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Das kostet Weidemilch die Landwirte

Wer sich mit der Weidehaltung auseinandersetzt, muss mit spitzer Feder rechnen. Klar ist: Für einen ehrlichen Ausgleich des Mehraufwands braucht es mehr als 2 ct/kg Milch.

Lesezeit: 5 Minuten

Die Weidehaltung kostet Geld. Auch wenn es große Schwankungen zwischen den Betrieben gibt, verwundert es wenig, dass jedes Jahr mehr Kühe von der Weide verschwinden. Denn in der Milchviehhaltung sind die Margen eng und der Druck, Kosten einzusparen, ist hoch.

Ist die Forderung vieler Politiker, Verbände und Lebensmitteleinzelhändler, den Rückgang der Weidehaltung zu stoppen, ernst gemeint, ist zuvor eine ehrliche Auseinandersetzung mit den Mehrkosten nötig. Milcherzeuger, die ihren Kühen Weidezugang gewähren, erhalten bei vielen Molkereien dafür einen Weidemilchzuschlag. Dieser liegt etwa bei 1 bis 1,5 ct/kg Milch.

Schnell gelesen

  • Weidegang für Milchkühe wird von vielen Seiten gefordert. Doch rechnet sich der Einstieg?

  • Die Kosten für einen Neueinstieg hat das Thünen-Institut anhand eines Beispielbetriebs mit 140 Kühen berechnet.

  • Investitionen in Tränken und Zäune sind nicht zu unterschätzen. Auch die Zeitersparnis ist geringer als oft vermutet.

  • Der Milchverlust durch die Weide-haltung macht das System teuer. Im Bespiel stehen unterm Strich Mehrkosten von rund 4,3 ct/kg Milch.

In der Regel sind in dem Zuschlag aber auch weitere Anforderungen wie eine GVO-freie Fütterung enthalten. Reicht das auch aus, um die Produktionskostenunterschiede zwischen Weide- und Stallhaltung zu decken? Hauke Tergast vom Thünen-Institut hat Sparpotenziale und Mehrkosten der Weidehaltung gegenübergestellt.

Beispielbetrieb mit 140 Kühen

Beispielhaft hat das Thünen-Institut ein Szenario für einen typischen Milchviehbetrieb mit 140 Kühen aus den nordwestdeutschen Grünlandregionen betrachtet. Der Betrieb hat bislang mit ganzjähriger Stallhaltung eine Herdenleistung von 9.500 kg Milch (energiekorrigiert) erreicht. In den Sommermonaten will er seinen Milchkühen auf 16 ha hofnahem Dauergründland Weidegang ermöglichen.

Dafür unterteilt der Landwirt die Fläche in vier Parzellen à 4 ha. Die Hälfte davon mäht er vor der Beweidung für den ersten Schnitt ab, da der Aufwuchs im Frühjahr zu ergiebig für die reine Beweidung ist und die Silage für den Winter gebraucht wird. Der Betriebsleiter plant zunächst, die Flächen an 150 Tagen im Jahr als Umtriebsweide zu nutzen. Was Weidedauer und Weidefläche je Milchkuh angeht, liegt er damit über den Anforderungen vieler Organisationen, z.B. gibt die Initiative Pro Weideland 120 Tage Weidegang auf mindestens 1.000 m² je Kuh vor.

Kosten verlagern sich

Bevor die Milchkühe auf die Weide können, stehen allerdings Investitionen an. Dazu gehört eine komplette Einzäunung für 6.768 €, Tränken inkl. Zuleitungen für 11.032 € und feste Triebwege mit Kosten von 12.547 €. Das sind insgesamt 30.346 €, bzw. 3.698 € pro Jahr als Abschreibung und Zinssatz.

Zudem ändern sich während der Weidesaison einige Abläufe im Betrieb: So reduziert sich z. B. der Aufwand für die Fütterung, da die Tiere einen Teil des Grundfutters als Frischfutter fressen. Auch muss der Betrieb etwas weniger Wirtschaftsdünger ausbringen, die Erntekosten und der Aufwand für die Boxenpflege verringert sich.

