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Herdenschutzhunde: Was bei ihrer Haltung zu beachten ist

Die Haltung von Herdenschutzhunden erfordert Erfahrung, Planung und ein hohes Maß an Verantwortungsbewusstsein. Denn die Hunde sind nicht für jede Situation und nicht für jeden Tierhalter geeignet.

Lesezeit: 7 Minuten

Dieser Beitrag ist zuerst erschienen im "Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben".

Angesichts der steigenden Zahl an Wölfen in Deutschland wird zum Schutz von Nutztieren oft der Einsatz von Herdenschutzhunden diskutiert. Dazu zählen Rassen wie Mastino Espaniol, Pyrenäenberghund, Kangal oder Maremmano Abruzzese. Doch was sind die Besonderheiten und Einsatzmöglichkeiten dieser Hunde? In einem Webinar widmeten sich Vertreter des Projektes ­„LIFEstockProtect“ kürzlich diesen Fragen.

Bewacherinstinkt

„Herdenschutzhunde sind eine der ältesten Hunderassen, die ursprünglich mit nomadischen Hirten aus dem fernen Osten kamen“, informierte Max Rossberg vom Projekt „LIFEstockProtect“ und selbst Halter von Maremmanos. „Molosser ist bis heute der Überbegriff aus der Antike für große, massige Hunde. Alle heute bekannten Doggenarten und Berghunde sind mit dem Molosser verwandt, wie etwa der Boxer, der Bernhardiner oder der Kangal.“

Die ältesten Beschreibungen dieser Hunde sind rund 2000 Jahre alt. „Seitdem hat sich an den Herdenschutzhunden praktisch nichts geändert“, betonte Rossberg. Das sei der Hauptunterschied zu allen anderen Hunderassen, die vom Menschen nach seinen Wünschen und Vorstellungen gezüchtet worden seien, teilweise auch, um bestimmten Modetrends zu entsprechen.

Hunde können sich dynamisch Angriffsstrategien der Wölfe anpassen

Grundsätzlich soll bereits die Anwesenheit von Herdenschutzhunden Beutegreifer wie den Wolf abhalten: durch ihre selbstbewusste Haltung, ihr Bellen und indem sie durch Territorialmarkierung auf sich aufmerksam machen. „Ein Vorteil gegenüber Zäunen ist, dass sich die Hunde dynamisch den unterschiedlichen Angriffsstrategien des Wolfes anpassen können“, so der Fachmann.

Bereits die Größe dieser Hunde ist imposant: Hündinnen werden 60 bis gut 70 cm groß, Rüden 65 bis 80 cm, die in Einzelfällen und je nach Rasse bis zu 60 kg wiegen. Enorm ist auch die Gewichtszunahme der Welpen. Wiegen sie bei der Geburt zwischen 300 bis 500 g, sind es nach drei Monaten bereits 18 bis 22 kg. Nach sechs Monaten haben sie ein Gewicht von rund 40 kg und fast die Größe der Elterntiere erreicht.

„Mental sind sie aber erst mit zwei bis drei Jahren ausgewachsen“, betonte Rossberg. Erst ab diesem Alter legt sich auch das Spielverhalten, ist ihre Ausbildung durch erfahrene Hunde beendet. Denn, so die Empfehlung des Fachmanns: „Schaffen Sie sich nie als ersten Herdenschutzhund einen Welpen an. Diese benötigen die Erfahrung älterer Hunde.“

Das konnte der Südtiroler Philipp Bertagnolli nur bestätigen. In der Pubertät haben seine Welpen der Rasse Pastore della Sila – ein Herdenschutzhund aus Kalabrien/Süditalien – seine Ziegen als Spielgefährten angesehen, „was zum Teil blutig geendet ist“, berichtete der Schaf- und Ziegenhalter. Auch durch das Bellen der Hunde könne es Probleme mit den Nachbarn geben. Mutterkuhhalter Norbert Böhmer aus Bayreuth musste ebenfalls lernen, dass man nicht mit Welpen anfangen sollte. „Unsere Kühe sind auf die zwei jungen Pyrenäenberghunde losgegangen“, berichtete er. Daraufhin hat er zwei ältere Hunde der Rasse dazugekauft. „Für junge Hunde unter neun Monaten sollte ein Schutz vorbereitet werden, damit sie sich vor den Nutztieren zurückziehen können“, empfahl Rossberg. Das ,Bonding‘, sprich die prägende Bindung zwischen den Welpen und den Nutztieren, erfolge ab der vierten bis sechsten Lebenswoche der Hunde – oft indem die Tiere sich gegenseitig ablecken als Zeichen der Akzeptanz und Zuneigung.“ Welpen dürften nicht überfordert werden. „Sie sind noch verspielt, unsicher und bellen in diesem Alter auch noch mehr“, so der Referent.

Wie viele Hunde pro Herde?

Um einen effizienten Schutz auf der Alm oder bei nicht eingezäunten Flächen zu gewährleisten, sollten mindestens drei, besser noch fünf Hunde pro Herde eingesetzt werden. „Die Zahl der Hunde sollte möglichst gleich oder größer als die der Wölfe sein, um Kämpfe und Verletzungen der Herdenschutzhunde zu vermeiden. In einem Wolfsrudel jagen in der Regel die beiden Elterntiere zuzüglich ein bis drei der Jährlinge“, erläuterte Rossberg.

