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Landwirt managt seine Milchviehherde digital

Alles andere als Bio-Klischee: Milchviehhalter Jasper Metzger-Petersen setzt auf Sensoren, digitale Systeme und Datenerfassung. So hat er Leistung und Tierwohl verbessert.

Lesezeit: 6 Minuten

Unser Autor: Jürgen Beckhoff, Agrarjournalist aus Hamburg

Eine Herdenmanagerin, die sich einzig mit der Überwachung von digital erfassten Daten beschäftigt – die gibt es bei Jasper Metzger-­Petersen auf dem Backensholzer Hof. Die 460 Kühe auf dem Biobetrieb in Oster-­Ohrstedt (Schleswig-Holstein) mit eigener Hofkäserei und Direktvermarktung hat Herdenmanagerin Mary-Katherine Jones ständig im Blick. Für die Daten­erfassung sind alle Tiere vom Kalb bis zur Kuh mit Sensoren ausgestattet.

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Daten von Klein auf

Den Kälberstall baute der Betriebsleiter 2019 nach neuesten Tierwohlstandards. In drei Abteilen mit je zwei Gruppen finden hier etwa 120 Kälber Platz. Über einen Windfang haben sie Zugang zur Weide. Im Alter von 21 Tagen bekommen die Tiere ein Halsband mit Transponder. Bei jedem Besuch des Tränkeautomaten ermittelt eine Vorderfußwaage das Gewicht.

Jedes Kalb kann täglich bis zu 12 Liter Vollmilch in mindestens fünf Rationen à 2,4 Liter abrufen. Lässt ein Kalb nur eine Ration aus, alarmiert das System die Betreuer. Auch eine zu geringe Trinkgeschwindigkeit oder ein abnehmendes Körpergewicht einzelner Kälber meldet das System.

Im neuen Stall haben sich die täg­lichen Zunahmen der Tiere deutlich verbessert. Im Schnitt liegen sie in den ersten 120 Tagen zwischen 950 und 1.050 g. „Hohe Zunahmen sind ein wichtiger Hebel für eine bessere Wirtschaftlichkeit“, sagt Metzger-Petersen. Denn jeder Tränketag kostet den Betrieb etwa 4 € je Tier. Bei 120 Kälbern macht ein Tränketag weniger eine Ersparnis von knapp 500 € aus. Auch die Verluste sind deutlich geringer und ­lagen im ersten Quartal 2021 erstmals bei null (ohne Geburtsverluste).

Jede Kuh mit Sensor

Auch im Kuhstall trägt jede Kuh ein Transponderhalsband. Es meldet viermal stündlich, ob die Kuh steht, liegt oder wie sie den Kopf hält. Schnelle Bewegungen, die auf Unruhe hinweisen, zeichnet ein Beschleunigungssensor auf. Ein integriertes Mikrofon überwacht die Kaufrequenz. Bei Abweichungen meldet sich das System automatisch. Zudem sind die Sensorinfos mit den Daten aus Klauenpflege, Melkstand und Fütterung verknüpft. Bei Herdenmanagerin Jones laufen alle Infos im Programm Dairy-Comp zusammen.

Die tägliche Beobachtung der Tiere ist für die US-Amerikanerin genauso selbstverständlich, wie die Analyse der Daten. Da sie beides im Blick hat, kann sie z. B. feststellen, ob sich ein Silowechsel negativ auf die Klauengesundheit auswirkt. „Sie hat oft schon Lösungen, bevor ein kleines Problem zu einem größeren wird“, sagt der Betriebsleiter.

Für ihn ist die Vollzeitstelle für das Datenmanagement eine logische Investition, um die Herde konsequent überwachen zu können. „Je mehr Informationen wir über ein Tier haben, desto besser können wir uns darum kümmern“, so Metzger-Petersen. „Aber dafür braucht man jemanden, der alle Daten zusammenführt, interpretiert und daraus ableitet, was zu tun ist.“ Ein gutes Gespür für die Tiere bleibt für den Biolandwirt jedoch unverzichtbar.

Mastitis schneller geheilt

Aus der Kombination von Daten und Beobachtungen leitet Jones ihr Management ab: Ob eine Kuh für die ­weitere Zucht geeignet ist, entscheidet sie auf Basis verschiedener Merkmale wie Leistung und Fundament. „Diese grundlegenden Entscheidungen sollte man nicht nach Gefühl, sondern auf Basis verlässlicher Fakten treffen“, so der Landwirt. Aktuell ist die Herde noch nicht genomisch typisiert.

Zusätzlich zur verbesserten Zuchtstrategie ist das frühe Erkennen von Erkrankungen ein entscheidender Vorteil für den Biolandwirt. Eine sich anbahnende Mastitis, Druckstellen an den Klauen oder Auffälligkeiten im Stoffwechsel erkennt Jones 24 bis 48 Stunden früher als bisher. Bei Verdacht auf eine Mastitis gleicht sie die Daten auch mit den Eindrücken des Melkteams ab.