An anderer Stelle erhöht sich die Arbeitszeit: Weidezaunkontrolle, ein Weidetagebuch und der Viehtrieb vor der Melkzeit, sowie die Grünlandpflege müssen eingeplant werden. In Summe reduziert sich durch die Weidehaltung die Arbeitszeit um 104 Stunden je Jahr. Verteilt auf die Weidesaison entspricht das weniger als einer Stunde pro Tag. Davon fällt ein Großteil der gesparten Arbeitsstunden auf die kleinere Grasernte.

Klassischerweise übernehmen in dieser Betriebsgröße Lohnunternehmen das meiste davon. Bei einem Lohnansatz von 21 € je Stunde spart der Betrieb 2.184 € an Arbeitserledigungskosten. Durch Einsparungen bei Diesel, Maschinen und Material reduzieren sich die laufenden Kosten um 7.143 €. In Summe sind das 9.327 € weniger finanzieller Aufwand.

Milchmengenverlust kostet mehr, je höher die Leistung ist

Den Investitionskosten stehen verhältnismäßig hohe Einsparungen bei Arbeit und Aufwand gegenüber. Doch der entscheidende Faktor für die Kalkulation ist ein anderer: die Milchmenge.

Betriebszweigauswertungen und wissenschaftliche Systemvergleiche schätzen die Milchleistungsdifferenz zwischen Milchviehbetrieben mit und ohne Weidehaltung auf im Schnitt 1.000 kg Milch je Kuh und Jahr. Für den Beispielbetrieb würde das bedeuten, dass sich die Milchleistung auf 8.500 kg reduziert. Bei einem Milchpreis von 48 ct/kg sind das 480 € je Kuh bzw. 67.200 € entgangene Erlöse für den Gesamtbetrieb.

Der jeweils geltende Milchpreis ist hier von großer Bedeutung. Steigt er beispielsweise um 5 Cent, erhöhen sich die entgangenen Erlöse für den landwirtschaftlichen Betrieb um 7.000 € je Jahr. Das heißt: Je teurer die Milch ist, desto teurer ist somit auch die Weidehaltung.

Mit dem Rückgang der Milchleistung geht auch eine Reduzierung der Kraftfuttermenge einher. Je Kuh können die Landwirte etwa 76 € Kraftfutterkosten einsparen. Die Übersicht zeigt alle Positionen im Überblick. Die Arbeitserledigungskosten wurden in diesem Fall zu Material- und Maschinenkosten hinzugerechnet.

4,28 Cent Mehrkosten unterm Stich

Die entgangenen Erlöse, die mit der Reduzierung der Milchmenge einhergehen, haben einen großen Hebel auf die Rechnung und übertreffen die Einsparungen. Dadurch beziffern sich die Mehrkosten für den Betrieb letztendlich auf rund 50.886 €. Pro Milchkuh sind das 363 € im Jahr. Je kg verkaufter Milch betragen die Mehrkosten damit 4,28 Cent. Dadurch liegen sie deutlich höher als der Weidebonus, der von einigen Molkereien gezahlt wird und auch deutlich oberhalb der Weideprämie, die in Niedersachsen beispielsweise 75 € je Großvieheinheit beträgt.

Weitere positive und negative Nebeneffekte der Weidehaltung lassen sich aufgrund der dünnen Datenlage nur schwer bewerten. Rinderhalter führen häufig an, dass Weidehaltung zu einer verbesserten Fitness und Gesundheit der Kühe führt. Darüber hinaus prägt die Weidehaltung das positive Image der Milchviehhaltung. Auf der anderen Seite stehen leistungsmindernde Faktoren wie Weideparasiten oder die leistungsgerechte Fütterung. Hinzu kommt in vielen Regionen das Thema Wolf. Und zuletzt steigt durch zunehmende Wetterextreme die Attraktivität der kontrollierten Stallhaltung.

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