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Start-up

Ein Fitnesstracker für die Kuh

Das Start-up dropnostix vertreibt einen Sensor, der im Pansen der Milchkuh Temperatur sowie Bewegungs- und Verdauungsaktivität misst. Ein Algorithmus wertet die Daten aus und meldet Auffälligkeiten.

Lesezeit: 7 Minuten

Dieser Beitrag ist zuerst im Magazin f3 - farm.food.future erschienen.

Wer das Künstlerhaus Scholle51 am Park Sanssouci in Potsdam betritt, erwartet dort erst einmal kein Unternehmen, das sich mit Tiergesundheit beschäftigt. Ein Blick in das erste Büro mit herumliegenden Sensoren, Computerchips und Bildschirmen weist auf ein Tech-Start-up hin. Erst im zweiten Büro sind Gummistiefel und Kuhbilder an den Wänden zu sehen. Hier wird deutlich: Bei dropnostix geht es um Tiergesundheit durch Technik.

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Die beiden Gründer, Michael Breitenstein und Lars Abraham, haben einen Sensor entwickelt, der den Gesundheitszustand der Milchkuh anhand von drei Parametern permanent überwacht: Temperatur, Verdauungs- und Bewegungsaktivitäten. Der Sensor liegt im Pansen der Kuh und sendet die gemessenen Parameter auf eine Empfängerstation im Stall. Eine von dem Start-up entwickelte Software analysiert die Daten und schlägt beim Landwirt Alarm, sobald Auffälligkeiten auftreten.

Verdauung durch Pansenkontraktion messen

Anders als eine Ohrmarke zur Temperaturmessung oder Funkhalsbänder und Pedometer zur Messung der Bewegungsaktivität, misst der Sensor von dropnostix drei Parameter. Auch das ist nicht ganz neu. Die Messung der Verdauungsaktivität durch Kontraktion im Pansen allerdings schon. „In der Wissenschaft ist man lange davon ausgegangen, dass der pH-Wert ein aussagekräftiger Parameter ist“, erklärt Lars. Dabei sei die langzeitstabile Messung der Verdauungsaktivität in Kombination mit der Temperatur und Bewegung viel sinnvoller.

In der Wissenschaft ist man lange davon ausgegangen, dass der pH-Wert ein aussagekräftiger Parameter ist. - Lars Abraham, Gründer von dropnostix

Der Sensor besteht aus einem etwa 2 cm großen Chip und einer Batterie in einem Kunststoff- und Chromgehäuse. Nach Aussage der Gründer kann die Kuh den 10 cm langen Sensor problemlos schlucken. Vier Jahre hält die Batterie, solange bleibt der Sensor im Pansen der Kuh, ohne dass sie es bemerkt. „Der Magen der Kuh ähnelt einem Waschbeckensiphon. Der Sensor liegt quasi in dem Auffangbecken und wandert von dort nicht weiter“, beschreibt Michael die Lage des Sensors. Erst bei der Schlachtung kann er entfernt werden.

Datenerhebung- und auswertung aus einer Hand

Bis dahin soll er dem Landwirt helfen, den Gesundheitszustand seiner Herde zu überwachen und Brunst sowie Fütterung zu managen. Eingesetzt wird der Sensor bei möglichst jeder Kuh in der Herde. „Der Landwirt fängt bei einer Erstkalbin an, die gerade in die Milchproduktion startet, damit die Kuh möglichst in ihrer kompletten Milchgebe-Laufbahn beobachtet werden kann“, beschreibt Lars. Der Sensor misst die Parameter, speichert sie zwischen und funkt sie an eine Empfängerstation im Stall. Eine zentrale Basisstation sendet die Daten dann an eine Cloud. Die von dropnostix entwickelte Software wertet die Daten aus und meldet Auffälligkeiten.

Meldungen können zum Beispiel „Verdacht auf Ketose“, „Verdacht auf Fieber“ oder „Kuh brünstig“ sein. Die Gründer stellen klar, dass die Software zwar einen Hinweis geben, aber keine Diagnose stellen kann. „Noch nicht“, sagt Lars, „wir wollen natürlich irgendwann soweit sein, dass wir spezifische Krankheiten erkennen können.“ Derzeit signalisiert die Software dem Landwirt per E-Mail oder App, dass etwas mit der Kuh nicht stimmt. In den nächsten Monaten wollen die Gründer präziser sagen können, was mit der Kuh nicht stimmt.

Bekannte Nutzeroberfläche für den Landwirt

Für den Landwirt werden die wichtigsten Daten auf einer Nutzeroberfläche abgebildet, die sich an Nutzeroberflächen anderer Controlling-Systeme wie der Milch- und Gesundheitsalarmliste orientiert. „Wir wollen den Arbeitsalltag für den Landwirt nicht verändern, sondern einfacher machen und spiegeln daher Systeme, die er schon kennt“, beschreibt Michael das Dashboard. Warum es neben Herdenmanager-, Gesundheits- und Milchalarmsystem noch ein Monitoring-System braucht, erklärt Lars mit der frühzeitigen Erkennung von Krankheiten und anhand eines Beispiels:

Wir wollen den Arbeitsalltag für den Landwirt nicht verändern, sondern einfacher machen und spiegeln daher Systeme, die er schon kennt. - Michael Breitenstein, Gründer von dropnostix

Auf einem Milchviehbetrieb in Sachsen sanken donnerstags die Milchwerte in den Keller. In einer Krisensitzung mit dem Milcherzeugungsberater, dem Veterinär und dem Herdenmanager stellte sich heraus, dass das sonntags neu angebrochene Silo sauer war. Das Milchalarmsystem schlug allerdings erst am Donnerstag an. Mithilfe des Pansen-Sensors, so sagt Lars, hätte die veränderte Verdauungsaktivität allerdings schon sonntags, spätestens montags, festgestellt und dementsprechend früh gehandelt werden können.