Die Zahl der behandelten Mastitisfälle hat sich nach Einführung der digitalen Datenerhebung zwar nicht geändert. Aber durch die bessere Früherkennung heilen sie nach Einschätzung des Betriebsleiters schneller ab. Dadurch fallen auch die Milchverluste geringer aus. „Ohne die umfangreichen Daten würden wir erst an der abfallenden Milchleistung sehen, dass eine Kuh krank ist“, sagt er. „Wir können schneller reagieren. Teilweise sind die Tiere nach ein bis zwei Tagen wieder fit.“

Neue Besamungsstrategie

Bei der Erkennung von brünstigen Tieren verlässt sich Jones ebenfalls auf das digitale System. Anhand der Aktivität und Kopfneigung der Kühe erkennt es den optimalen Besamungszeitpunkt.

Die Strategie zur Erstbesamung der Rinder hat sich dadurch grundlegend verändert. Für Jones ist nicht mehr das Alter maßgebend. Sie besamt nun jedes Rind streng bei einem Körpergewicht von 400 kg und passender Kondition. Das Erstkalbealter ist seitdem um sechs Monate gesunken. Heute kalben die Tiere im Schnitt nach 24 Monaten. Die Trächtigkeitsrate ist auf 40 % gestiegen (inkl. Erstbesamungen).

Die positive Entwicklung der Besamungszahlen macht Metzger-Petersen insbesondere an den Daten von den Halsbandsensoren fest. „Das war nach einem Monat sichtbar. Ohne, dass wir andere Dinge geändert haben.“

Pro Kuh 2.000 kg mehr Milch

Die anspruchsvolle Technik geht aber mit hohen Investitionskosten einher. Alleine die neuen Halsbandsensoren kosteten den Biolandwirt 100 € pro Kuh. Damit hat er die komplette Herde in diesem Jahr ausgerüstet. Hinzu kam neue Software und zusätzliches Personal. „Das ist viel Geld. Aber ich bezahle lieber Leute, die aufpassen, dass die Tiere nicht krank werden, anstatt hinterher den Tierarzt.“

Mit der digitalen Kontrolle will Metzger-Petersen auch die Effizienz steigern. Innerhalb von zehn Jahren ist die mittlere Herdenleistung von 8.000 auf 10.000 kg Milch je Tier und Jahr gestiegen. Die Milchinhaltsstoffe liegen bei 4,1 % Fett und 3,4 % Eiweiß. Und das, obwohl der Betrieb gleichzeitig 150 Tiere aufgestockt hat. Die Zellzahl erhöhte sich von 150.000 auf 170.000 Zellen/ml. Die Tierarztkosten sind auf 1 ct/kg Milch gesunken.

Die deutliche Leistungssteigerung hat die Tiere laut Metzger-Petersen anfälliger gemacht. Doch mit der fast lückenlosen Datenerhebung können sie aufkommende Probleme rechtzeitig entschärfen. „Bei nahezu gleichem Input haben wir dank der Technik 25 % mehr Milch. Die Gesundheitsdaten zeigen, dass auch das Tierwohl besser ist. Das ist doch genau das, was wir in der Landwirtschaft wollen“, sagt er.

Für das technologiegestützte Betriebskonzept erhielt der Backensholzer Hof 2020 eine Auszeichnung als einer von drei Siegern beim Bundeswettbewerb Ökologischer Landbau.

Faktenbasiert diskutieren

Zur besseren Leistung und Tiergesundheit haben laut Metzger-Petersen auch die Fortbildung der Mitarbeiter und kurze Kommunikationswege beigetragen. Alle leitenden Mitarbeiter­innen und Mitarbeiter haben Zugriffsrechte auf die jeweiligen Daten ihres Arbeitsbereichs. „Das motiviert die Mitarbeitenden und gibt mir mehr Freiräume bei der Arbeit.“ Zugriff auf die gesamten Daten haben neben Jones und ihm auch der Fütterungs­­berater und der Tierarzt. Wenn sich Probleme wie Mastitiden oder Lab­magenverlagerungen häufen, suchen sie gemeinsam nach möglichen Ursachen. „Mit diesen Daten diskutieren wir auf Basis von Fakten und nicht nach Gefühl.“

Auf Zielvorgaben, etwa bei der Leistung oder Fruchtbarkeit, verzichtet der Landwirt. Sein Hauptziel ist es, gute und hygienisch einwandfreie Milch an die hofeigene Käserei zu liefern.

Der Backensholzer Hof kann die ­Investition in die Technik durch die hohe Wertschöpfung in der eigenen Bio­käserei gut stemmen. Dennoch hält er den Einstieg auch bei kleineren Betrieben für sinnvoll und finanzierbar. Nach seiner Erfahrung macht diese Technik auch sehr gute Betriebe noch besser.

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