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Dresden hat ein Stadt-Euter

Der Biobetrieb „Vorwerk Podemus“ ist kein klassischer landwirtschaftlicher Betrieb. Bernhard Probst hat Produktion, Verarbeitung und Vermarktung vereint.

Lesezeit: 7 Minuten

Ein Hofladen im Bahnhofsgebäude? Klingt komisch, ist in Dresden aber gleich zweimal der Fall. Insgesamt betreibt Bernhard Probst, Leiter des landwirtschaftlichen Betriebs Vorwerk Podemus 13 Biomärkte in Dresden. Und die sind echte Vollsortimenter: Von Gemüse über eine Wurst- und Käsetheke bis hin zu Backwaren, Kosmetik und Konserven ist auf durchschnittlich 500 m² Verkaufsfläche alles vorhanden.

Viele der angebotenen Waren kommen vom Betrieb selbst. So zum Beispiel die Milch im sogenannten Stadt-Euter. Das ist eine selbst entwickelte Milchzapfanlage, aus der sich die Kunden pasteurisierte Bio-Weidemilch für 0,99 € je Liter selbst zapfen können. Schon bald will er das Angebot auf Bio-Heumilch umstellen. Kunden sollen dafür dann 1,19 € pro Liter bezahlen.

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Stadt-Euter selbst entwickelt

Die selbst entwickelten Stadt-Euter laufen rein mechanisch. „In den am Markt verfügbaren Automaten war mir zu viel Elektronik verbaut“, erklärt Probst. Ihm ist wichtig, dass die Milch über Jahre täglich zuverlässig läuft und seine Mitarbeiter eine Störung selbst beheben können, ohne einen Techniker rufen zu müssen. „Wir haben lange ausprobiert und uns durchgebissen, aber jetzt funktionieren die Automaten einwandfrei“, zeigt er sich zufrieden.

Bernhard Probst hat den Betrieb vor neun Jahren übernommen. Seine Eltern Gabriele und Manfred Probst begannen 1991, nach der Wende und der Rückübereignung des Hofes, mit der ökologischen Bewirtschaftung. Inzwischen ist Vorwerk Podemus breit aufgestellt: Zum Betrieb ge­hören etwa 70 Kühe, 120 Schweine ­sowie rund 310 ha Ackerbau und Grünland. Auch Geflügelmast zählt dazu. „Dieses Standbein ist allerdings ausgelagert“, erklärt der 44-Jährige. Für die Geflügelhaltung betreibt der gelernte Landwirt mit einem Berufskollegen einen Gemeinschaftsbetrieb.

„Mit der Direktvermarktung angefangen haben wir vor 28 Jahren, als wir das erste Biorind geschlachtet und ab Hof vermarktet haben“, erinnert er sich. Seitdem ist viel passiert. Denn inzwischen beschäftigt Bernhard Probst rund 240 Angestellte, die sich um Landwirtschaft, Vermarktung, Schlachtung und Zerlegung, Milchverarbeitung und Buchhaltung kümmern.

Zu Vorwerk Podemus gehört nämlich nicht nur die landwirtschaftliche Produktion, sondern auch eine eigene Schlachterei mit angegliederter Fleisch­­verarbeitung sowie eine Hofmolkerei.

Bei der Vermarktung profitiert die Familie von der Stadtrandlage bei Dresden. „Die Kunden können bei uns im alten Kuhstall einkaufen“, erklärt Probst. Die Entfernung von der Frauenkirche in der Altstadt bis zum Hof beträgt nur rund 10 km. Kunden erreichen die historische Hofstelle mit dem Bus oder zu Fuß über einen Wanderweg.

Hof ist Besuchermagnet

Zu festen Öffnungszeiten können die Kunden am Hof einkaufen und sich ein Bild von der Landwirtschaft machen. „Alle sind eingeladen, sich überall umzuschauen“, erklärt Probst sein Konzept. Direkt am Hoftor steht eine Kälberhütte mit Strohauslauf, wo vier bis fünf Tiere untergebracht sind. Kunden, die zum Hofladen möchten, müssen daran vorbei. „Besonders Kinder bleiben oft stehen und beobachten die Tiere“, schildert der Landwirt.

Auch wenn das Ambiente des alten Vierseithofes noch so anziehend ist – Familie Probst ist überzeugt, dass die Mehrzahl der Kunden nicht regelmäßig für den schnellen Einkauf raus aus der Stadt zum Hof fahren würde. Deshalb hat Bernhard Probst bereits vor 13 Jahren den ersten Biomarkt in der Dresdener Innenstadt eröffnet. Von langer Hand geplant war das nicht. „Das hat sich damals spontan ergeben“, gesteht er. Nach und nach kamen weitere Lokale dazu. „Aktuell arbeiten wir an der Eröffnung des 14. Geschäftes“, erklärt Bernhard. Wie viele Lokale noch hinzu kommen, steht nicht fest.

Kühe geben Heumilch

Während die Vermarktung mit einem Jahresumsatz von rund 30 Mio. € inzwischen einen der größten Betriebszweige des Hofes ausmacht, gehören auch noch die ursprünglichen Standbeine, wie die Milchviehhaltung, dazu.

