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Heinen-Esser: „Wir brauchen die Mutterkuhhalter“

Gekoppelte Prämien für Mutterkühe sollen kommen, der Wolf ist schon da: Welche Perspektive hat die Mutterkuhhaltung in NRW? - Das haben wir die Landwirtschaftsministerin Ursula Heinen-Esser gefragt.

Lesezeit: 8 Minuten

Der Chefredakteur vom Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben, Patrick Liste, sprach mit Nordrhein-Westfalens Landwirtschfatsministerin Ursula heinen-Esser über die Sorgen der Mutterkuhhalter.

Wochenblatt: Frau Heinen-Esser, Rinder auf der Weide, kleine Strukturen, extensive Haltung: Viele Mutterkuhhalter machen das, was Politik und Gesellschaft fordern, kommen wirtschaftlich aber kaum über die Runden. Warum klafft so eine Lücke zwischen Wunsch und Wirklichkeit?

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Heinen-Esser: Die Mutterkuhhalter sind an der Schnittstelle zu dem, wie wir uns Landwirtschaft in Zukunft vorstellen. Sie machen bereits das, was mit Tierwohl, Umwelt- sowie Klimaschutz angedacht ist. Aber die finanzielle Entlohnung dafür ist noch nicht in ausreichendem Maße gegeben. Mit der Haltungsform sind hohe Kosten verbunden, die über den Preis für Rindfleisch und Förderinstrumente nicht ausreichend honoriert werden. In dieser Phase darf es nicht passieren, dass die Mutterkuhhalter aufgeben. Wir brauchen sie – und müssen deshalb gegensteuern.

Mutterkuhhalter machen bereits das, was mit Tierwohl, Umwelt- sowie Klimaschutz angedacht ist.

Das könnte gelingen, indem Landwirte diese gesellschaftliche Leistung vergütet bekommen...

Heinen-Esser: Es gibt viele Fördermaßnahmen, von denen Mutterkuhhalter schon heute profitieren können. Dazu zählen vor allem Agrarumweltmaßnahmen wie die Förderung der extensiven Grünlandnutzung oder des Ökologischen Landbaus, zudem die Tierschutzmaßnahme „Haltungsverfahren auf Stroh“. Ich finde es gut, dass der Westfälisch-Lippische Landwirtschaftsverband und andere Verbände das „Mittelgebirgsprogramm“ erarbeitet haben. Darin fordern die Verbände unter anderem mehr Unterstützung der gesellschaftlich gewünschten Weidehaltung. Genau deshalb haben wir uns auf der Agrar­minister-Konferenz auch für die gekoppelte Prämie für Weidetiere ausgesprochen. Sie hat jetzt auch Eingang in den Beschluss des Bundeskabinetts gefunden.

Zudem müssen die Preise für Rindfleisch die Leistungen wertschätzen. Diese sollen über eine einfach verständliche Kennzeichnung sichtbar werden. Ich hoffe, dass die Umsetzung des Borchert-Plans trotz Bundestagswahl schnell vorankommt. Und dann auch Rindfleisch stärker im Fokus steht.

Kommen gekoppelte Prämien schon 2022?

Die gekoppelten Prämien sollen in der reformierten Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) bei 60 € pro Mutterkuh sowie 30 € für Schaf/Ziege liegen. Ist das sicher? Und will NRW die Prämien wie Niedersachsen schon 2022 zahlen?

Heinen-Esser: Wir planen die Einführung der gekoppelten Prämien wie vorgesehen für 2023. In Brüssel und Berlin sind alle gewillt, dass diese Prämien auch tatsächlich kommen.

Warum die ungleiche Aufteilung zwischen den Tierarten?

Heinen-Esser: Einige Bundesländer wollten ausschließlich gekoppelte Prämien für Schafe und Ziegen. Das lehnen wir ab. Wir haben unsere Zustimmung davon abhängig gemacht, dass auch Mutterkuhhalter eine gekoppelte Prämie erhalten. Vereinfacht ausgedrückt ergibt sich die Förderhöhe, indem das zur Verfügung stehende Fördergeld auf die Anzahl der Tiere umgelegt ist. Berücksichtigung fanden aber auch die unterschiedlichen He­rausforderungen in diesen Produktionszweigen, die bei Schaf- bzw. Ziegenhaltern teils höher sind als bei Mutterkuhhaltern. In Summe sollten sich aber alle freuen, dass sich ihr starkes Engagement auszahlt und die gekoppelten Prämien kommen.

