Beim Thema „Kühe und Klima“ steht die Rinderhaltung oft als Treiber des Klimawandels im Fokus – unter anderem wegen des natürlichen Methanausstoßes. Auf der anderen Seite sind Rinder auch Leidtragende von Trockenheit und Hitze. So sind in diesem Jahr in vielen Regionen ein oder zwei Grasschnitte ausgefallen und der Mais vertrocknete teilweise.
Die regionalen Unterschiede sind dabei riesig. Während beispielsweise in den Küstenregionen ausreichend Regen für gute Ernten sorgte, war der Futteranbau ohne Beregnung in anderen Landesteilen nicht möglich. Hinzu kommt die unregelmäßige Verteilung der Niederschläge und Starkregenereignisse, unter anderem in den Alpenregionen.
Der Klimawandel verändert die Vegetation. Laut dem Deutschen Wetterdienst beginnt die Vegetation mittlerweile zwei bis drei Wochen früher als im Zeitraum 1961 bis 1990. In den Höhenlagen ist dieser Effekt größer. Laut Weltklimarat (IPCC) stieg die mittlere globale Oberflächentemperatur von 1880 bis 2020 um mehr als 1,2 °C. Im Alpenraum sind es aufgrund der Topographie sogar ca. 1,6 °C.
Futteranbau anpassen
Entscheidend ist es, mit dem Wasser bzw. Aufwuchs effizienter umzugehen. Prof. Dr. Hubert Spiekers, Leiter des Instituts für Tierernährung und Futterwirtschaft der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) in Grub, fasst das so zusammen: „Eine dem Standort angepasste Futterproduktion wird wichtiger. Das kann z. B. bedeuten, mehr Klee und Luzerne anzubauen, die Sortenwahl sowie die Erntezeitpunkte anzupassen oder Zwischenfrüchte effizienter zu nutzen.“
Das sieht so auch Prof. Dr. Olaf Steinhöfel vom Sächsischen Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG): „Auf nichtproduktiven Flächen aus der Konditionalität oder den Eco Schemes der GAP 2023 sollten nicht unbedingt nur exotische Pflanzen wachsen. Auch Klee oder Luzerne blühen und sind als Bienenweide nutzbar.“ Wenn Behörden in Notzeiten diese Flächen freigeben, ließen sich die Futterpflanzen nutzen.
Die regionale Eiweißversorgung wird laut Prof. Olaf Steinhöfel auch wegen der Kritik an Importen aus Übersee wichtiger. „Neben einer sparsameren N-Ergänzung und einem maximalen Einsatz von Protein aus Grobfuttermitteln, gehören wieder mehr Nebenprodukte aus der Region in die Rationen.“
Viel Potenzial sieht Siegfried Steinberger von der LfL in der Weidehaltung, um das Pflanzenwachstum besser auszunutzen. Vor allem auf Almen und Alpen gilt es Reserven besser zu nutzen. Er schlägt drei Maßnahmen vor: „Erstens müssen wir die Vegetationszeit effizienter ausnutzen, also mit Wachstumsbeginn auf die Weide treiben und nicht nach Kalendertag. Zweitens ist eine gelenkte Weideführung wichtig. Das heißt: Teilflächen intensiver beweiden, statt lange Zeit auf großen Flächen. Drittens brauchen wir 30 bis 40 % mehr Rinder pro Fläche, um den Aufwuchs gleichmäßig abzuweiden.“ Das Problem sei, dass viel Weidewissen verloren gegangen ist. Selbst in den Bergregionen schickt nicht jeder Betrieb sein Jungvieh auf die Alm.
Futterreserven nutzen
Auch im Stall gilt es bei knappem Angebot vorhandenes Futter effizient zu nutzen. Prof. Hubert Spiekers meint: „Im ersten Schritt ist es wichtig, Futterverluste am Feld, bei der Ernte, Lagerung und Vorlage zu minimieren. Häufig lassen sich so 20 bis 30 % der TM-Verluste vermeiden bei besserer Futterqualität.“ Besonders bei der Konservierung, dem Silomanagement und der Fütterungskontrolle sieht er noch Potenzial. Landwirte sollten dem Experten zufolge den Futterverbrauch und -vorrat regelmäßig kritisch prüfen:
Eine Futterreserve von 20 % bzw. Futter für zwei bis drei Monate sind das Minimum. Dafür muss auch das Futterlager ausreichen.“ - Prof. Dr. Hubert Spiekers
Ökologisch wirtschaftende Betriebe sind von knappem Grobfutter schneller betroffen, weil es weniger Zukaufmöglichkeiten gibt. Eine pauschale Empfehlung ist schwierig, meint Dr. Edmund Leisen, Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen (LWK NRW): „Die Auswirkungen des Klimawandels und die Reaktionsmöglichkeiten darauf sind regional sehr unterschiedlich. Wir untersuchen z. B. auf 70 Standorten von Amsterdam bis Wien verschiedene Gräser- und Kräutermischungen zur Nachsaat bzw. Neueinsaat – die Ergebnisse fallen je nach Standort und Jahr sehr unterschiedlich aus. Deshalb ist der Test auf dem eigenen Betrieb unerlässlich.“ Seiner Erfahrung nach versuchen die meisten Betriebe mehr Futtervorrat anzulegen. Wo das nicht möglich ist oder viel Risiko für fehlendes Futter besteht, bleibe nur, den Bestand zu reduzieren.
