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Borchert-Pläne: Das sagen Milchviehhalter

Die Borchert-Kommission plant seit Monaten den Umbau der Tierhaltung. Wir haben uns bei Landwirten umgehört, was sie aus Praktikersicht dazu sagen.

Lesezeit: 9 Minuten

Seit Monaten entwickeln verschiedene Gremien im Rahmen der Borchert-Pläne Konzepte zum Umbau der Tierhaltung. Immer wieder sickern Informationen durch – bisher allerdings wenig konkret. Klar ist schon jetzt, dass es Anbindehalter und Landwirte, die in ehemaligen DDR-Typenställen wirtschaften, besonders trifft.

Die Borchert-Kommission will die Tierhaltung verbessern. Die Tiere sollen mehr Bewegung bekommen und z. B. in Offenställen stehen. Das Borchert-Konzept sieht drei Stufen vor, die sich an der geplanten Tierwohlkennzeichnung des Agrarministeriums orientieren.

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Bei der „Stufe 1/Stall plus“ geht es um mehr Platz und mehr Beschäftigungsmaterialien. „Stufe 2/verbesserte Ställe“ soll zusätzlichen Platz, Strukturierungen und Kontakt zum Außenklima ermöglichen. „Stufe 3/Premium“ soll mehr Platz und zusätzlichen Auslauf bzw. Weidehaltung schaffen.

Geplant ist, dass die gesamte Nutztierhaltung bis 2030 mindestens Stufe 1 umgesetzt hat, bis 2040 mindestens Stufe 2. Die Vorgaben sollen dann gesetzlicher Standard sein. Eine sogenannte Tierwohlabgabe oder Mehrwertsteueranhebung soll die Finan­zierung sicherstellen.

Was letztlich umgesetzt wird, ist noch offen. Die Vertreter der Tierschutzorganisationen in der Arbeitsgruppe (AG) Rind halten Anbindehaltung für grundsätzlich nicht mit den Zielen vereinbar, die das Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung der Borchert-Kommission erarbeitet hat. Vertreter des Bauernverbands wollen den betroffenen Betrieben eine Möglichkeit zur Weiterentwicklung bieten. So werden z.B. Mischformen der Anbindehaltung diskutiert. Denkbar sind feste Tage und Zeiten zu denen die Kühe auf einen Laufhof oder auf die Weide gelassen werden müssen.Die aus DDR-Zeiten stammenden Typenställe haben oft schmale Laufgänge. Wie es heißt, sieht die Borchert-Kommission aber genaue Maße für Laufgänge und Liegeboxen vor. Noch ist aber unklar, welche Veränderungen tatsächlich auf die Landwirte zukommen.


Reportage: Immer weniger Betriebe in Bayern?

Die Borchert-Kommission will die Nutztierhaltung in Deutschland erhalten. Aber haben die Gremien auch die Alpenwirtschaft auf dem Schirm? Eine Landwirtin befürchtet, dass viele Betriebe aufhören.

"Wenn wir über die Borchert-Pläne sprechen, müssen wir auch an die Menschen denken, die die Vorgaben umsetzen müssen“, zeigt sich Veronika Mangold nachdenklich. Nicht nur den Tieren muss es gut gehen, sondern auch den Landwirten, die täglich die Arbeit verrichten. Gemeinsam mit ihrem Mann bewirtschaftet die 57-Jährige einen Milchviehbetrieb in Oberammergau (Bayern). Zum Hof gehören 20 Milchkühe, die weibliche Nachzucht, Schafe, Pferde, eine Photovoltaik-Anlage sowie eine Ferienwohnung. Mangolds bewirtschaften 53 ha Dauergrünland. „Mehr als 50 % unserer Flächen stehen unter Vertragsnaturschutz“, erklärt die gelernte Steuerbeamtin. Die Förderung für den Aufwand und den Naturschutz ist ein wichtiges Standbein.

Bis vor wenigen Wochen standen die Kühe von Familie Mangold noch überwiegend in Anbindehaltung. Nur im Herbst kamen die Milchkühe für einige Wochen auf die Weide. Die Familie liefert an die Molkerei Hochland. Der ­Käsehersteller will ab 2022 für Milch aus ganzjähriger Anbindehaltung satte 5 Cent/kg für die getrennte Erfassung abziehen.

Weidegang ist Aufwand

Weidegang ist für Mangolds aber mit Aufwand verbunden. Die Familie hat keine geeigneten Weiden direkt am Hof. Der auf 850 m über dem Meeresspiegel gelegene Betrieb ist zwar 1967 an den heutigen Standort ausgesiedelt. Inzwischen ist die Hofstelle aber wieder komplett umschlossen von der Ortsbebauung.