Drei von sieben Ökoregelungen zum Grünland

In der neuen GAP sinkt die Basisprämie, diese können Landwirte über Zahlungen für Ökoregelungen (Eco Schemes) aufstocken. Landwirte und Bauernverband kritisieren, dass hierbei das Grünland nicht ausreichend berücksichtigt sei. Gehen Mutterkuhhalter leer aus?

Heinen-Esser: Im aktuellen Regierungsentwurf beziehen sich von den sieben Ökoregelungen drei explizit auf das Grünland: Altgras-Streifen oder -flächen auf Dauergrünland, Extensivierung des gesamten Dauergrünlandes sowie die ergebnisorientierte extensive Bewirtschaftung von Dauergrünland mit Nachweis von mindestens vier regionalen Kennarten. Gerade die mit einer Extensivierung verbundenen Regelungen dürften für Mutterkuhhalter interessant sein.

Haben es dann eher intensiv wirtschaftende Grünlandbetriebe wie etwa Milcherzeuger schwer, über die Ökoregelungen aufzustocken?

Heinen-Esser: Die Ökoregelungen sollen für mehr Biodiversität sowie mehr Umwelt-, Natur- und Klimaschutz sorgen. Das fordert die EU und das werden wir umsetzen. Noch stehen die konkreten Kriterien zur Umsetzung der einzelnen Ökoregelungen und die Förderhöhen nicht fest. Ziel der noch laufenden Abstimmungen ist es, eine Ausgewogenheit innerhalb der einzelnen Betriebszweige und der Bundesländer sicherzustellen. Jeder sollte partizipieren können. Während die komplette Extensivierung bei intensiv wirtschaftenden Milcherzeugern kaum zu realisieren sein wird, müssten zum Beispiel Altgras-Streifen möglich sein. Auch sollen diese Betriebe weiterhin eine Förderprämie für die Sommerweide-Haltung erhalten.

Grünland-Klima-Bonus - eine gute Idee?

Genau diese Weideprämie würden auch die Mutterkuhhalter gerne bekommen.

Heinen-Esser: Das ist nicht möglich. In der Zweiten Säule der GAP ist formuliert, dass solche Förderungen, soweit sie produktionsbezogen sind, nur den zusätzlichen Aufwand ausgleichen dürfen. Gezahlt werden darf nicht für etwas, was Standard ist. Und so ist es hier: In der Mutterkuhhaltung ist die Weide Standard, deshalb nicht förderfähig. In der Milchviehhaltung ist die Weide rückläufig und die ganzjährige Stallhaltung verbreitet, deshalb kann hier die Weidehaltung gefördert werden. Es gibt derzeit keine Möglichkeit für eine Weideprämie für Mutterkühe. Deshalb haben wir uns auch für die gekoppelten Prämien eingesetzt.

Der Bauernverband fordert einen „Grünland-Klima-Bonus“. Was halten Sie davon?

Heinen-Esser: Ich bin absolut dafür, die CO2-Leistung der Landwirtschaft anzuerkennen. Allerdings muss man sich dann auch die Gesamtbilanz anschauen. Und diese sieht im Gegensatz zum Wald etwas anders aus, weil die Landwirtschaft auch Klimagase emittiert, unter anderem in der Tierhaltung. Unstrittig ist, dass Grünland CO2 speichert.

"EU-Naturschutzrecht schützt den Wolf streng"

Angst und Sorge bereitet Weidetierhaltern die Ausbreitung des Wolfes. Sie fühlen sich aber nicht gehört. Und befürchten, dass es erst zu einem Vorfall mit einem Menschen kommen muss, bevor Wolf-Fans und Politik das verstehen. Ist das so?