Den Stall kühl halten
Neben dem Futteranbau beeinflusst der Klimawandel das Stallklima. Sibylle Möcklinghoff-Wicke, Landesvereinigung Milch in Hessen, macht deutlich: „Dass Kühe bei hohen Temperaturen plus Luftfeuchtigkeit unter Hitzestress leiden, ist bekannt. Weniger geläufig ist, dass die Folgen noch Generationen später feststellbar sind. Wenn beispielsweise eine tragende Kuh Hitzestress hatte, reduziert das die Nutzungsdauer der Tochter und Enkelin.“ Immer mehr Betriebe investieren in Lüftungstechnik, auch bei den Trockenstehern und Transitkühen.
Ähnlich sieht es Sabine Pittgens von der LWK NRW: „Die letzten fünf Sommer haben gezeigt: „Es reicht nicht aus, drei Lüfter in den Stall zu hängen, wenn man seine Tiere effektiv kühlen will.“ Die Technik muss genau geplant und überprüft werden – z. B. die Anzahl, Position und Neigungswinkel der Ventilatoren. Auch möglich ist es mit Wasser die Stallluft oder die Kühe direkt zu kühlen. Allerdings steigt so auch die Luftfeuchtigkeit im Stall, was bei schwülem Klima zu zusätzlichem Hitzestress führt, betonen Sabine Pittgens und Sibylle Möcklinghoff-Wicke. Wasser sollte daher immer nur in Kombination mit Lüftung zum Einsatz kommen.
Wichtig ist laut Sabine Pittgens auch eine ausreichende Beschattung – z. B. bei den Kälbern, im Laufhof oder den äußeren Liegeboxen. Und sie ergänzt: „Künftig muss sich die Luftsteuerung im Außenklimastall an sich ändernde Windrichtungen anpassen. Wir müssen das Klima im Stall flexibler regulieren, z. B. mit automatischen Systemen und Klimasensoren.“
Fest steht: Rinderhalter müssen Fütterung und Haltung dem Klima anpassen. Wie Milcherzeuger das machen, zeigen folgende Praxisbeispiele.
Friedrich Kinkelbur, NRW: Tierzahl kurzfristig reduziert
„Wir bewirtschaften einen Biobetrieb in Minden (NRW) mit 165 ha Fläche, davon 60 Grünland. Nach zwei extrem trockenen Jahren 2018 und 2019 war das Grundfutter knapp. Es war klar, dass es nicht bis zur nächsten Ernte reichen würde, sondern nur bis Anfang 2020. Daher mussten wir die Konsequenz ziehen: Unsere Kuhzahl haben wir von 125 auf 108 reduziert. Wir haben Färsen verkauft und Altkühe frühzeitig abgehen lassen.
Der Grundfutter-Zukauf für die ökologische Milchproduktion wäre in dem Jahr nicht ausreichend möglich gewesen. Zum Glück konnten wir eigenen Mais nutzen. Die fehlende Grassilage haben wir durch Luzerne-Cobs und Soja-Pülpe ersetzt, sehr hochwertige Eiweißfuttermittel – aber auch teuer.
Das Abstocken der Tierzahl war eine Notlösung, die wir nicht wiederholen wollen. Für den Betriebskreislauf brauchen wir einen bestimmten Tierbestand. Uns hat das aber deutlich gezeigt, dass wir mehr Futtervorrat einkalkulieren müssen – für den Notfall. Früher hat es ausgereicht, etwa 1/3 der Grundfutter-Gesamtmenge als Vorrat vor uns her zu schieben. Heute kalkulieren wir eher mit einer Reserve für ein 3/4 Jahr. Grassilage lagern wir teilweise in Wickelballen. Die Qualität kann durch längere Lagerzeiten leiden. Das ist ein Risiko, das wir jetzt eingehen müssen.“
Markus Dillinger, BY: Saisonal Abkalben - der Hitze entgehen
„Wir haben unsere Herde mit 65 Milchkühen im Landkreis Kelheim (Bayern) vor etwa vier Jahren auf Vollweidehaltung und saisonale Abkalbung umgestellt. In den letzten Sommern hat sich das bewährt. Die saisonale Abkalbung ist die logische Konsequenz der Vollweidehaltung, um den Aufwuchs effizient zu nutzen. Unsere Kühe kalben ab Ende September und damit auch außerhalb der Hitzesaison. Das hat positive Effekte auf die Tiergesundheit. Im Stall können wir sie zudem voll ausfüttern. Das belegen Trockenmasse-Aufnahmen von 25 kg und mehr. Die Ration im Winter enthält vor allem Grassilage und wenig Maissilage. Der Mais hat auch in diesem Jahr auf leichten Böden unzureichende Erträge geliefert.