Viele der Meldungen sind bislang nur theoretisch möglich. Für konkrete Diagnosen sind mehr Daten nötig. „Wir messen permanent und führen Abweichungsanalysen durch. Wir merken, wenn eine Kuh sich abweichend von der Herde verhält oder die gesamte Herde abweichend von der Historie“, erklärt Michael den Algorithmus. Daten für eine solche Historie müssen allerdings erst einmal gesammelt werden. Die erhobenen Stammdaten, versichern Lars und Michael, gehören dem Landwirt. Bei Nutzung des Monitoring-Systems räumen sie dropnostix aber Nutzungs- und Auswertungsrechte ein.

Raus aus der Wissenschaft, rein in die Selbstständigkeit

Obwohl der Sensor einsatzbereit ist und ausgeliefert wird, befindet sich das Start-up noch in der Entwicklungsphase. Auf Pilotbetrieben in Thüringen, Sachsen und Brandenburg sind Herden mit dem Sensor ausgestattet. „Wir werten gerade die Daten von mehr als 100 Kühen aus und suchen noch weitere Betriebe für unser Pilotbetriebsprogramm. Je mehr Daten wir haben, desto besser wird unser Al­gorithmus“, beschreibt Michael den Machine-Learning-Ansatz. Er hat den Sensor entwickelt und ist als Leiter für die komplette Firmware zuständig.

Je mehr Daten wir haben, desto besser wird unser Al­gorithmus. - Michael Breitenstein

Der studierte und promovierte Biochemiker hat sich am Fraunhofer Institut bereits mit dem Themenfeld Tiergesundheit beschäftigt. „Irgendwann wollte ich einfach auch mal was umsetzen und nicht nur Lexikoneinträge generieren“, erklärt er den Schritt aus der Wissenschaft in die Selbstständigkeit.

Kennengelernt hat er seinen Mitgründer Lars, studierter Betriebswissenschaftler, bei einem Seminar an der Universität Potsdam. Michael konnte damals erste Erfahrungen mit Sensorik an der Kuh aus dem Fraunhofer Institut mitbringen und Lars eine Gründung in diesem Bereich schmackhaft machen. 2014 konnten die beiden mithilfe des EXIST-Gründerstipendiums die für den Sensor wichtigen Parameter erforschen und einen Dummie entwickeln. 2016 folgte die Gründung der dropnostix GmbH.

Weitere Investitionen und Aufstockung

Die ILB, die sich mit ihrem Frühphasen- und Wachstumsfonds über die BFB Brandenburg Kapital GmbH an Unternehmen beteiligt, investierte kurz nach der Gründung einen sechsstelligen Betrag in das junge Unternehmen. 2018 investierte sie zusammen mit einem privaten Investor erneut in dropnostix. Das Gesamtinvestment lag im siebenstelligen Bereich.

Geld verdienen Lars und Michael mit dem Sensor derzeit noch nicht. Der offizielle Verkaufsstart der Pansen-Sensoren ist für Sommer 2019 geplant. In diesem Jahr sollen noch möglichst viele innovationsfreudige Pilotbetriebe aus verschiedenen Regionen in Deutschland gewonnen werden. Lars und Michael sind auf der Suche nach Landwirten, die das Monitoring-System testen wollen. „Wir schauen uns die Betriebe und die individuellen Gegebenheiten an, denn wir sind auf regelmäßiges Feedback und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit angewiesen“, sagt Lars. Das Monitoring-System gibt es für die sogenannten Leuchtturmbetriebe zu einem vergünstigten Preis.

Bezahlmodelle, Zielgruppen und Zukunftspläne

Wie viel das Monitoring-System auf dem Markt kosten soll, steht noch nicht fest. Die Gründer testen derzeit verschiedene Bezahlmodelle und prüfen, ob ein Monats- oder Jahresbeitrag zur Nutzung sinnvoll wäre oder der Verkauf des Systems. Der Preis soll sich dann an dem Verkaufspreis bereits bestehender Systeme am Markt orientieren. Zielgruppe seien nicht nur größere Betriebe ab 200 Milchkühen, sondern auch kleine Milchviehbetriebe oder Nebenerwerbsbetriebe aus dem konventionellen und ökologischen Bereich.

Erreicht werden sollen die Landwirte und Herdenmanager in den Milchviehbetrieben über einen Vertriebspartner. Derzeit stecken die Gründer in Verhandlungen mit namhaften Vertriebspartnern und können Genaueres noch nicht verraten.

Sowieso ist bei dem Potsdamer Start-up viel im Gang. Das Team hat sich um eine Projektmanagerin und einen Software- Entwickler erweitert. Ein Data Scientist, eine Agrarwissenschaftlerin und ein Tierarzt oder eine Tierärztin sollen demnächst dazukommen. Mit Fitnesstrackern und -bändern oder Apps überprüfen auch Menschen ihre Fitness und den Gesundheitszustand. Die Gründer von dropnostix wollen mit ihrem Sensor zeigen, dass mit Technik auch die Gesundheit von Milchkühen mess- und überprüfbar ist.

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