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Zwischen Bergen und Mandelbäumen

Lesezeit: 7 Minuten

Gesellschaftskritik und steigende Umweltauflagen: Auch die Milchbranche in Kalifornien (USA) stößt an Grenzen. top agrar sprach mit Milcherzeugern und Molkereien.


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Eine großzügige Auffahrt, die amerikanische Flagge vor dem Melkgebäude, die Größe der Farm lässt sich auf den ersten Blick nur schwer erahnen – diese Beschreibung trifft wohl auf viele Farmen im Milchstaat Kalifornien zu. Ein kalifornischer Milchviehbetrieb hält im Schnitt 1300 Kühe. Kalifornien produziert 18% der Milchmenge der USA.


Doch ein steigender Mindestlohn, Umweltauflagen und die Kritik der Gesellschaft sorgen für Frust bei den kalifornischen Milchviehhaltern. Hinzu kommt ein Milchpreis, der mit aktuell 26 Cent/kg bereits im fünften Jahr unter dem Schnitt der letzten zehn Jahre mit 29 Cent/kg liegt (auf Basis von 3,5% Fett, 3,2% Protein). Noch steigt die Zahl der Milchkühe pro Betrieb weiter in großen Sprüngen. Doch die abnehmende Zahl der Betriebe zeigt, dass das Wachstum in Kalifornien an seine Grenzen stößt. Zwischen 1997 und 2017 sank die Zahl der Milchviehbetriebe von 2400 auf 1300.


Wie Milchviehhalter mit den Herausforderungen umgehen, zeigt ein Gespräch auf dem Betrieb von Cornell Kasbergen (62) und seinem Sohn Case (38).


Jerseys als Strategie


Die Landwirte bewirtschaften einen Milchviehbetrieb mit 4000 Kühen plus weiblicher Nachzucht. „1940 ist meine Familie aus Holland ausgewandert, zuerst nach Südkalifornien. Inzwischen leben wir seit 30 Jahren in Tulare“, erklärt Cornell Kasbergen. Der Bezirk Tulare produziert rund 30% der Milch in Kalifornien.


Um einen besseren Milchpreis zu erzielen setzt die Familie auf Jerseykühe. Seit 2011 stieg der Anteil der Jerseys in der Herde auf drei Viertel. Die gu-ten Milchinhaltsstoffe sind einer der Gründe für den Strategiewechsel von Holstein zu Jersey. „Fett wird einfach besser bezahlt“, so Kasbergen. Außerdem sei die Futterverwertung der kleinen Jerseys besser. Die Holsteins fressen in der Laktation im Schnitt 26,3 kg Trockenmasse pro Tag, während die Jerseys 20,4 kg fressen. Für die Holsteins ergibt sich daraus eine Futtereffizienz von 1,46 und für die Jerseykühe von 1,33. Umgerechnet auf ein kg Fett frisst die Holsteinkuh aber 18 kg und Jerseykuh 16,7 kg Trockenmasse.


Deshalb sind auch die Rationen für die hochleistenden Gruppen der beiden Rassen unterschiedlich. Nur die Frischkalber bis zum 30. Laktationstag und die altmelkenden Kühe erhalten die gleiche Ration, unabhängig von der Rasse. Kasbergen lässt das Grundfutter wöchentlich analysieren und die Futterrationen von einem Berater berechnen. Mais für die Silage baut der Betrieb selbst an. Neben 3000 t Luzerne aus Nordkalifornien, kauft Kasbergen Sojabohnenmehl, Getreide und Mais aus Staaten wie Colorado in der Mitte der USA zu. Diese Futtermittel kommen per Güterzug nach Kalifornien. Außerdem setzt Kasbergen eine Vielzahl von Nebenprodukten aus der Landwirtschaft ein, um die hohen Futterkosten zu senken. Denn diese machen rund 55% der Produktionskosten auf seinem Betrieb aus. So kommen zum Beispiel Mandelschalen und Baumwollsamen in die Ration.


Gute Mitarbeiter sind teuer


Cornell Kasbergen und seine Frau sind für die Büroarbeit zuständig, ihr Sohn Case managt die Landwirtschaft. „Ich weiß nicht, was besser ist, den Papierkram zu erledigen oder die Mitarbeiter auf der Farm anzuleiten“, sagt Kasbergen. Alle Angestellten kommen ursprünglich aus Mexiko. Das ist ein typisches Bild in den USA: Nur wenige Amerikaner arbeiten in der Landwirtschaft. „Wer von meinen Mitarbeitern legal in den USA arbeiten darf, weiß ich nicht“, sagt Kasbergen. Doch sie hätten Glück, einen guten, festen Mitarbeiterstamm zu haben. Die Fluktuation liegt bei etwa 10%.


„Die steigenden Lohnkosten sind eine der größten Herausforderungen für Milchviebetriebe“, sagt Rob Vandenheuvel, Vizepräsident und Erzeugerberater bei der Genossenschaftsmolkerei California Dairies, Inc. Der kalifornische Mindestlohn liegt bei 9,73 € pro Stunde und soll in den nächsten vier Jahren auf 13,27 € steigen. Die meisten Betriebsleiter zahlen jetzt schon mehr als den Mindestlohn, um ihre Mitarbeiter zu halten. Vandenheuvel schätzt, dass 60% der Angestellten auf Milchviehbetrieben illegal in den USA leben. Genaue Zahlen seien nicht bekannt. „Wir brauchen eine bessere Einwanderungspolitik der Regierung, denn verlässliche Mitarbeiter sind ohnehin knapp“, sagt er.


