Das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) hat mit Blick auf die stark steigenden Fallzahlen häufige Fragen und Antworten rund um die Blauzungenkrankheit zusammengefasst, die wir nachfolgend veröffentlichten. Aktuelle Informationen gibt es auch stets auf der FLI-Webseite zur Blauzungenkrankheit.
Was ist die Blauzungenkrankheit und welche Tiere sind davon betroffen?
Die Blauzungenkrankheit (Bluetongue disease - BT) ist eine virusbedingte, hauptsächlich akut verlaufende Krankheit der Schafe und Rinder. Daneben sind auch Ziegen, Neuweltkameliden und Wildwiederkäuer für die BT empfänglich. Der Erreger ist ein Orbivirus aus der Familie Reoviridae, es gibt 24 klassische, bekämpfungswürdige Serotypen (BTV-1 bis BTV-24), sowie mindestens 8 weitere atypische Serotypen.
Ist der Erreger auf den Menschen übertragbar?
Nein, der Erreger der BT ist für den Menschen nicht gefährlich. Fleisch und Milchprodukte empfänglicher Tiere können ohne Bedenken verzehrt werden.
Wie wird der Erreger übertragen?
Der Erreger wird durch stechende Vektoren der Gattung Culicoides (= Gnitzen) übertragen, daher tritt die BT verstärkt saisonal in der warmen Jahreszeit bei feuchtwarmem Wetter auf. Die Gnitzen fallen vor allem während der Abend- und Morgendämmerung Tiere im offenen Gelände an.
Wo kommt die Erkrankung vor?
Die BT wurde Anfang des 20. Jahrhunderts im südlichen Afrika entdeckt. In den Folgejahrzehnten hat sich die Erkrankung über ganz Afrika verbreitet. Mittlerweile tritt sie weltweit auf. Die Tierseuche kommt bedingt durch die Übertragung durch Gnitzen vor allem in der warmen Jahreszeit vor und hat ihre Höhepunkte bei feuchtwarmem Wetter.
Welche Serotypen der Blauzungenkrankheit gibt es in Deutschland?
In Deutschland spielte zunächst der BTV-Serotyp 8 eine Rolle. Nachdem Deutschland in den Jahren 2006–2009 von BTV-8 betroffen war, konnte dessen kontinuierliche Ausbreitung durch die Einführung von Impfprogrammen gegen diesen Serotyp deutlich reduziert werden. Von 2012 bis Dezember 2018 war Deutschland wieder offiziell frei von dieser Tierseuche. Im Jahr 2015 tauchte BTV-8 in Frankreich erneut auf und führte im Jahr 2019 zu 59 Ausbrüchen in Tierhaltungen in Deutschland, 2020 und 2021 kamen insgesamt lediglich drei weitere dazu. Seit Juni 2023 war ganz Deutschland dann wieder als amtlich BTV-seuchenfrei anerkannt.
Im September 2023 trat überraschend BTV-3 erstmals in den Niederlanden auf und breitete sich rasant aus. Betroffen waren überwiegend Schafhaltungen. Im Oktober 2023 bestätigte dann das Nationale Referenzlabor (NRL) für Blauzungenkrankheit des FLI die erste Infektion mit dem Serotyp 3 in Deutschland. Betroffen war eine Schafhaltung in Nordrhein-Westfalen (NRW).
In Europa wurde der Serotyp 3 vorher nur aus Süditalien gemeldet, weitere Länder mit BTV-3-Nachweisen sind Tunesien, Israel und große Teile des südlichen Afrikas.
Seit Juli 2024 nehmen die Fallzahlen in Deutschland wieder deutlich zu (Stand 30. Jul 2024: 913 Fälle) und es sind Fälle aus Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Hessen berichtet worden. Mit einer weiteren sehr deutlichen Zunahme der BTV-3-Fälle bis zum Winter 2024 ist zu rechnen und auch mit der Ausbreitung auf weitere Bundesländer.
Wie verläuft die Krankheit und welche Symptome zeigen die Tiere?
Typische und schwere klinische Symptome sind meist nur beim Schaf zu finden. Sie zeigen rund sieben bis acht Tage nach der Infektion die ersten Anzeichen einer akuten Erkrankung: erhöhte Körpertemperatur, Apathie und Absonderung von der Herde.
