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GVO-freie Milch: Sinnvoll oder vermessen?

Es scheiden sich die Geister darüber, ob ausreichend GVO-freies Futter für die Milchkuhfütterung vorhanden ist. Die Zusammenfassung einer Diskussion, die hinter den Kulissen stattfindet.

Lesezeit: 5 Minuten

Spätestens mit dem Beginn des Ukrainekrieges steht in der Milchbranche die Frage im Raum, wie notwendig das grüne Label des Verbands Lebensmittel ohne Gentechnik (VLOG) auf Milchprodukten ist. Das Siegel besagt, dass der Packungsinhalt GVO-frei ist, was eine entsprechende Fütterung der Milchkühe erfordert.

Organisationen, wie z. B. der Deutsche Bauernverband befürchten jetzt allerdings, dass GVO-freies Eiweißfutter wie Raps- oder Sojaschrot schon bald nicht mehr am Markt verfügbar sein könnte – und wenn, dann zu horrenden Preisen, die allein die Landwirte zahlen (Mehr dazu: DRV: GVO-freies Futter bleibt knapp). Zudem stellt sich die Frage, ob das Festhalten an einer GVO-freien Milchproduktion bei einer drohenden Lebensmittelknappheit nicht vermessen ist.

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Beim Berliner Milchforum Anfang April diskutierten Vertreter der Branche deshalb, ob es sinnvoll wäre, gänzlich auf die VLOG-Kennzeichnung zu verzichten und dem Handel dafür z. B. ein anderes Label anzubieten, wie „entwaldungsfreie Futtermittel“.

Lächerliche Diskussion?

In dem sozialen Netzwerk LinkedIn echauffierte sich daraufhin VLOG-Geschäftsführer Alexander Hissting über die gesamte Diskussion. Er warf „einigen Firmen und Verbänden“ vor, „den Krieg in der Ukraine schamlos auszunutzen, um das Rad zurückzudrehen“ und bezeichnete die Sorge, dass GVO-freie Eiweißfuttermittel knapp werden als „offensichtlich lächerlich“. Dr. Simon Harnisch vom Deutschen Raiffeisenverband (DRV) fasst die Situation dagegen so zusammen:

Verlässliche Aussagen über die flächendeckende Verfügbarkeit von GVO-freiem Futter sind nicht möglich." - Dr. Simon Harnisch

Susanne Fromwald von Donau Soja sieht zumindest bei Soja keine Probleme: „Die Verfügbarkeit von GVO-freiem Soja schaut sehr gut aus.“ Das habe eine Umfrage bei fünf europäischen Ölmühlen ergeben. Die aktuellen Preise seien auf der Homepage von Donau Soja einsehbar. Auch bei Rapsschrot sehe die Lage nicht so dramatisch aus, wie zunächst befürchtet, erklärt Hissting und beruft sich auf eine Ernteprognose des DRV. Darin heißt es, dass in Deutschland dieses Jahr eine Rapsernte von 3,9 Mio. t erwartet wird, was 0,4 Mio. t über der Ernte von 2020 liegen würde. Laut VLOG könnten so mögliche Importrückgänge aus der Ukraine kompensiert werden.

30% Selbstversorgungsgrad

Dr. Hermann-Josef Baaken, Sprecher des Deutschen Verbands für Tierernährung (DVT), rät dazu, die Bewertungen einzelner Institutionen, die im Markt für ihre Produkte Werbung machen, mit Vorsicht zu betrachten. Aus seiner Sicht ist die Versorgung des breiten Marktes mit gentechnikfreier Ware aus heutiger Sicht längerfristig nicht realistisch. „Auch wenn der deutsche Futtermittelmarkt über die Rohstoffmärkte gut versorgt ist, ist Deutschland bei Eiweißfutter, z. B. Rapsschrot, mit einem Selbstversorgungsgrad von etwa 30 % zwingend auf Importe angewiesen“, sagt er. Der Bedarf ließe sich zwar durch Importe aus Nord- und Südamerika trotz deutlich steigender Preise decken. Allerdings dominieren dort gentechnisch veränderte Sorten den Anbau.

Molkereien diskutieren

Mehrere Molkereien erklären, dass im Hintergrund viele Gespräche zu dem Thema geführt werden, es aber noch zu früh für klare Aussagen sei. Ein Lieferant der Milcherfassung Uelzena bestätigte, dass die Molkerei angekündigt hat, noch in diesem Jahr aus VLOG auszusteigen. Und Hochwald gab bekannt, den GVO-frei Zuschlag noch bis mindestens Ende Juni zu verlängern, um die Betriebe zu unterstützen. Das Deutsche Milchkontor bietet seinen Mitgliedern an, eine Vertragspause beantragen zu können, sollte die Produktion von VLOG-Milch aufgrund von nicht verfügbaren Futtermitteln nicht möglich sein.

Hinter vorgehaltener Hand ist zu hören, dass auch der Handel gewillt ist, die Notwendigkeit von VLOG zu hinterfragen. Lediglich Aldi positioniert sich klar: „Wir stehen mit unseren Lieferanten im engen Austausch, um die Auswirkungen des Ukrainekriegs auf unsere Lieferketten und unser Sortiment zu analysieren. Unser Ziel ist dabei weiterhin, am Einsatz von gentechnikfreien Futtermitteln festzuhalten.“

Die Branche bereitet sich auf mögliche Engpässe vor. So hat VLOG einen Leitfaden zum Umgang mit möglichen Verfügbarkeitsengpässen erarbeitet, dessen Entwurf top agrar vorliegt. Ziel ist, das Siegel weiter nutzen zu dürfen, auch wenn nicht ausschließlich GVO-freie Ware in den Verpackungen abgefüllt ist. Denn die Beschaffung von (neuen) Verpackungsmaterialien ohne VLOG-Siegel ist für die Molkereien eine große Herausforderung. Kritiker warnen vor dem Aufweichen der VLOG-Regeln. Sie befürchten den Vorwurf der Verbrauchertäuschung und einen Imageschaden der gesamten Branche.

Der DRV weist in einem Offenen Brief an den Handelsverband auf die drohende Verbrauchertäuschung hin, wenn nicht-GVO-freie Milch in Verpackungen mit dem VLOG-Siegel abgefüllt werden müssen und appeliert, sich auf die aktuelle Situation gemeinsam vorzubereiten.

Kurz kommentiert



Falscher Stolz ist fehl am Platz! Der Ukrainekrieg sorgt schon mehr als genug für unendliches Leid und Unsicherheit. Es gilt jetzt, die hei­mische Landwirtschaft zu stärken und die Milcherzeuger nicht aufgrund von Befindlichkeiten wirtschaftlich weiter in die Knie zu zwingen. In diesem Fall wären alle Verlierer!



Kirsten Gierse-Westermeier

Den Beitrag finden Sie auch in top agrar-Ausgabe 6/2022 im Spezialteil Rind.

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