Mangolds wollen trotzdem nicht auf das Milchgeld verzichten und treiben ihre Kühe seit Kurzem täglich auf eine hofnahe, gepachtete Weide. „Um dorthin zu kommen, müssen die Kühe über ein fremdes Grundstück laufen“, beschreibt sie die Herausforderung. „Jetzt im Sommer ist das in Ordnung. Aber wie wird es im Winter, wenn es matschig ist?“, merkt die 57-Jährige an. Auch die Witterung lässt aus ihrer Sicht keinen ganzjährigen tiergerechten Weidegang zu: „Wir haben hier von Mitte Dezember bis Mitte März eine geschlossene Schneedecke.“

Ein Laufhof ist auf unserem Betrieb aus Platzgründen nicht möglich. - Veronika Mangold

Nach dem Kenntnisstand des Ehepaares fordern die aktuellen Beschlüsse der Borchert-Kommission zwei Stunden Weidegang oder Bewegung auf einem Laufhof an 120 Tagen. „Ein Laufhof ist auf unserem Betrieb aus Platzgründen nicht möglich“, erklärt Mangold. Der Fußweg zu größeren Weiden dauert 45 Minuten – pro Weg. Zum Treiben wären morgens und abends zwei Personen notwendig. „Das ist zeitlich nicht machbar“, ist die Landwirtin überzeugt. Da der Treibweg mitten durch das Dorf an vielen Vorgärten vorbei führt, befürchtet sie außerdem Ärger mit den Anwohnern.Das Jungvieh steht im Sommer auf der Alm und auch die Trockensteher kommen auf die Weide.

Wie geht es weiter?

Das Ehepaar hat drei Kinder. Der älteste Sohn ist Mechatronikermeister und möchte den Hof übernehmen. Für ihn steht noch nicht fest, ob er den Betrieb als Milchviehbetrieb weiterführt. Die stetig steigenden Auflagen und die Tatsache, 365 Tage im Jahr an den Hof gebunden zu sein, geben dem 29-Jährigen zu denken. Veronika Mangolds Mann Anton ist jetzt 59 Jahre alt. „Vielleicht gehen die Kühe in sechs Jahren vom Hof“, mutmaßt sie. So lange will das Ehepaar versuchen, 120 Weidetage zu realisieren, um weiterhin mit den Kühen wirtschaftsfähig zu bleiben. „Umbauen ist für uns zurzeit keine Option, weil einfach nicht klar ist, was genau gefordert wird“, erklärt sie.

Umbauen ist für uns zurzeit keine Option, weil einfach nicht klar ist, was genau gefordert wird. - Veronika Mangold

Sie befürchtet, dass es immer weniger Betriebe in Südbayern gibt: „Borchert will die Nutztierhaltung zwar erhalten, aber haben die Gremien auch die Alpenwirtschaft auf dem Schirm?“. In Oberammergau gibt es noch fünf Milchviehhalter. Einer hört dieses Jahr auf. „Es bleiben nur die Großen. Die haben aber oft keine Zeit für die Landschaftspflege“, so ihre Einschätzung. Die ist aber wichtig für den Erhalt der Kulturlandschaft und den Tourismus.

Im Landkreis Garmisch-Partenkirchen hat der Durchschnittsbetrieb im Jahr 2019 rund 18 ha bewirtschaftet und 16 Kühe gehalten. Rund Drei Viertel der Betriebe haben Anbindehaltung. „Eine Perspektive wäre schön“, wünscht sich die Landwirtin. „Aktuell wissen wir nicht, was auf uns zu kommt.“


Reportage: Alte Typenställe mit viel Komfort

Die Agrarproduktion Goldene Aue wirtschaftet in einer ehemaligen LPG-Anlage. Mit vielen Umbaumaßnahmen haben sie Kuhkomfort geschaffen. Die Borchert-Pläne sehen sie kritisch.

Der Jungviehstall macht mir im Hinblick auf die Vorgaben der Borchert-Kommission am meisten Sorgen“, erklärt Dirk Benkstein vor dem aus DDR-Zeiten stammenden Typenstall. Zusammen mit seinem Bruder Björn leitet er die „Agrarproduktion Goldene Aue“ in Görsbach (Thüringen). Dabei handelt es sich nicht um einen klassischen Familienbetrieb, sondern um eine ehemalige Landwirtschaftliche-Produktionsgenossenschaft, sprich eine LPG-Anlage, die heute als GmbH geführt wird. Noch heute wirtschaftet der Betrieb in den Altgebäuden der Ost-Anlage. Ein mögliches Problem sind die schmalen Laufgänge in den Ställen.

