Der Schwarzwald kennzeichnet sich nicht nur durch viel Wald, sondern auch durch einen großen Teil offener Landschaften. Diese Offenlandschaft bleibt insbesondere durch die Weidehaltung erhalten, die allerdings mit erheblichem Aufwand verbunden ist: „Die Flächen sind schlecht befahrbar, es gibt wenig produktives Grünland und die zunehmende Sommerhitze schränkt die Wasserverfügbarkeit ein“, erklärte Prof. Dr. Martin Elsäßer vom landwirtschaftlichen Zentrum Baden-Württemberg. Dass Naturschutz im Offenland ohne eine sinnvolle Landwirtschaft aber nicht denkbar ist, verdeutlichte Hansjörg Stoll zum Auftakt der Abschlussveranstaltung des sogenannten GiB-Projekts in Bernau (Baden-Württemberg). „GiB“ ist die Abkürzung für das Gemeinschaftsprojekt „Grünlandschutz durch ein innovatives Bio-Weiderindkonzept“ (siehe Kasten).
Teil des Projekts war unter anderem die Ermittlung des Futterwertes in Bernau. Elsäßer fasste die Ergebnisse zusammen: „Die Zunahmeleistungen der Rinder spiegeln eine unzulängliche Futtersituation wider.“ Die durchschnittlichen Tageszunahmen liegen lediglich bei 330 bis 482 g/Tag. Bei den Naturschutzflächen schwankten Futterangebot, -qualität und -zusammensetzung noch stärker als auf intensiv geführtem Grünland. Aber:
Nur Wiederkäuer können aus Gras Fleisch machen!“ - Prof. Dr. Martin Elsäßer
Außerdem erfülle die Weidehaltung gesellschaftliche Ansprüche. „Es muss den Landwirten gelingen, diese Dienstleistung ebenfalls in Wert zu setzen und zu verkaufen“, appellierte Juliane Dentler von der Universität Hohenheim. Worauf es im Marketing für die Weiderindfleischvermarktung ankommt, untersuchten Wissenschaftler der Universität Göttingen. „Nutzen Sie scheinbare Nachteile als Vorteile“, appellierte Dr. Antje Risius und zielte damit auf die schwankenden Fleischqualitäten und die saisonal schwankende Warenverfügbarkeit ab. Einzigartigkeit sei nur ein Beispiel für ein gutes Argument. Bio sei zwar gut, aber Weide und Naturschutz seien zentral. Das hat die Verbraucher-Umfrage gezeigt. „Eine konkrete Herkunftsangabe wie ‚Aus dem Süd-Schwarzwald‘ hat außerdem eine positivere Wirkung als der Slogan ‚Aus der Region‘“, erklärte Risius die Forschungsergebnisse. Die Untersuchung zeigte auch, dass der Geschmack das wichtigste Verkaufsmerkmal ist und dass sich das Marketing auf die Geschmackswahrnehmung auswirkt. Prof. Dr. Achim Spiller von der Universität Göttingen verdeutlichte, dass Händler ihr Verkaufspersonal schulen müssen, um die Vorteile der Bio-Weiderindfleischerzeugung zu vermitteln und damit den Absatz zu steigern.
Positivbeispiel mit regionalem Edeka-Händler
Wie das in der Praxis gelingt, beschrieb Martin Schmidt, Geschäftsführer der Edeka-Schmidts-Märkte. Er fährt mit seinem Verkaufspersonal nicht nur regelmäßig zu den Erzeugerbetrieben, sondern präsentiert das Bio-Weiderindfleisch auch ansprechend in seinen Märkten: „Wir präsentieren alle Weiderindprodukte auf Holzbrettern“, erklärte Schmidt. Zusätzlich hat der Lebensmittelhändler Schilder entwickelt, die bei jedem Erzeuger am Hof angebracht sind. In den Geschäften ist zusätzlich unter jedem Produkt ein Etikett zu finden, auf dem steht, welcher Landwirt das Rind gehalten hat. „Wir konnten den Absatz von Bio-Weiderindfleisch allein dieses Jahr um 20 % steigern“, resümierte er. Teile, die sich schlechter über die Fleischtheke vermarkten lassen, veredelt der Geschäftsführer beispielsweise zu Frikadellen, Burgerpatties oder Gulasch. Durch das Projekt stieg die Anzahl beteiligter Landwirte an dem Programm um 50 %, nämlich von 100 auf 150 - Tendenz steigend.
Prof. Dr. Enno Bahrs von der Universität Hohenheim fasste zusammen: „Es gehören viele engagierte Akteure hinzu, um so ein Projekt zu etablieren. Im Schwarzwald haben wir Pionierarbeit geleistet, die sich möglicherweise auch auf andere Regionen Deutschlands übertragen lässt.“
Eine hohe Wertschöpfung mit Grünlandflächen
Unzureichende Erlöse, eine geringe Produktivität und ein hoher Arbeits- und Maschineneinsatz reduzieren die Attraktivität der Grünlandbewirtschaftung in Steil- und Mittelgebirgslagen erheblich. Für den Erhalt sind moderne Betriebskonzepte nötig. Diese müssen ausreichend viele Wiederkäuer für eine naturschutzfachlich angemessene Beweidung zur Verfügung stellen und ausreichend Winter- oder Ausmastfutter von intensiv genutzten Flächen ermöglichen. Zusätzlich muss sich die Markt- bzw. Preissituation der Erzeuger verbessern.
Unter der Federführung der Universität Hohenheim mit den Partnern vom landwirtschaftlichen Zentrum Baden-Württemberg (LAZBW), von der Universität Göttingen und mit der Unterstützung von Edeka Südwest, von Landwirten aus Bernau sowie vom Landschaftserhaltungsverband (LEV) Waldshut verfolgten alle Akteure einen ganzheitlichen Ansatz zum Erhalt einer nachhaltigen landwirtschaftlichen Nutzung von Grünlandflächen mit vergleichsweise hoher Wertschöpfung.