Bald nach dem Anstieg der Körpertemperatur schwellen die geröteten Maulschleimhäute an. Häufig zeigen die Tiere ein Kopfödem. Es kommt zu vermehrtem Speichelfluss und Schaumbildung vor dem Maul. Die Zunge schwillt an und kann aus dem Maul hängen.
Die namensgebende Verfärbung der Zunge ist sehr selten und nur bei hochempfänglichen Schafrassen und sehr schweren Verläufen zu erwarten. An den Klauen rötet sich der Kronsaum und schmerzt. Die Schafe können lahmen und bei tragenden Tieren kann die Erkrankung zum Abort führen. Erkrankte Tiere können wieder ausheilen, aber je nach Schafrasse und Virulenz des BTV-Stammes können auch Tiere versterben.
Die klinischen Symptome bei Rindern sind Entzündungen der Zitzenhaut und Schleimhäute im Bereich der Augenlider, Maulhöhle und Genitalien. Zudem treten Ablösungen von Schleimhäuten im Bereich der Zunge und des Mauls sowie Blasen am Kronsaum auf. Diese klinischen Erscheinungen können Symptomen der Maul- und Klauenseuche (MKS) ähneln. Außerdem kann es zur Reduktion der Milchleistung kommen. BT verläuft aber bei Rindern in der Regel deutlich milder als bei Schafen, einzelne Tiere können trotzdem daran versterben.
Die Klinik und Pathogenese der atypischen BTV-Serotypen wie BTV-25 scheint sich deutlich von den klassischen BTV-Serotypen zu unterscheiden. So wurde bisher keine oder eine nur sehr milde Klinik bei Ziegen und Schafen festgestellt, wenn sie mit atypischen BTV-Serotypen infiziert waren. Darüber hinaus scheint es eine deutlich andere Pathogenese im Tier zu geben (spätere Virämie, kaum humorale Immunantwort, langandauernder Genomanachweis im Blut über Jahre).
Sehen Symptome und Krankheitsverlauf bei BTV-3 genauso aus?
Aus den Niederlanden wurden aus Schafhaltungen zum Teil schwere Verläufe mit BT-typischer Klinik gemeldet, durch die bis zu 25 Prozent der Schafe starben. Bei Rindern verläuft die BTV-3 Infektion deutlich milder, allerdings sind auch hier Fieber, Milchrückgang und Lahmheiten berichtet worden.
In Infektionsexperimenten konnte die hohe Virulenz von BTV-3 für Schafe bestätigt werden. Weitere Informationen mit Beispielsbildern zur BTV-3-induzierten Erkrankung finden sich unter folgendem Link: Ausbruch der Blauzungenkrankheit in den Niederlanden – Serotyp 3 (BTV-3).
Wie wird das Virus bekämpft?
Die Blauzungenkrankheit, basierend auf den klassischen Serotypen 1-24, ist aufgrund des neuen europäischen Tiergesundheitsgesetztes als Seuche der Kategorie C+D+E klassifiziert und ist damit optional zu bekämpfen. Es erfolgt daher auch nur noch die Statusangabe „seuchenfrei“ oder „genehmigtes Tilgungsprogramm“ für bestimmte Regionen, die diesen Zustand entsprechend belegen können. Eine genaue Differenzierung in dem sich ausbreitenden BTV-Serotyp erfolgt nach dem neuen Recht nicht mehr. Auf der Webseite der Europäischen Union wird jeweils über die Bedingungen nach dem neuen Tiergesundheitsrecht informiert: Webseite der Europäischen Union
Wie können Tierhalter ihren Bestand vor einem Seuchenausbruch schützen?
Die Impfung der Wiederkäuer bietet derzeit den einzigen effektiven Schutz gegen die klinischen Symptome, Tierverluste und vor der Virusausbreitung. Hierbei werden in Deutschland ausschließlich inaktivierte Impfstoffe eingesetzt, die bei BTV-8 einen langandauernden sehr guten Schutz vermitteln.
Bisher wurden die Anwendung von drei Impfstoffen gegen BTV-3 im Rahmen einer bundesweit gültigen Eilverordnung gestattet. Entsprechend den Gebrauchsinformationen schützen die drei Impfstoffe vor Todesfällen nach Infektion mit dem BTV-3 Virus. Sie reduzieren die klinischen Erscheinungen und reduzieren die Virämie. Einen vollständigen, sterilen Impfschutz, der Infektionen verhindern würde, bieten sie nicht.
