Jeder Fuß einer ausgewachsenen Kuh muss ca. 180 kg Gewicht tragen. Das sind 90 kg je Klaue und eine immense Druckbelastung für die Kuh als Zehenspitzengänger.
Je nach Untergrund wachsen Klauen 4 bis 8 mm pro Monat. Durch eine übermäßige Hornproduktion im vorderen Klauendrittel sinkt der Ballenbereich ab. „Wenn die Klaue kippt, entstehen dort dauerhafter Druck und Quetschungen und das Fettpolster unter dem Klauenbein bildet sich zurück. Druckstellen und Sohlengeschwüre sind eine Folge“, erklärt Dr. Kristina Lipp-Radisic, Tierärztin mit dem Schwerpunkt Klauengesundheit aus Warngau (Bayern).
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Gleichmäßige Belastung auf allen Klauen und eine korrekte Gliedmaßenstellung sind das Ziel der funktionellen Klauenpflege.
Der 5-Punkteplan ist ein standardisiertes Modell, das an allen deutschen Klauenpflegeschulen gelehrt wird.
Diese Klauenpflegetechnik entlastet den Ballenbereich und beugt Erkrankungen wie Sohlengeschwüren vor.
Um die Klauen fit zu halten und Erkrankungen vorzubeugen, ist die regelmäßige und funktionelle Klauenpflege wichtig und nötig. Ziel dabei ist, eine korrekte Gliedmaßenstellung und gleichmäßige Belastungsverhältnisse an allen Klauen zu erreichen. Ein immer gleiches Schema bietet der 5-Punkteplan, der als offizielle Lehrmethode in allen deutschen Klauenpflegeschulen dient. Tierärztin Lipp-Radisic ergänzt ihn mit einigen Tipps.
1. Beschneiden der Maßklaue
Zunächst korrigieren Rinderhalter die weniger belastete Klaue. Sie dient später als Maßklaue. Bei den Vorderbeinen ist das die Außen-, bei den Hinterbeinen die Innenklaue. Das Ziel ist, sie in eine optimale Position zu bringen, die als Referenz für die Parallelklaue dient.
Die Länge – gemessen von der Klauenspitze bis zum Kronsaum – sollte bei einem ausgewachsenen Holstein-Rind 7,5 cm betragen. Bei Tieren unter zwei Jahren sind eher 7 cm, bei älteren und schwereren Kühen etwa 8 cm empfehlenswert. „Im 90 °-Winkel zur Sohle lässt sich die Spitze gut mit einem Winkelschleifer kürzen. Alternativ funktioniert es auch mit einer Zange“, sagt Dr. Kristina Lipp-Radisic. Eine Messlehre hilft, die Länge zu überprüfen. „Zu kurz darf die Klaue nicht sein. Denn zur kurz bedeutet auch immer zu dünn“, erklärt die Tierärztin.
Die Sohle wird an der oberen Schnittkante der Klauenspitze gemessen und sollte 0,5 bis 0,7 cm dick sein. „Oberste Priorität ist, dass so viel Trachtenhöhe wie möglich bleibt. Deshalb sollten Landwirte im vorderen Klauendrittel tendenziell mehr wegnehmen und im hinteren Drittel so wenig wie möglich abtragen“, so Lipp-Radisic. Per Daumenprobe kann man die Sohlendicke schnell kontrollieren. Lässt sich das Horn eindrücken, ist sie zu dünn.
2. Parallelklaue angleichen
Das Ziel ist es, die Belastung gleichmäßig auf beide Klauen zu verteilen. Dazu wird jeweils die Parallelklaue an die zuerst geschnittene Maßklaue in Länge und Sohlendicke angepasst.
Laut der Tierärztin ist das nicht immer sofort möglich: „Teils sind die beiden Klauen extrem unterschiedlich. Ein sofortiges Angleichen kann dazu führen, dass die Sohlendicke der Außenklaue zu gering wird. In solchen Fällen kann es nur Schritt für Schritt in mehreren Klauenpflegeterminen klappen.“ Je mehr Trachtenhöhe die Maßklaue hat, desto einfacher ist es, die Dicke der Parallelklaue anzugleichen.