Probst steht selbst nur noch selten im Kuhstall. Die Arbeiten rund um die Kühe übernimmt ein dreiköpfiges Team aus Land- und Tierwirten. „Sie kümmern sich um das gesamte Herdenmanagement“, erklärt der Unternehmer. Dazu gehört das Melken, die Kälberversorgung, das Fruchtbarkeitsmanagement genauso wie die Routinearbeiten im Liegeboxenlaufstall. Die Milchleistung der 70-köpfigen Herde liegt bei rund 7 000 kg/Kuh und Jahr. Über Tag stehen die Tiere auf der Weide. Aber auch im Stall achtet der Betriebsleiter auf eine möglichst natürliche Fütterung: Vergangenes Jahr investierte er in eine Heutrocknungshalle. „Mit viel Heu werden die Kühe weniger krank“, ist Probst überzeugt. Außerdem kann er die Milch so auch als Heumilch vermarkten.

Marktmacht und Molkerei

Der Betrieb liefert an die Gläserne Molkerei. „Vor 1,5 Jahren haben wir zusätzlich eine eigene Hofmolkerei gebaut“, sagt der Unternehmer. Sein Ziel: Mehr Wertschöpfung generieren und unabhängiger sein. Die Gläserne Molkerei kündigt üblicherweise Lieferanten, die in eine eigene Hofmolkerei investieren. Nicht aber den Betrieb Vorwerk Podemus. „Wir vermarkten in unseren Geschäften Milch und Milchprodukte der Gläsernen Molkerei“, sagt Probst. „Hätten sie mich gekündigt, hätte ich sie aus dem Sortiment genommen.“ Er ist sich seiner guten Verhandlungsposition bewusst: „Durch unser Vermarktungskonzept sind wir gut aufgestellt. Augenhöhe muss man sich allerdings hart erarbeiten“, stellt er klar und ergänzt, dass das Verhältnis zur Molkerei sehr gut ist.

Wir haben eine gute Verhandlungsposition. Augenhöhe muss man sich allerdings hart erarbeiten."

Jeden Monat verarbeiten 2,5 Arbeitskräfte etwa 15 800 l Milch in der eigenen Molkerei. „Wir stellen Ziger, also schnittfesten Frischkäse, Frischkäse, Quark, pasteurisierte Milch, Frozen Joghurt sowie sechs verschiedene Sorten Fruchtaufstrich aus dem eigenen Obst her“, zählt er die Produktpalette auf. Vermarktet werden die Erzeugnisse unter der Marke „Vorwerk Podemus“ im Hofladen und in den anderen Biomärkten.

Auch Rohmilch können Kunden erwerben. Allerdings ausschließlich am Hof. Rund 2 200 l Milch vermarktet der Betrieb monatlich über diesen Weg. Durchschnittlich 20 000 kg Milch gehen darüber hinaus an die Molkerei. Auch dort bekommt Probst einen Zuschlag für die Heumilchproduktion.

Angefangen hat alles mit der Vermarktung von Fleisch. Inzwischen ist das ein wichtiges Standbein. Die eigene Schlachtung garantiert den Rindern und Schweinen ein stressfreies Lebensende und den Kunden viel Transparenz.

Neues Schlachthaus

Weil die Räumlichkeiten im Altgebäude irgendwann zu klein wurden, investierte der Betriebsleiter vor zwölf Jahren in ein neues Schlacht- und Zerlegehaus. „Je nach Verfügbarkeit schlachten 17 Mitarbeiter pro Woche etwa 50 Schweine, zehn bis 20 Rinder, zehn Lämmer und zwei Kälber“, erklärt Probst die Abläufe. Davon kommen 11 % vom eigenen Betrieb, die übrigen 89 % liefern andere Biolandwirte aus der Region. „Etwa die Hälfte der verarbeiteten Fleischmenge vermarkten wir über die eigenen Märkte“, erklärt der Unternehmer. Den Rest nehmen andere Naturkostfachhändler aus dem gesamten Bundesgebiet sowie Restaurants und Großküchen aus der Region ab.

Bernhard Probst ist ein Visionär. Er träumt davon, dass Landwirtschaft unabhängiger und Naturschutz größer geschrieben wird. „Wenn es nach mir ginge, könnte man lieber Fördermaßnahmen weglassen und den Bauern dafür mehr Handlungsspielraum geben“, sagt er entschlossen. Er selbst hat nur ein einziges Mal eine Förderung in Anspruch genommen. „Das war bei dem Bau des Schlachthauses. Ich würde es nie wieder machen“, so seine Überzeugung. Aus seiner Sicht bringen ihm Förderungen rechnerisch nichts.

Die Ideen gehen nicht aus

In zehn Jahren möchte der 44-Jährige einen Nachfolger für den Betrieb bestimmt haben. „Ich würde gerne noch reisen und einigen Hobbys nachgehen“, erklärt der Chef. Er kann sich nicht vorstellen, das Arbeitslevel, das er gerade fährt, für die nächsten 20 Jahre zu halten. Bis dahin hat Probst noch große Ziele: Die Milchviehhaltung will er auf bis zu 100 Kühe ausbauen. Diese Herdengröße gäbe seine verfügbare Weidefläche her. Außerdem möchte er das Standbein Obstbau erweitern. „Mein Traum ist, den Betrieb energetisch autark zu führen und dem Netz nur noch Energie zuzuführen“, sagt er. Ideal dafür wäre aus seiner Sicht eine Biogasanlage, die die anfallenden Schlachtabfälle verwerten kann. „Die juristischen Hürden dafür sind so groß, dass mich dieses Projekt einfach zu sehr reizt, um es beiseite zu legen.“

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