Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Sonstiges

Stilllegung 2024 Agrardiesel-Debatte Bürokratieabbau

topplus Faire Partner

Erzeugergemeinschaft Schwarzwald Bio-Weiderind - Direktvermarktung im ­Großformat

Die Erzeugergemeinschaft Schwarzwald Bio-Weiderind hat gemeinsam mit Edeka Schmidts Märkte eine Ganztiervermarktung auf die Beine gestellt. Dafür erhielten sie den „Faire Partner“-Preis.

Lesezeit: 7 Minuten

Vor mir steht eine dampfende, gusseiserne Pfanne, serviert auf einem rustikalen Holzbrett. „Guten Appetit“, sagt Sascha Jüngst und grinst mich erwartungsvoll an. Der Küchenchef hat mir zuvor erklärt, dass „s’Jägerpfännle“ das beliebteste Gericht auf der Karte ist. Und tatsächlich schmecken die „Hackbällchen in kräf­tiger Rahmsoße mit Spätzle und gebratenen Champignons“ ausgezeichnet.

Ich sitze nicht in einem Feinschmecker-Restaurant, sondern im Edeka Schmidts-Markt in Bad Säckingen (Baden-Württemberg). „Schmidts Haus­küche – Restaurant und Café“ befindet sich oberhalb des Supermarktes. Das Küchenteam bereitet die Gerichte in einem mittig im Raum liegenden Glaskasten zu.

Das Wichtigste zu den Themen Rind + Milch mittwochs per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

„Transparenz gehört zum Konzept“, beschreibt Sascha Jüngst die Philosophie. Das zeigt sich auch in der Speisekarte: So sind die Hackbällchen in meiner Pfanne nicht irgendwelche Hackbällchen, sondern aus dem Fleisch vom Schwarzwald Bio-Weiderind.

Marke seit 25 Jahren

Woher das Fleisch stammt, habe ich mir einige Stunden zuvor angesehen: Ich sitze mit Markus Kaiser in seinem Geländewagen. Über geschotterte Wege geht es auf 1.200 m über Null hinauf zu seiner Mutterkuhherde. Der Landwirt ist Gründungsmitglied der Erzeuger­gemeinschaft (EZG) Schwarzwald Bio-Weiderind, die inzwischen 180 Mit­glieder zählt.

Seit mehr als 20 Jahren arbeiten die Bio-Fleischrinderhalter mit Edeka Südwest zusammen. „Entstanden ist die Zusammenarbeit auf Initiative der Schmidts-Märkte. Das Projekt wurde immer größer, sodass irgendwann Edeka Südwest mit eingestiegen ist“, berichtet Markus Kaiser.

Während der Landwirt immer wieder freundlich grüßend Wanderern ausweicht, erklärt er mir das Konzept: „Alle Schwarzwald Bio-Weiderinder stammen aus Baden-Württemberg und haben im Naturpark Süd-Schwarzwald geweidet.“ Der Naturpark ist eine 394.000 ha große Schutzkulisse. „Unsere Rinder erhalten die Kulturlandschaft mit dem offenen Landschaftsbild.“ Eine andere Form der Bewirtschaftung ist in den Hanglagen kaum möglich. „Gebe es die Rinder nicht, würde die Landschaft verbuschen. Das hätte u. a. negative Auswirkungen auf den Tourismus“, sagt der Landwirt.

Die Mitglieder halten im Schnitt 15 bis 20 Kühe im Nebenerwerb. Markus Kaiser selbst führt seinen Hof in Bernau im Vollerwerb, hält 240 Fleisch­rinder und bewirtschaftet 286 ha überwiegend gepachtetes Grünland.

Inzwischen sind wir am Ziel angekommen. Auf 60 ha laufen hier 120 Tiere: Kühe, Kälber und ein Deckbulle. Gerade haben sich alle um die Wasserstelle versammelt. „Die Wasserversorgung wird hier zunehmend zum Problem. Den Klimawandel bekommen wir in den Höhenlagen voll zu spüren“, erklärt mir Markus Kaiser.

Wir steigen über den Zaun. Die Weiden sind eingezäunt mit einer einzigen, zum Teil nur kniehohen Stromlitze. Zum Winter nehmen die Landwirte in der Region die Litzen ab. „Wenn wir sie hängen lassen, frieren sie kaputt und sie würden die Touristen beim Ski fahren stören“, erklärt der 56-Jährige.

Mindestens einmal am Tag ist er hier und schaut, ob alle Tiere vollzählig und fit sind. Denn auch hier häufen sich in letzter Zeit die Wolfsrisse.

Wieder am Hof treffe ich seine Frau Heike. Sie kümmert sich um die Logistik der EZG und erklärt: „Vierteljährlich frage ich die Mitglieder, wie viele Tiere sie in nächster Zeit liefern können.“ Montags bekommt sie die Bestellung von Edeka Südwest. Daraufhin kontaktiert sie die Landwirte und teilt ihnen mit, wie viele Rinder sie benötigt. Pro Woche sind es meistens 25 bis 35 Tiere. Die EZG arbeitet mit zwei Schlachthöfen in Waldshut und in Freiburg zusammen. Die Landwirte liefern die Tiere selbst an oder nehmen einen Transporteur in Anspruch. Auch das koordiniert Heike Kaiser.