Mandeln contra Milch


Denn auch auf den Farmen im Umland gibt es genug Arbeit. Das Kalifornische Längstal, in dem auch die Farm der Kasbergens liegt, erstreckt sich von Sacramento bis Bakersfield. Da es von Gebirgsketten umgeben ist, ist das Klima trocken und warm. Regen fällt fast ausschließlich von Dezember bis April. Aufgrund des Klimas bauen Landwirte hier über 200 verschiedene Kulturen an. Die bedeutendste ist der Mandelbaum. Rund 1 Mio. t bzw. 80% der weltweit verkauften Mandeln kommen aus diesem Anbaugebiet.


Auch Kasbergen ist auf diesen Zug aufgesprungen. Auf ehemaligen Luzerneflächen stehen jetzt 200 ha Mandelbäume. „Es war für uns viel rentabler hier Mandeln zu produzieren und die Luzerne für die Kühe zu kaufen“, erklärt Kasbergen. So sehen es viele Milchviehhalter. Im Gespräch fällt häufig das Wort „Diversifizierung“. Sie wollen sich nicht mehr allein auf die Einkommen aus der Milchproduktion verlassen und bauen zusätzlich Mandelbäume oder andere Sonderkulturen an. Die Kehrseite der Medaille: Da der Anbau von Mandeln, Pistazien und Walnüssen sehr profitabel ist, stieg der Kaufpreis für Land in der Region der Kasbergens in den letzten 30 Jahren um das Zehnfache auf 44230 € pro ha. Und das, obwohl die Sorge der Landwirte und der Bevölkerung um den Wassermangel in Kalifornien wächst.


Wasser in aller Munde


Die Landwirtschaft verbraucht 75% des Wassers aus Kalifornien. Ein Drittel der Wasserversorgung erhält Kalifornien im Frühjahr aus der Schneeschmelze in den Bergen. Da die Niederschlagsmenge von 2011 bis 2017 unter dem Durchschnitt von 255 mm im Jahr lag, fiel auch die Schneeschmelze geringer aus. Diese speist die oberirdischen Kanäle, aus denen die Landwirte das Wasser zur Bewässerung ihrer Felder pumpen. Knapp 90% der landwirtschaftlichen Anbaufläche in Kalifornien wird bewässert. Allein für die Produktion von 1 kg Mandeln sind 15000 l Wasser nötig. Aber auch z.B. die Stadt San Francisco erhält das Wasser über diese Kanäle. Zusätzliches Wasser kommt aus der Tiefe.


Der Umgang mit den knappen Wasserressourcen ist ein bestimmendes Thema in Kalifornien. „Leider haben wir zu lange nicht auf die schrumpfenden Wasservorräte reagiert“, gibt Vandenheuvel zu bedenken. Das vorhandene Wasser nutzen die Milchviehbetriebe vielfach. Für die Milchkühlung und mehrmals für die Spülung der Laufgänge. Immer wieder filtern sie die festen Bestandteile heraus. Zuletzt geht es zur Bewässerung und Düngung auf die Felder. Dennoch müssten die Landwirte ihre Brunnen immer tiefer bohren, um an Wasser zu kommen. Noch vor 30 Jahren pumpte Kasbergen das Wasser aus seinem Bohrloch in 30 m Tiefe, inzwischen sind es 45 m.


„Um das Wasser aus der Schneeschmelze besser zu nutzen, brauchen wir mehr Staudämme in den Bergen“, sagt Vandenheuvel. Aktuell fließe ein Großteil des Wassers noch ungenutzt ins Meer, da nicht alles im Frühjahr gelagert werden kann. Aus Kasbergens Sicht braucht Kalifornien ein System, um dieses Wasser gezielt versickern zu lassen und so den Grundwasserspiegel wieder zu heben. Von der Bevölkerung kommen ganz andere Forderungen. Zum Teil verurteilt diese die intensive Tierhaltung generell.


Umweltauflagen steigen


Rund 90% der Bevölkerung in Kalifornien lebt in Städten, 75% davon in den Ballungszentren um San Francisco, Los Angeles und San Diego. Da sie den überwiegenden Teil der Wählerstimmen stellen, ist ihr Einfluss groß. Deshalb sind auch die Umweltauflagen für Landwirte in Kalifornien US-weit am höchsten, sagt Vandenheuvel. Da die Landwirtschaft ein bedeutender Wirtschaftszweig ist, lässt die Regierung sich Zeit für größere Beschränkungen. Aktuell beruht die Wasserentnahme durch die Landwirte noch auf alten Wasserrechten. Erst ab 2040 soll sich dieses System ändern. Dann darf nur noch so viel Wasser genutzt werden, wie jährlich aus Niederschlägen und Schneeschmelze anfällt.


„Wir werden sehen, was die Zukunft bringt“, sagt Kasbergen. Noch mache er sich keine Sorgen. In diesem Jahr will er in eine Biogasanlage investieren, an der sich 20 Farmen aus der Umgebung beteiligen. Das Methan aus der Anlage wird nicht in Strom umgewandelt, sondern gereinigt und direkt ins Gasnetz eingespeist. katharina.luetke-holz@topagrar.com

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