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Wo die Milchleistung nicht alles ist

Lesezeit: 6 Minuten

Wirtschaftliche Milchviehhaltung braucht eine produktive Rasse. Deshalb stehen in beinahe 90 Prozent der deutschen Herdbuchbetriebe die Rassen Holsteins und Fleckvieh, die mit durchschnittlichen Milchleistungen von 6 400 l bis über 8 000 l Milch pro Kuh und Jahr die anderen Rassen weit hinter sich lassen. Trotz dieser Entwicklung behaupten sich einige kleine Milchviehrassen wie Angler, Gelbvieh, Jersey und Vorderwälder in der deutschen Zuchtlandschaft, auch wenn deren Tierzahlen sehr bescheiden sind. Während bei den Anglern (Rotvieh) noch über 15 000 Herdbuchkühe gehalten werden, sind es bei Gelbvieh noch etwa 7 000, bei den Vorderwäldern rund 5 100 und bei den Jerseys stehen nur noch 2 100 Kühe im Herdbuchverzeichnis (siehe Übersicht rechts). Welche Gründe haben Milchviehhalter auf diese Rassen zu setzen, welche Probleme haben sie und welche Perspektiven bieten sich für die Zukunft? Außer bei den Anglern (Rotvieh), die mit einem HB-Durchschnitt von 7 570 kg Milch bei 4,85 % Fett und 3,62 % Eiweiß sogar das Fleckvieh überholen, ist die Milchleistung für die Züchter der kleinen Rassen nicht das wichtigste Argument. Denn die Rassen Gelbvieh, Jersey und Vorderwälder belegen mit Leistungen zwischen 5 200 bis 5 600 kg Milch deutlich die hinteren Ränge. Stark in den funktionalen Merkmalen Die Hauptgründe für die Züchter dieser Rassen liegen woanders: Angler und Vorderwälder sind vor allem in den funktionalen Merkmalen wie Langlebigkeit und Robustheit besonders stark und haben daher auf für Hochleistungskühe weniger geeigneten Standorten Vorteile. Die momentan verstärkte Nachfrage nach Anglern aus Südeuropa ist in erster Linie durch deren Vorzüge in Sachen Anpassungsfähigkeit zu erklären: Die Vermarktung von niedertragenden oder abgekalbten Färsen nach Italien, Griechenland und Algerien boomt, da dort besonders temperaturtolerante und anspruchslose Tiere benötigt werden, erklärt Claus-Peter Tordsen, Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Rotviehzüchter in Süderbrarup. Angler werden sowohl in Holstein- als auch in Fleckviehherden eingekreuzt, um die Fundamente Fundamente zu verbessern und die Inhaltsstoffe zu erhöhen. Die Doppelnutzung von Milch und Fleisch ist der entscheidende Vorteil bei Gelbvieh und Vorderwäldern. So wird das Risiko besser verteilt als bei einer reinen Milch- oder Fleischrasse, erklärt Fritz Röder, Vorsitzender des Rinderzuchtverbandes Würzburg. Die Fleischleistung ist bei Gelbvieh mindestens genauso gut wie bei Fleckvieh. Vorderwälder sind im Vergleich zu Fleckvieh mittelrahmig und um etwa 100 bis 150 kg leichter. Das geringe Gewicht bringt ihnen aber entscheidende Vorteile in den Steillagen des Schwarzwaldes. Kälber beider Rassen gehen in die Mast, niedertragende Rinder und milchschwächere Kühe werden von Mutterkuhhaltern nachgefragt. Außerdem werden Zuchtbullen an Mutterkuhbetriebe oder an Holsteinzüchter zur Einkreuzung abgegeben. Bei den Jerseys sind es vor allem die höheren Milchinhaltsstoffe, die Langlebigkeit und das geringe Körpergewicht, was Züchter schätzen. Momentan reicht das Zuchtviehangebot nicht aus: Wir können die Anfragen nach guten abgekalbten Färsen nicht befriedigen, bedauert Alois Tiex, Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Jerseyzüchter und Mitarbeiter der Rinder-Union West eG (RUW). Seit Oktober 2002 konnte er Anfragen für die Lieferung von etwa 200 Tieren nicht bedienen. Sowohl für die Reinzucht als auch für Gebrauchskreuzungen mit Fleckvieh oder Schwarzbunten Holsteins werden Jerseys gesucht, um die Milchinhaltsstoffe aufzuwerten. Für die italienischen Züchter ist insbesondere das hochwertige Eiweiß Kappa-Kasein-BB der Jerseys für die Käseverwertung von Interesse. Durch die geringen Tierbestände müssen beim Zuchtfortschritt Kompromisse gemacht werden. Der Zuchtfortschritt