Wenn es im Sommer wochenlang nicht regnet, müssen auch wir zufüttern. Doch die Vegetationsphasen verändern und verlängern sich auch. Spätestens im März startet die Weidesaison. Und dank des Regens im Herbst ist dieses Jahr noch mal viel Gras nachgewachsen. Das stand teilweise bis 30 cm hoch, weshalb etwa 25 % der Herde im November noch auf der Weide war. Wir können den Aufwuchs also länger nutzen.
Seit einigen Jahren schicken wir zudem unser Jungvieh und Kalbinnen auf die Alm. Das entspannt unsere Futtersituation und das Grünland in den Bergen wird effizient genutzt. Dort betreiben die Rinder aktiven Naturschutz.“
Manuel Schneider, HE: Kein Milchverlust im Sommer
„Unser Betrieb mit 800 Milchkühen plus weibliche Nachzucht liegt in Niedergründau (Hessen) in einem Tal und es gibt kaum Windbewegung im Stall. Deshalb hatten wir schon immer Ventilatoren, haben die Anzahl aber 2019 deutlich erhöht bzw. die Geräte ausgetauscht.
Wichtig war mir, eine möglichst hohe Luftgeschwindigkeit zu erzeugen. Das habe ich mit einem Messgerät bei verschiedenen Ventilatorenmodellen auf Betrieben getestet. Wir erreichen heute im Stall in der Regel das Ziel von 2 m/s. Sensoren steuern die Ventilatoren automatisch, die aber im Sommer durchgängig laufen. In unserem Kompostierungsstall hat das den zusätzlichen Vorteil, dass die Oberfläche gut abtrocknet.
Zusätzlich haben wir eine Kuhdusche am Futtertisch installiert, die den Rücken der Kühe nässt. Damit kühlen wir die Tiere direkt ab. In Kombination mit den Ventilatoren ist die Kühlwirkung sehr effektiv. Während wir in früheren Jahren in heißen Sommermonaten bis zu 20 % Milchverlust hatten, haben wir heute im Sommer mit die höchsten Leistungen. Das zeigt, dass das Klima im Stall optimal ist.
Auch beim Jungvieh und den Kälbern haben wir die Klimatechnik optimiert, zum Beispiel mit Schlauchbelüftungen. Eine zwangsgesteuerte Lüftung sorgt für eine gleichmäßige und konstante Luftzufuhr. Das ist für Tiere und Menschen angenehm. Langfristig wollen wir aber noch in einigen Teilbereichen nachrüsten, wie dem Melkstand.“
Winfried Räcke, SA: Noch flexibler aufs Wetter reagieren
„Meine Frau Sandra und ich bewirtschaften unseren Biomilchbetrieb mit 115 Kühen in Räckendorf (Sachsen-Anhalt) auf sandigen Böden (24 BP). Es ist eigentlich immer trocken. Doch die letzten Jahre und dieses Jahr waren extrem. Bis Juli hatten wir weniger als 200 ml Wasser. Die Kühe können, außer im Winter, Tag und Nacht auf die Weide und erhalten im Stall ein Ausgleichsfutter. Dieses Jahr mussten wir im Juni und Juli eine Winterration zufüttern, weil der Aufwuchs von der Weide fehlte. Glücklicherweise konnte ich Grassilage regional zukaufen.
Die extremen Sommer haben uns gezeigt, dass wir in vielen Dingen umdenken müssen. Früher haben wir nicht mehr Futter als nötig gelagert, weil das auch auf Kosten der Qualität geht. Heute versuchen wir das Futter für ein halbes Jahr auf Vorrat zu halten. Auch im Futteranbau planen wir um. Luzerne wird immer wichtiger. Dank der langen Wurzeln kommt die Pflanze bei Trockenheit besser klar als z. B. Kleegras. Wichtig ist, dass sie sich gut etablieren kann. Dafür hat sich bei uns eine Aussaat im August bewährt. Wenn Feuchtigkeit fehlt, verschieben wir die Aussaat aufs kommende Frühjahr. Bei einem trockenen Sommer kann es zum Totalausfall kommen. Mais hingegen ist oft vertrocknet und wir haben daher immer weniger angebaut. Nächstes Jahr wollen wir es noch einmal versuchen – in der Hoffnung auf Regen.
Grundsätzlich haben uns die letzten Jahre gezeigt, dass es immer wichtiger ist, beim Futteranbau flexibel auf das Wetter zu reagieren. Ein wenig Glück, vor allem mit Regen zur richtigen Zeit, gehört aber auch dazu.“