Erste Berichte aus den Niederlanden bestätigen, dass die Impfstoffe sicher in der Anwendung sind und von den geimpften Tieren gut vertragen werden. Es ist dort zwar auch bei geimpften Schafen und Rindern zu Erkrankungen gekommen, insgesamt sind die Infektionsverläufe aber deutlich milder. Wenn Todesfälle aufgetreten sind, betraf dies vor allem Tiere, die z. B. durch Parasiten anderweitig stark geschwächt waren. Auch wenn der Impfschutz nicht vollständig ist, wird die Impfung empfänglicher Wiederkäuer gegen BTV-3 durch die StIKo Vet dringend empfohlen: Kurzmitteilung der StIKo-Vet.
Um möglichst schnell Wiederkäuer vor schweren Erkrankungen und Todesfällen schützen zu können, wurde die Anwendung der BTV-3-Impfstoffe nach einer Vorabprüfung durch das Paul-Ehrlich-Institut im Rahmen einer Eilverordnung befristet für zunächst sechs Monate gestattet. Für die reguläre Zulassung müssen insbesondere noch weitere Daten zur Dauer der Immunität abgewartet werden. Um Tiere aus nicht freien Regionen in freie Gebiete verbringen zu können, sind daher weiterhin PCR-Testungen und die gezielte Behandlung mit Repellentien (z. B. Mückensprays) vor dem Transport und während des Verbringens erforderlich.
Generell gilt es, den Gesundheitszustand der Tiere insgesamt gut zu beobachten und Verdachtsfälle abklären zu lassen, sowie darauf zu achten, wo und von wem Tiere zugekauft werden. Die Testung erkrankter Tiere kann zudem die Ursache genau abklären.
Wie läuft die Impfung ab?
Die BTV-3-Impfstoffe werden über den Hoftierarzt bezogen, der die Impfung dann auch durchführt. Über welche Körperstelle des Tieres der Impfstoff appliziert wird, legt der Impfstoffhersteller auf Basis der Tests im Impfstoff-Zulassungsverfahren fest. Es sind jeweils die Produktbeschreibungen der Hersteller zu beachten.
Ist die Impfung gegen BTV des Serotyps 3 verpflichtend und gäbe es finanzielle Unterstützung?
Die BTV-Impfung erfolgt in Deutschland auf freiwilliger Basis. Ob es finanzielle Unterstützungen gibt und wenn ja in welchem Umfang, ist je nach Bundesland sehr unterschiedlich und kann bei den zuständigen Tierseuchenkassen erfragt werden.
Forscht das Friedrich-Loeffler-Institut zur Blauzungenkrankheit?
Das FLI führt das Nationale Referenzlabor für Blauzungenkrankheit in Deutschland und beobachtet den Eintrag und die Verbreitung des Erregers. Es ist direkter Ansprechpartner für Bundes- und Länderbehörden zu Fragen des Erregernachweises und der -bekämpfung. Neben der Durchführung bestätigender Antikörper- und Genomnachweise erfolgt am NRL die Virusisolierung und die komplette und teilweise Genomsequenzierung. Zudem werden unterschiedliche BTV-Stämme in vivo charakterisiert, um die Virulenz abzuschätzen sowie potentielle Impfstoffe zu testen.
Weitere Informationen zu den Krankheitserscheinungen stehen auf der FLI-Webseite zur Blauzungenkrankheit bereit.
Gibt es Entschädigungen bei Verlusten oder für Kosten?
Landwirte, die eine Ertragsschadensversicherung haben und von einem Ausbruch der Blauzungenkrankheit betroffen sind, sollten sobald möglich ihren Versicherer kontaktieren. Darauf weist die Westfälisch-Lippische Versicherungs- und Unternehmensberatungsgesellschaft mbH hin. Versichert seien dabei in der Regel Tierverluste sowie Leistungsminderungen und auch Tierarztkosten, die über die Selbstbeteiligung hinausgehen. Voraussetzung ist ein Nachweis der Blauzungenerkrankung im Bestand.