Die Rolle der Herdenschutzhunde beschrieb er wie folgt: „Sie sind Vermittler zwischen den Nutztieren und ihrer Umgebung. Die permanente Kommunikation mit der Herde durch die Körpersprache gewährleistet deren Sicherheit. Die Nutztiere verlassen sich auf die Hunde.“ Bei Gefahr, zum Beispiel Wölfen, würden sich die Hunde bewusst zwischen den Beutegreifern und der Herde positionieren. „Durch ihr Verhalten lenken die Hunde die Aufmerksamkeit der Nutztiere auf die potenzielle Gefahr“, so der Experte.

Herausforderungen für den Einsatz von Herdenschutzhunden bestehen insbesondere in Tourismusgebieten. „Es sollten nur zertifizierte und desensibilisierte Hunde zum Einsatz kommen, die also auf Reize wie Wanderer, Radfahrer oder andere Tiere (zum Beispiel Hunde) weniger sensibel reagieren.“ Wichtig sei aber auch, die Touristen über das Verhalten der Herdenschutzhunde zu informieren. „Wenn Personen schreien oder vielleicht sogar mit einem Stock schlagen, kann es passieren, dass die Hunde auch mal zubeißen“, schilderte Bertagnolli.

„Zauntreue“ ist wichtig

Außer auf den Almen befinden sich Herdenschutzhunde meist dauerhaft bei eingezäunten Nutztieren. „Zauntreue“ ist daher eine Schlüsselqualifikation, besonders in Situationen, wo der Zaun defekt ist, beispielsweise weil ein Baum darüber gefallen ist. Gut ausgebildete Hunde bleiben dann trotzdem bei der Herde. Was allerdings den meisten Spaziergängern nicht bewusst ist: Herdenschutzhunde sind hinter Zäunen oft territorialer und bellen häufiger. Spaziergänger nähern sich jedoch oft dem Zaun, da sie glauben, er schütze sie. „Auch hier kommt es dann oft zu lauten Eskalationen“, so Rossberg.

Nicht in die Wohnung

Tatsache ist: Herdenschutzhunde gehören nicht in die Wohnung. „Sie lieben es, draußen zu sein. Das ist ihre Welt, sie wollen schützen, riechen, beobachten. Wenn ich die Hunde aus dieser Welt nehme, muss ich damit rechnen, dass etwas passiert“, betonte der Experte. Was aber auch nicht funktioniere, sei Herdenschutzhunde aus privater Haltung wieder bei Nutztieren einsetzen zu wollen. Rossberg: „Das klappt nie, denn die Hunde haben die soziale Fähigkeit nicht mehr, mit Nutztieren zu kommunizieren.“

Ein großes Problem für Tierheime

Das „Reserviert“-Zeichen musste das Tierheim Nordkreis Coesfeld für die Herdenschutz-Mix-Hündin „Beate“ wieder zurücknehmen. Zwar hatten die In-teressenten Erfahrung im Umgang mit Herdenschutzhunden und auch die Wohnsituation passte. Aber Beate und eine bereits vorhandene Hündin wollten sich partout nicht verstehen.

So wie Beate geht es vielen Herdenschutzhunden: Sie fristen ein Dasein im Tierheim. Mit der steigenden Zahl an Wölfen in Deutschland sind sie ins Blickfeld und Interesse gerückt. Die Rassen werden aber auch im Objektschutz eingesetzt – oder aber als „niedliche Welpen“ im Internet gesehen und erworben – das böse Erwachen kommt später.

Und so werden seit Jahren aus mangelnder Sachkenntnis und der damit verbundenen Überforderung ihrer Besitzer Kangals, Owtscharka & Co. wieder ab-gegeben. Viele dieser Hundeverbringen dann ihr restliches Leben im Tierheim. „Denn aufgrund ihrer rassetypischen Ei-genschaften und ihrer Größe haben sie kaum eine Chance, vermittelt zu werden“, sagt Sandra Kassenböhmer vom Vorstand des Tierheims Nordkreis Coesfeld. Für die Tierheime ist dies in mehrfacher Hinsicht ein Problem. Zum einen kosten diese Hunde Platz: Denn wo sonst drei kleine Hunde zusammengehalten werden können, blockiert nun ein Herdenschutzhund den Zwinger.

Zum anderen lassen diese Hunde oft nur wenige Mitarbeiter an sich heran. Sind die dann im Urlaub oder krank, wird die Betreuung der Herdenschutzhunde schwierig. Im schlimmsten Fall können sie nur noch mittels Schiebern vom Innenbereich des Tierheims in den Auslauf gelassen werden, „wie ein Löwe im Zoo“, so Kassenböhmer. „Der ausgeprägte Schutzinstinkt dieser Hunde erfordert unbedingt einen rassemäßigen Einsatz. Ist keine Herde zum Bewachen vorhanden, muss zumindest ein großes Grundstück zum Bewachen gegeben sein. Ein kleiner Garten reicht nicht aus“, betont die Vertreterin des Tierheims.

Ist ein Herdenschutzhund nicht ausgelastet, kann er Verhaltensauffälligkeiten zeigen, die aufgrund der Größe und Eigensinnigkeit des Vierbeiners keineswegs zu unterschätzen sind. Kassenböhmer: „Die Hunde sind genetisch vorgeprägt, eigene Entscheidungen zu treffen und diese kompromisslos durchzuziehen.“

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