ist bei den kleinen Rassen langsamer als bei Holsteins oder Fleckvieh, da sie nicht mit den Besamungszahlen der Großen mithalten können. Deshalb müssen wir besondere Wege beschreiten, so Dr. Franz Maus, Zuchtleiter für die Vorderwälder im badischen Donaueschingen. Damit ist z. B. die Einkreuzung von Montbéliarde-Bullen im Zuchtprogramm der Vorderwälder gemeint, um die Milchleistung voran zu bringen. Der hohe Anteil von Natursprung bremst zudem den Zuchtfortschritt. Aber so wird das Inzuchtproblem entschärft, erklärt Maus. Bei Gelbvieh besteht das gleiche Problem: Nur zehn Prüfbullen kommen pro Jahr zum Einsatz, mindestens 350 Erstbesamungen sollen erreicht werden. Unser Ziel ist es, mindestens 50 Prozent der MLP-Kühe mit Prüfbullen zu belegen, meint Zuchtleiter Nikolaus Sauer, der ein angepasstes Jungbullenprüfprogramm für kleine Rassen für unverzichtbar hält. Die Prüfbullen werden dabei mit weniger Töchtern als bei normalen Prüfprogrammen eingestuft. Momentan wird mit den Testbullen eine Besamungsquote von 38 Prozent erreicht. Als Anreiz, diesen Anteil zu steigern, wird das Sperma der Prüfbullen kostenlos zur Verfügung gestellt. Dennoch konnte bei Gelbvieh die Milchleistung seit 1995 jedes Jahr um knapp 100 kg pro Kuh und Jahr auf den heutigen Durchschnitt von 5 573 kg pro Kuh und Jahr gesteigert werden. Um die eigenen Zuchtlinien nicht allzu sehr einzuengen und um Fortschritte in den Merkmalen zu erreichen, muss bei den seltenen Rassen oft Sperma aus dem Ausland bezogen werden. So setzen die Anglerzüchter neben den momentan zehn eigenen Bullen und 15 Prüfbullen regelmäßig schwedische und dänische Bullen ein, um Leistung und Rahmen weiter zu verbessern. Bei den Anglern reichen die Tierzahlen nach Claus-Peter Tordsen aus, um ein Zuchtprogramm zu gewährleisten und Fortschritte zu erzielen: Aber natürlich ist es bei uns auch oft ein Problem einen Spitzenvererber hervorzubringen, den die Züchter dann auch wollen, erklärt er. Amerikanische und dänische Bullen Die Jerseyzüchter setzen abwechselnd amerikanische und dänische Bullen ein, um im Eiweißgehalt und in den funktionalen Merkmalen weiter zu kommen. Sie konnten in den letzten Jahren ihre Milchleistung kontinuierlich steigern. Gemessen an den Fett- und Eiweißkilos verzeichneten die Jerseys neben den Kreuzungen 2002 den höchsten Leistungszuwachs, erklärt Alois Tiex. Erst vor kurzem wurde bei den Jerseys das Zuchtziel auf 7 000 kg Milch mit 6 % Fett und 4,2 % Eiweiß pro Jahr erhöht. Momentan steht für diese Rasse Sperma von insgesamt 34 Bullen zur Verfügung. Aufgrund der geringen Populationsgröße in Deutschland ist es derzeit sinnvoller, weltweit die beste Genetik von geprüften Bullen und auch von Prüfbullen zuzukaufen. 4 980 Erstbesamungen konnten im vergangenen Jahr durchgeführt werden. Das ist ein Plus von 24,8 % im Vergleich zum Vorjahr! Grund dafür ist die steigende Bedeutung der Jerseys für Gebrauchskreuzungen zum Beispiel mit Schwarzbunten. Um Jersey- Sperma in Zukunft billiger anbieten zu können, soll für diese Rasse wieder ein eigenes Testbullenprogramm anlaufen. Staat fördert die Zuchtprogramme Um den Rückgang der Tierzahlen zu bremsen und um die Nachteile der kleinen Population zu kompensieren, werden die seltenen Rassen zum Teil vom Staat gefördert. So erhalten Züchter von Vorderwäldern 51,13 E Prämie pro Bestandskuh im Rahmen des MEKA-Programmes in Baden-Württemberg. Bei Gelbvieh wurde eine Förderung beantragt. Die staatliche Förderung allein wird aber nicht reichen, um die Populationen dieser Rassen zu stabilisieren. Ihre Zukunft wird in entscheidendem Maße von den politischen Rahmenbedingungen abhängen. Konkret davon, welche Bedeutung die Milchleistung und die funktionalen Merkmale der Tiere künftig haben werden. Für die Angler und die Jerseys wird entscheidend sein, wie die Fett- und Eiweißgehalte gewichtet werden. Silvia Lehnert

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