Donnerstags und freitags wird geschlachtet. Edeka Südwest teilt ihr die Klassi­fizierungen und die Gewichte mit, sodass die Landwirte bei Bedarf Rücksprache halten können. Anschließend schreibt Heike Kaiser im Namen der Landwirte eine Sammelrechnung. Für das Rundum-Sorglos-Paket zahlen die Mitglieder 60 €/Tier an die EZG. Hinzu kommen 25 € Jahresbeitrag.

Edeka Südwest zahlt die Landwirte nicht nach Notierung. Seit 2008 gilt ein gemeinsam erarbeiteter Festpreis je Kilo Schlachtgewicht für eine Laufzeit von zehn Jahren. „Mittlerweile haben wir den Preis der aktuellen Marktsituation angepasst“, sagt Markus Kaiser. Das vereinbarte Mindestschlachtgewicht liegt bei 260 kg. Rassevorgaben gibt es keine und auch Altkühe nimmt Edeka Südwest ab. „Was wir aber erfüllen müssen, ist eine gewisse Fleischqualität“, sagt der Landwirt. R2 ist Vorgabe. „Das ist gar nicht so leicht zu erfüllen auf unseren mageren Standorten“, erklärt er.

Und das gelang auch nicht immer. Edeka Südwest lud die EZG deshalb zu einer Versammlung ein. „Wir verkaufen euer Fleisch gerne. Aber ihr müsst uns dabei helfen, in dem ihr entsprechende Qua­litäten liefert und auch weitererzählt, dass wir euer Fleisch vermarkten“, appellierte Martin Schmidt, Geschäftsführer der Edeka Schmidts Märkte. „Innerhalb von zwei Jahren haben wir es geschafft, den Qualitätsstandard durchgängig zu liefern“, erklärt Markus Kaiser stolz.

Aus der Not eine Tugend

Kommunikation ist das A und O. Das zeigte sich auch im Jahr 2018. Da vermarktete die EZG zum ersten Mal in einem Jahr 1.000 Tiere an Edeka Südwest. Davor waren es um die 450.

Aufgrund der Dürre herrschte Futtermangel bei den EZG-Mitgliedern. In seiner Not rief Markus Kaiser bei Martin Schmidt an und bat ihn, mehr Tiere abzunehmen. „Ich weiß noch nicht wie, aber das kriegen wir hin“, lautete die Antwort. Und tatsächlich: Ohne den vereinbarten Preis an­zupassen, nahm Edeka Südwest kurzfristig 100 Tiere ab. „Die Ganztiervermarktung ist eine Herausforderung. Vor allem im Sommer, wenn die Kunden wenig Braten oder Suppenfleisch kaufen“, erklärt Markus Kaiser. Und so entstand aus der Not eine Tugend: Nämlich die Restaurants der Edeka Schmidts Hausküche, wo wir gerade zu Mittag essen.

„Grundsätzlich steht die Fleischtheke an erster Stelle“, sagt Sascha Jüngst. Bei ihm gehen die Bestellungen der anderen 14 Edeka Schmidts Märkte ein. Alles, was über die Theken nicht vermarktet werden kann, verarbeiten er und sein Team weiter für die inzwischen vier Gastronomiebetriebe von Edeka-Schmidt oder zu Convenience-Produkten, die in den Märkten zum Kauf angeboten werden. Auch die Gastronomen der Region profitieren: Sie können beim Edeka Foodservice Teilstücke vom Schwarzwald Bio-Weiderind bestellen. „Das macht es für viele Gastronomiebetriebe wieder interessant, re­gionales Rindfleisch auf die Karte zu nehmen“, sagt Markus Kaiser.

Ende 2018 stand die Frage im Raum, ob es wieder zurückgeht zur ursprünglichen Stückzahl vor der Dürre. Die ­Geschäftsführung der Schmidts Märk­­te entschied, zukünftig ausschließlich Rindfleisch vom Schwarzwald Bio-Weiderind anzubieten. Lediglich bei Edelteilen kaufen sie zu. Bis 2025 wollen sie 2.500 Rinder der EZG für den Edeka-Verbund im Südwesten schlachten und diese Zahl in den darauffolgenden Jahren halten.

„Zu diesem Projekt gehört eine gesunde Portion Idealismus“, erklärt Markus Kaiser und schneidet ein Stück von seinem Weiderind-Burger ab – übrigens das zweitbeliebteste Gericht auf der Karte. Er ist überzeugt: „Am Ende braucht es Menschen, die sich für etwas begeistern. Was wir machen, ist übertragbar in jede Region, wenn man die richtigen Leute zusammen bekommt.“

------------------------------

Kommentar

Vorbildlich!

Der Handelspartnerschaft verliehen die Redaktionen top agrar und Lebensmittel Praxis die Auszeichnung „Faire Partner“ in der Kategorie Fleisch/Fleischwaren. Zurecht, wie ich finde. Denn die Begeisterung der Menschen vor Ort ist bemerkenswert. Am Ende werden nicht nur Rinder vermarktet, sondern auch Kulturlandschaften erhalten und landwirtschaftlichen Betrieben in schwierigen Zeiten eine wirtschaftliche Perspektive gegeben.

Dass auch für die Gastronomie ein Anreiz geschaffen wird, regionales Fleisch abzunehmen, ist ein weiterer Pluspunkt. Das Engagement der Schwarzwälder Landwirte und Handelsleute zeigt: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Hoffentlich gibt es Nachahmer!

Mehr zu dem Thema

top + Letzte Chance: Nur noch bis zum 01.04.24

3 Monate top agrar Digital + 2 Wintermützen GRATIS

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.