Damals: 400 Kühe in Anbindung

„Vor der Wende waren in vier Ställen je 100 Kühe angebunden“, erinnert sich Dirk Benkstein. Zu DDR-Zeiten hatte der Betrieb 50 Angestellte. Dazu gehörte auch sein Vater Wolfgang, der seit 1974 Bereichsleiter für die Jungrinderaufzucht war. „Nach der Wende hat sich mein Vater vor den Karren gespannt und den Betrieb nach und nach weiter entwickelt“, erklärt der gelernte Landwirt. Inzwischen sind die beiden Brüder Geschäftsführer, ihr Vater ist noch Gesellschafter. Sie halten 310 Kühe, die weibliche Nachzucht, betreiben eine 250 kW-Biogasanlage und bewirtschaften 1 350 ha Acker- und Grünland. Heute hat der Betrieb 18 Angestellte in Voll- und Teilzeit.

„1958 wurde hier auf dem Gelände der erste Stall gebaut“, weiß der 46-Jährige. Noch heute wirtschaften die Brüder in den alten Typenställen. Allerdings brachten sie die Gebäude in der Zwischenzeit auf einen neueren Stand. „Wir tun alles, damit es der Kuh gut geht“, sagt Benkstein. Die Leistungsdaten sprechen für sich. Der Herdenschnitt liegt bei 12 500 kg/ Kuh und Jahr, die Lebensleistung liegt im Schnitt bei 39 500 kg. Die Milch liefern sie zu den Milchwerken Oberfranken West.

Laufhof wäre möglich

Der vermutlich nicht Borchert-konforme Jungviehstall ist Mitte der 60er-Jahre als Schweinemaststall gebaut worden. „1998 wurde das Gebäude umgebaut“, erklärt der Geschäftsführer. Wände wurden raus gebrochen, ­andere Spalten verlegt und der Stall als dreireihiger Liegeboxenlaufstall umfunktioniert. „Bezüglich der Borchert-Diskussionen bin ich unsicher, ob die Besatzdichte hinhaut“, merkt Benkstein an. Auch die Laufgänge sind schmal. „Wegen der Güllekanäle war das damals nicht anders möglich“, begründet er.

Aktuell holt Dirk Benkstein bereits Angebote für neue Trennbügel und Softmatten ein. Es wäre auch möglich einen Laufhof an den Stall zu bauen. Dafür hat er extra Platz zur im vergangenen Jahr gebauten Halle gelassen. Bevor er eine Baumaßnahme umsetzt, will er aber zunächst konkrete Vorgaben abwarten. „Sollte es mit diesem Stall ein Problem geben, bin ich mir sicher, dass sich das lösen lässt. Auch im Interesse unserer Tiere. Stalleinrichung und Besatzdichte sind nicht mehr zeitgemäß“, sagt er.

Investitionsstau vermeiden

Anders ist das bei den Kuhställen. Dort haben die Brüder in der Zwischenzeit viele Umbaumaßnahmen vorgenommen. „Der erste Stall war 2006 dran“, erinnert sich der Milchviehhalter. Nach und nach folgten die anderen. So sind die Gebäude inzwischen alle mit 3,60 bis 3,80 m breiten, planbefestigten Laufgängen, Tiefboxen, Ventilatoren und Beregnungen ausgestattet. 2014 war der Trockensteherstall an der Reihe. Die Kühe gelangen seitdem über einen Durchbruch in der Wand in einen überdachten außenliegenden Strohbereich. Sie fressen im Stall auf planbefestigten Laufgängen. Der Repro-Stall für Färsen ist ähnlich aufgebaut. Die Umbaumaßnahme stellten sie 2016 fertig. „Wir versuchen permanent zu investieren, um nicht in einen Investitionsstau zu kommen“, erklärt Benkstein die Betriebsphilosophie.

Wir versuchen permanent zu investieren, um nicht in einen Investitionsstau zu kommen. - Dirk Benkstein

Die Diskussionen um die Finanzierung der Borchert-Pläne sieht er kritisch: „Die Leute sind nicht bereit, mehr Geld für Lebensmittel auszugeben. Ich bin nicht sicher, ob eine staatliche Lösung uns Landwirten langfristig weiterhilft.“

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