Um die Höhen von Innen- und Außenklaue vergleichen zu können, sollten Rinderhalter die Sohlenflächen an den Klauenspitzen mit dem Daumen auf eine Ebene drücken.
3. Hohlkehlung erhalten
Um den Druck auf das Klauenbein zu verringern, ist eine Hohlkehlung wichtig. Sie schafft eine elastische Beweglichkeit der Sohlenfläche, wodurch sich das innen liegende Ballenpolster beim Auftreten ausdehnen und Druck abdämpfen kann. Das entlastet die Stelle, an der sich häufig Sohlengeschwüre entwickeln.
„Die Hohlkehlung erstreckt sich vom Zwischenklauenspalt trichterförmig über die Sohlenfläche nach außen“, erklärt die Tierärztin. Sie umfasst ca. die Hälfte der Maßklaue und zwei Drittel der anderen Klaue. Wichtig sind glatte Übergänge und dass sie nicht in das vordere Drittel der Sohle hineinragt. „Der innere Tragrand muss unbedingt in seiner Länge bestehen bleiben, damit er der Kuh eine ausreichende und stabile Auftrittsfläche bietet“, sagt sie.
Der innere Tragrand muss unbedingt in seiner Länge bestehen bleiben, damit er der Kuh eine ausreichende und stabile Auftrittsfläche bietet."
Ein weiterer Effekt der Hohlkehlung ist die Belüftung der Klaue. Das Entfernen von minderwertigem Horn im Zwischenklauenspalt fördert die Selbstreinigung. Das beugt Entzündungen vor.
4. Defekte prüfen
„Farbabweichungen, Risse oder loses Horn sollten Rinderhaltende kontrollieren und ausdünnen. So weit, dass sie abschätzen können, ob bzw. was sich darunter verbirgt“, erklärt Lipp-Radisic und empfiehlt, jeder kleinsten Veränderung nachzugehen.
Gibt es Stellen, die nach den Maßnahmen der vorherigen Schritte noch nicht ausreichend entlastet sind, sollten Landwirte die gesunde Klaue durch einen Klotz erhöhen. Dieser entlastet die erkrankte Klaue, die so besser abheilen kann. Schmerzpunkte lassen sich mit einer Zange identifizieren, vor allem im Spitzenbereich und im Bereich der Hohlkehlung. Wichtig ist, dass die Kuh auch beim zweiten Mal reagiert – teils erschrickt sie sich bloß.
Defekte der Weißen Linie und Mulden in der Sohlenfläche müssen flach-trichterförmig beschnitten sein, damit sich Schmutz und Steinchen nicht verfangen und tiefer eindringen.
5. Loses Horn entfernen
Insbesondere im Ballenbereich müssen Landwirte Hornklüfte und loses Horn abtragen, damit sich weder Schmutz noch Bakterien ansammeln. Der Ballen darf dabei nicht zu viel Höhe verlieren, da sich sonst eine ungünstige Gewichtsverschiebung nach hinten ergibt und er sich ständig im Feuchten befindet.
„Zum Schluss steht die Versorgung von Krankheiten an, die die Tragfähigkeit der Klaue nicht beeinflussen – zum Beispiel Mortellaro“, rät die Tierärztin. Ist ein Tier akut lahm, muss es so behandelt werden, dass es nach spätestens 24 Stunden wieder ohne Einschränkungen läuft.
Tiefere Defekte wie eine eitrig infizierte Lederhaut erfordern eine Betäubung, eine antibiotische Behandlung oder chirurgische Eingriffe, die über die Klauenpflege hinausgehen.
Überzeugen Sie sich nach jedem Klauenpflegeschnitt, dass die Kuh alle vier Klauen gleichmäßig belastet."
Direkt Kontrollieren
Dr. Kristina Lipp-Radisic hat einen letzten wichtigen Tipp: „Überzeugen Sie sich nach jedem Klauenpflegeschnitt, dass die Kuh alle vier Klauen gleichmäßig belastet. Das lässt sich am besten noch im Klauenstand prüfen. Falls etwas noch nicht passt, ist es nur ein minimaler Mehraufwand, die Klaue zu korrigieren.“ Eine frisch ausgeschnittene Kuh darf nicht – auch nicht in den ersten Stunden und Tagen – vorsichtig auftreten.