Heinen-Esser: Ich teile die Sorge um die Herden. Nutztierrisse sind enorme Belastungen für die Tiere und die Tierhalter. Daher müssen wir die Weiden, so gut es geht, schützen. Zugleich müssen wir bedenken, dass der Wolf nach dem europäischen Naturschutzrecht eine streng geschützte Art ist. Anders als in Ländern wie Niedersachsen, Brandenburg oder Sachsen-Anhalt haben wir in NRW bis jetzt lediglich zwei Wolfsrudel, eins am Niederrhein und eins im Rhein-Sieg-Kreis. Letztere leben sowohl in Rheinland-Pfalz als auch bei uns.

Die Wölfe verhalten sich, wie sich Wölfe verhalten: Sie ernähren sich von Wild. Wenn sie jedoch leicht an Weidetiere kommen, die nicht ausreichend geschützt sind, dann reißen sie auch Schafe. Wir haben neben den beiden Rudeln einzelne, durchziehende Wölfe, die auch Schafe reißen, wenn sich die Gelegenheit bietet. Insgesamt ist es aber vergleichsweise ruhig bei uns.

Ganz aktuell hat das Verwaltungsgericht Düsseldorf die Auffassung des Kreises Wesel bestätigt, wonach die Wölfin „Gloria“ am Niederrhein bisher nicht verhaltensauffällig ist. Es gibt also derzeit keinen Grund für eine Entnahme.

Wie muss dieser Zaun Ihrer Meinung nach gebaut sein, damit er ausreichend Schutz bietet?

Heinen-Esser: Nach bundesweiten Empfehlungen, und da sind sich alle Bundesländer einig, muss er in Wolfsgebieten, in denen es vermehrt zu Übergriffen kommen kann, mindestens 1,20 m hoch sein, über 24 Stunden hinweg ausreichend Strom führen und es muss sichergestellt sein, dass der Wolf nicht unter dem Zaun durchdringen kann. Zudem haben Herdenschutzhunde eine abschreckende Wirkung.

In der Praxis zeigt sich, dass das nicht immer möglich ist. Und nicht jeder Betrieb kann einen Herdenschutzhund halten. Besteht nicht die Gefahr, dass die Weidetiere im Stall oder schlimmstenfalls ganz verschwinden?

Heinen-Esser: Wenn wir allerorts individuell ausreichende Herdenschutzmaßnahmen umsetzen, sehe ich dieses Szenario nicht. Die wichtigste Maßnahme ist der beschriebene Zaunschutz.

Sind die Förderungen dafür ausreichend und praktikabel?

Heinen-Esser: Ja. Natürlich gibt es immer Bedingungen und bestimmte Grundprüfungen, die an die Fördergelder geknüpft sind. Schließlich geht es ja um Steuermittel. Wir halten die Förderrichtlinien für gut und praktikabel. Zudem arbeiten wir kontinuierlich an einer Weiterentwicklung der Förderrichtlinien. Perspektivisch ist auch ein Weidetierschutzgesetz denkbar, in dem die bestehenden Förderungen zusammengefasst werden.

Muss der Wolf ins Jagdrecht, Frau Ministerin?

Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hält „Gloria“ für keine Problemwölfin. Wie definieren Sie Problemwolf? Und gehen Sie bei der Forderung mit, dass Problemwölfe „entnommen“ – im Klartext getötet – werden müssen?

Heinen-Esser: Das Bundesnaturschutzgesetz definiert eindeutig, wann ein Wolf verhaltensauffällig ist: Ein wesentlicher Punkt ist, dass der Wolf mehrfach einen ausreichend stromführenden Zaun mit Untergrabeschutz und einer Höhe von 1,20 m Höhe übersprungen hat. Und bzw. oder die wirtschaftlichen Schäden müssen so hoch sein, dass ein Schutz nicht mehr zumutbar ist. Zwischen Bund und Ländern wird derzeit ein „Praxisleitfaden Wolf“ abgestimmt. Auch dieser wird wichtige länderübergreifende Empfehlungen im Umgang mit dem Wolf geben.

Muss der Wolf ins Jagdrecht?

Heinen-Esser: Es würde nichts an dem Schutzstatus des Wolfs ändern.

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