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Atemwegserkrankungen: Worauf Sie beim Rinderkauf achten müssen

Atemwegserkrankungen bereiten zunehmend Probleme in Rinderbeständen. Unser Praxisbeispiel zeigt: Landwirte sollten beim Tierzukauf darauf achten, keine Erreger in den Bestand einzuschleppen.

Lesezeit: 6 Minuten

Eigentlich hatte ich mir geschworen, nie wieder Tiere zuzukaufen“, sagt Stefan Kerlfeld, der auf seinem Betrieb 180 Milchkühe und die eigene Nachzucht hält. Denn vor mehr als 20 Jahren kam durch einen Zukauf der Mortellaro-Erreger in den Bestand.

Im vergangenen Jahr brach er dann mit seinem Vorsatz: Nach einem Stallumbau stand die Aufstockung der Herde an. Der Landwirt kaufte im Frühjahr 18 abgekalbte Färsen von verschiedenen Milchviehbetrieben. „Zwei Wochen später verendete die erste Kuh aus dem Bestand, weitere waren krank“, beschreibt der Milcherzeuger.

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Die Tiere hatten sehr starke Symptome: 41°C Fieber, die Milchleistung sank schlagartig von bis zu 60 auf 0 kg und sie atmeten schwer. Ohne Behandlung verendeten sie nach kurzer Zeit oder mussten eingeschläfert werden.

Diagnose bringt Besserung

Das bestätigt auch der betreuende Tierarzt Dr. Volker Nüllmann von der Tierarztpraxis Bramsche (Niedersachsen): „Wir konnten den Rindergrippeerreger Mannheimia haemolytica bei den kranken Kühen per langem Nasentupfer diagnostizieren. Dabei handelt es sich um ein Bakterium, das im Gegensatz zu anderen Lungenerregern innerhalb weniger Stunden zu irreperablen Schäden in der Lunge führen kann.“

Die Luftwege verkleben und ein Gasaustausch kann nicht mehr stattfinden. Grund dafür ist eine Überschussreaktion des Immunsystems. Die Kühe geben innerhalb kürzester Zeit keine Milch mehr, haben hohes Fieber und sind zum Teil apathisch. Kälber können innerhalb weniger Stunden nach der Infektion verenden. Darüber hinaus entpuppte sich dieser Stamm als multiresistent gegenüber vielen gängigen Antibiotika, erklärt Tierarzt Nüllmann.

Vor dem Tierzukauf ist eine Bestandsaufnahme der Grippeerreger in der Herde sinnvoll.

„Glücklicherweise gab es noch einen Wirkstoff, der bei frühzeitiger und konsequenter Behandlung gemeinsam mit einem Entzündungshemmer auch frisch erkrankte Tiere genesen ließ.“ Im Stall von Stefan Kerlfeld waren Kühe in unterschiedlichen Laktationsstadien betroffen, auch stabile Tiere im Trockenstand oder der späteren Laktation. Insgesamt verlor der Betrieb 20 Kühe, mehr als 40 waren krank.

Herde war ungeschützt

„Nach wenigen Wochen kam der Erreger dann auch bei den Kälbern an. Er wurde vermutlich bei der Kalbung übertragen“, sagt Stefan Kerlfeld. Tierarzt Nüllmann vermutet, dass der Erreger in einer anderen Herde keine Probleme gemacht hätte: „Die Kühe waren völlig ungeschützt, da sie vorher noch nie mit dem Bakterium in Kontakt gekommen sind.“ Als dieses mit den zugekauften Tieren in den Bestand kam, reagierten selbst alte Kühe sehr stark.

Im Juli begann der Betrieb mit der Impfung der Herde. Das beruhigte die Situation. „Bis September traten immer wieder Fälle auf, die sich aber behandeln ließen“, erinnert sich Stefan Kerlfeld. Nach sieben Monaten waren alle Tiere dreimal geimpft und inzwischen melkt der Landwirt wieder die frühere Leistung von 11800 kg Milch.

Sollte jeder impfen?

Dr. Volker Nüllmann beobachtet, dass auch bei Kühen die Probleme mit Atemwegserkrankungen zunehmen. Er weiß aber auch, dass viele Betriebe die Kosten einer regelmäßigen Bestandsimpfung scheuen. „Mir wäre wichtig, dass Betriebsleiter zumindest festhalten, wie viele Lungenentzündungen bei ihren Kühen und Kälbern auftreten“, sagt er. Auf Basis von konkreten Zahlen lasse sich besser entscheiden, ob eine Impfung sinnvoll wäre.

