!“ Auch die Bundesregierung betont, Tiere so zu halten, dass die Anwendung eines Arzneimittels die Ausnahme bleibt.


Prof. Dr. Martens plädiert ­daher dafür, den Fokus in der Zucht verstärkt auf Gesundheitsmerkmale und weniger auf die Milchleistung zu legen. „Und zwar ernsthaft, nicht so Alibi-mäßig wie die meisten Verbände.“


Besonders die hohen Einsatzleistungen sind ihm ein Dorn im Auge. Diese würden die negative Energiebilanz zu Laktationsbeginn verlängern und Folgeerkrankungen mit sich ziehen. Prof. Dr. Martens: „Deshalb erreichen wir nur noch 2,5 bis 3,0 Laktationen im Schnitt. Besser wäre aber, auf eine weitere Steigerung der Milchleistung zu verzichten und die Kühe vier bis fünf Laktationen zu halten.“ P. Liste

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