Wenn jedoch ein Zukauf ansteht, empfiehlt der Tierarzt, Kühe aus dem Bestand auf Lungenerreger untersuchen zu lassen. Werden ältere und neue Infektionen diagnostiziert, sind Tiere, die neu in die Herde kommen, gefährdet, sofern sie nicht geimpft sind. Hat die bestehende Herde jedoch keine Antikörper, ist sie gefährdet, falls Zukauftiere die Infektion mitbringen.

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I N T E R V I E W

Mit Grippeerregern leben

Kranke Tiere früh erkennen und eine Impfstrategie verfolgen. Wie Landwirte mit Atemwegserkran-kungen in ihrer Herde umgehen sollten, erklärt Dr. Annette Pfitzner von der Universität München.

Welche Rolle spielen Atemwegserkrankungen auf Milchviehbetrieben?

Pfitzner: Insgesamt nehmen die Atemwegserkrankungen zu, so ist unser Eindruck in der Rinderklinik. Hier melden sich immer wieder Betriebe, die plötzlich große Probleme damit haben.

Wie reagieren Landwirte und Tierärzte bei Verdacht richtig?

Pfitzner: Natürlich ist es wichtig, kran-ke Tiere möglichst früh zu erkennen und zu behandeln. Denn damit die Behandlung erfolgreich sein kann, darf man am Anfang keine Zeit verlieren! Bei ungewöhnlichen Symptomen oder größeren Problemen ist eine Erregerdiagnostik sehr wichtig.

Nicht alle Formen der Rindergrippe sind offensichtlich als solche sofort erkennbar. Das Bakterium Mannheimia haemolytica gehört z.B. zu den Atemwegserregern, aber verursacht nicht unbedingt Husten und Nasenausfluss. Außerdem sind beim Abhören der Lunge nicht die typischen lauten Geräusche einer Atemwegserkrankung zu hören, da die Lunge schon nach kurzer Zeit stark verdichtet sein kann. Zusätzlich zu dem Erregernachweis ist eine Sektion verendeter Tiere zu veranlassen.

Wie können Betriebe Grippeerkrankungen vorbeugen?

Pfitzner: Die Rindergrippe ist eine klassische Faktorenkrankheit. Das heißt sowohl unbelebte Faktoren (Stallklima) wie auch Erreger spielen eine Rolle wenn es zu Erkrankungen kommt. Meistens haben wir es mit Mischinfektionen durch verschiedene Erreger zu tun. Die verfügbaren Impfstoffe bieten eine gute Abwehrbasis, um vor einem schweren Krankheitsverlauf zu schützen.

Doch nur zu impfen, wenn die Kälber schon husten oder aufzuhören, wenn alles wieder gut läuft, ist nicht zielführend. Häufig wird dabei vergessen, dass auch weniger akute Atemwegserkrankungen später Leistungseinbußen bei den melkenden Kühen verursachen.

Das Impfen aller Kälber auf dem Herkunftsbetrieb wäre ein wichtiger Schritt, die Häufigkeit und Heftigkeit von Atemwegserkrankungen zu minimieren und nicht zuletzt auch den Antibiotikaeinsatz in der Mast zu reduzieren! Denn Atemwegserkrankungen sind in Kälbermast- und Fresseraufzuchtbetrieben ein häufiges Problem. Der Einsatz von Impfungen sollte aber nicht die einzige vorbeugende Maßnahme sein. Es ist wichtig, auch andere Faktoren mit Einfluss auf Atemwegserkrankungen, wie z.B. das Stallklima, zu verbessern.

Was ist die richtige Impfstrategie?

Pfitzner: Es gibt nicht die eine Strategie für alle Milchviehbetriebe. Wenn ein Betrieb keine größeren Probleme mit Atemwegserkrankungen hat, keine Tiere zukauft, aber dauerhaft gesunde Kühe haben möchte, ist es nicht unbedingt nötig, alle Kühe regelmäßig nachzuimpfen. Es ist jedoch zu empfehlen, mit der Impfung bei den Kälbern anzufangen.

Junge Kälber erhalten eine Dosis intranasal und eine, besser zwei Wiederholungsimpfungen. Diese Kombination bietet den besten Schutz, auch wenn der Schutz über die Biestmilch nachlässt. Dabei dürfen wir nicht vergessen: Über die Biestmilch erhalten die Kälber nur dann Antikörper bestimmter Erreger, wenn die Muttertiere dagegen geimpft sind oder durch eine entsprechende Infektion Antikörper gebildet haben.

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